Flirrendes Licht. Dieter Pflanz

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Flirrendes Licht - Dieter Pflanz

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jede Menge Büsche, Bäume gewachsen. Früher war alles kahl, nur der Garten drumrum.“ Das Auto bog in das offene, schief hängende Tor ein, auf dem Kies Knirschen der Reifen. Sie war beim Aussteigen, da hatte der Hund sich bereits an den Vordersitzen vorbei nach draußen gezwängt. Bellend rannte er nach hinten ums Haus, kam bellend an der anderen Seite wieder zum Vorschein.

      Wenn mit dem Auto länger unterwegs gewesen, seien oft Rehe im Garten: das seine Hoffnung, sein voraus entworfenes Glück. Seine sich selbst entworfenen Glücksgefühle.

      „Hat er schon mal eins erwischt -?“

      „Nein, die sind viel zu schnell. Ich bin mir auch sicher, dass er ihnen nichts täte, nur sein Triumph, sie zu vertreiben. Dies hier ist sein Garten!“

      Helmut ging ums Haus, kam auf der anderen Seite zurück. Noch immer keine Erinnerung, oder kaum. Sei das nicht größer gewesen -? In den Bildern seiner Erinnerung viel höher. Und das Dach: völlig anders!

      Das könne sein. Große Zementpfannen habe es früher, zu Opas Zeiten, nicht gegeben. Die Pfannen hätten wohl irgendwann erneuert werden müssen, seien Jahrzehnte alt gewesen.

      „Und hier haben wir wirklich alle gelebt?“

      „Ja.“

      „Wie viele waren wir?“

      „Nach meiner Zählung bis zu zehn: später mit den Zwillingen, Tante Gerda, Onkel Willi. Im Krieg, als Oma noch lebte, fünf. Und das war ja unsere Chance, die wir gleich genutzt haben -. Als die aus Polen noch bei uns unterkrochen, aus Pommern. Sie kamen hinzu ... und wir verschwanden in unser Haus.“

      „Zuerst ich!“ sagte Helmut. „Der Schuppen steht noch, habe ich eben ganz ergriffen festgestellt -.“

      Wie früher, nur etwas verfallener. Sie gingen ins Haus, seine Schwester griff nach der Zigarettenschachtel auf dem Tisch. Das Rauchen habe sie immer noch nicht aufgegeben, allein ins Auto nehme sie Zigaretten nicht mehr mit. Eisern. Und sehr stolz, dass sie wenigstens das schon geschafft habe. Doch sie sei furchtbar nervös, müsse jetzt unbedingt rauchen.

      „Meinetwegen brauchst du nicht nervös zu sein, Frey -.“ Er lachte, nahm sie in den Arm, streichelte ihren Rücken, Nacken.

      „Ich weiß, weiß ... doch sieh mal die Hände. Mir schlägt das Herz bis in den Hals. Höher, höher - bis in Schläfen, Haarspitzen.“ Sie schaffte es mit dem Streichholz, nahm einen tiefen Zug, öffnete ein Fenster. Die Augen geschlossen, versuchte sie gleich, den Rauch nach draußen zu blasen. Sie zerdrückte die halbe Zigarette an der Fensterbank, warf sie nach draußen.

      So … und jetzt habe er Hunger, sagte Helmut, setzte sich unaufgefordert an den gedeckten Tisch, Riesenhunger. Doch die Tischdecke kenne er! Nichts im Haus erkenne er wieder - doch die Tischdecke. Die sei bestimmt von Mutti.

      „Ich mochte sie nicht wegwerfen -.“ Freya lachte, goss Kaffee ein, plauderte. Er überlegte, ob er um Tee bitten könne, da er Kaffee schlecht vertrug, ließ es.

      Sei schon komisch, wie man in neuen Situationen plötzlich nach alten Verhaltensmustern suche. Sie überlege immer, wie Mutti das und das gemacht habe, wenn sich Besuch anmelde, gehe Jahrzehnte zurück in die Erinnerung. Das macht frau so ... das nicht ... dieses noch wieder anders. Sie habe auf hausfraulichen Gebieten kaum Erfahrung gehabt - habe natürlich als Kind, weibliches Wesen, von den vielen Frauen in diesem Haus alles lernen müssen. Doch später habe sie für solche Sachen ihre Leute gehabt. Und jetzt lerne sie über die Erinnerung wieder richtig/ falsch, obwohl ihr in den Jahrzehnten dazwischen wohl nichts so gleichgültig gewesen wie traditionelles Frausein. Wahrscheinlich sogar verächtlich gewesen sei. „Deshalb habe ich Muttis alte Kaffeetischdecke wieder rausgesucht -. Extra für dich! Und du hast sie sogar erkannt, was mich erfreut. Warm erfreut. Aber das Geschirr ist neu!“

      Habe er natürlich bemerkt.

      „Doch du wirst lachen“ - sie habe auch noch das alte Geschirr, irgendwo im Keller. Das alte Porzellan der Aussteuer ihrer Mutter, das sie damals von Opa Paul zur Hochzeit bekommen habe. Einigemal sogar wieder benutzt, als viele Leute im Haus gewesen seien, die vom Naturschutz, und große Teller, Schüsseln fehlten.

      „Wann hatten die geheiratet?“

      „Drei Jahre vor deiner Geburt.“ Mutti habe einige Zeit zuerst einmal ohne Kinder leben wollen, später oft erzählt, auch dass sie deswegen von der Verwandtschaft schon unter Druck gesetzt worden sei. Solch unnatürliches, egoistisches Verhalten einer Frau! Doch sie sei mit der Hochzeit ihrem fürchterlich strengen Vater entkommen gewesen, habe nicht sofort schon wieder Sklave anderer Lebewesen werden wollen.

      So etwas habe sie ihr erzählt -?! Ihm nie, oder kaum je.

      „Du wolltest ja auch nichts wissen ... hast dich immer gleich in die Büsche geschlagen.“

      „Geschrieben hat sie mir viel. Später. Auch Persönliches, Gefühlsträchtiges. - Unterschwellig immer mit sehr viel Gefühl.“

      Ja. Später im Alter habe sie viel erzählt, auch Betrübliches. Dass sie zum Beispiel in den Zwanziger Jahren in Berlin als Mädchen, junge Frau aufgewachsen sei: - und von dieser tollen Zeit überhaupt nichts mitbekommen habe! Ihr Vater sie in Turnvereine gesteckt, anstatt in Tanzkurse, und jahrelang hatte sie in Höheren-Töchter-Schulen lernen müssen. Nähen, Kochen, Schneidern, Haushaltsführung. Geschneidert habe sie jedoch immer sehr gern.

      „All das hat sie später bedauert?“

      „Deshalb war sie so froh, dass ich es immer völlig anders gemacht habe. Sie war irgendwie stolz auf mich.“

      Er auch. Helmut lachte. Sehr sogar! Wenigstens einer von ihnen, der etwas geworden sei.

      „Ach. Ich war immer stolz auf dich, habe oft von dir erzählt. Das wussten alle meiner Freunde, dass du Schriftsteller geworden bist. Und wenn ich einen Brief von dir bekam, bin ich ausgeflippt -. Vor Glück. Auch das wussten viele, damals im Internat, Studium, im Büro - haben gelacht, mich geneckt. Etliche haben sich für mich auch gefreut, sogar hinten in Russland. Die Sonja, mit der ich in Kiew in einem Zimmer lebte. Der musste ich alles über dich erzählen!“

      „Du warst mein einziger Leser - . Doch unbeirrbar treuer ... was ich hoch anrechne.“

      Er mache sie wütend, schnaubte sie, wenn er sich selbst immer schlecht, klein mache. Was er sich getraut habe im Leben, hätte sie niemals gewagt. Mit Sicherheit nicht.

      Helmut sah ihr in die Augen, wo wieder Tränen schimmerten, drückte die Finger aufs Tischtuch. „Nein, Frey ... diesmal ganz im Ernst. Ich bin zufrieden mit mir: dass ich das Schreiben ein ganzes Leben lang durchgehalten und so viele Bücher, Manuskripte geschafft habe. Doch auf der anderen Seite hätte ich mir natürlich etwas mehr Erfolg gewünscht, ganz prosaisch: etwas bessere wirtschaftliche Ergebnisse. Sprich geldlichen Verdienst, da in dieser Gesellschaft alles und jedes stets in Geld umgerechnet wird.“ Ihm fehle nichts, er müsse nicht hungern, habe keine materiellen Wünsche, die er sich nicht erfüllen könne. Doch wenn einer sich durch sein ganzes Leben viel Mühe gegeben habe, so viel gearbeitet wie er, müsse das eigentlich auch von außen als Wert bestätigt werden. Das habe aber wohl allein mit Gefühlen zu tun. Negativen, beleidigten Gefühlen.

      Er sah sie lächelnd an, zuckte die Schultern. Sie legte die Hand auf seine, sagte, ihr ergehe es jetzt ähnlich. Seitdem sie die Arbeit verloren habe, den Beruf, spüre sie in sich, ganz tief drinnen, dieses unglaubliche Gefühl der Verletzung. Menschen müssten nun mal in der Gesellschaft bestätigt

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