Flirrendes Licht. Dieter Pflanz

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Flirrendes Licht - Dieter Pflanz

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mir ausgesprochen gut an dir ... ziehen mich wahnsinnig zu dir hin.“ Er schloss die Augen. „Ein richtig warmes Gefühl. Ich möchte dich dann nur noch in die Arme nehmen ... ach, Scheiße.“

      „Ich dich auch“. Sie beugte sich zu ihm, küsste ihn.

      Sie streichelten sich.

      Bei ihm habe sie das gleiche Gefühl - trotz seiner entspannten, um nicht zu sagen wurstigen Haltung, meinte sie dann plötzlich. Außerdem dürfe man als beobachtender Wissenschaftler nicht die hohen Schuhabsätze der Damen vergessen! Die bestimmte Haltungen erzwängen. Wenn er als Mann Stöckelschuhe hätte tragen müssen, wäre wahrscheinlich vieles auch anders verlaufen. Obwohl sie es nie mit den ganz hohen versucht habe, nur mit mittel-, flachhohen.

      Sie lachten.

      „Das ist mir überhaupt noch nicht in den Sinn gekommen: dass ich mit hohen Absätzen bei den Verlagen mehr Erfolg gehabt hätte! Auf was man als Schriftsteller in dieser Gesellschaft alles achten muss -.“

      Sie schwenkte die Flasche, fragte, er wohl doch auch noch. Helmut nickte, aber nur ein Kleinbisschen. Und wenn es gehe, in einem breiten Glas, Whisky- oder Zahnputzglas. Eins das man richtig anfassen könne. Diese dünnen Stielchen zwischen zwei Fingern machten ihn immer nervös. Offiziell trinke er zwar nicht mehr seit seiner Erkrankung. Als der Befund endgültig gewesen, habe er damit rigoros aufgehört, um seinem Körper Gutes zu tun, ihn im Kampf gegen den Krebs zu unterstützen. Vorher habe er spanischen Wein getrunken, ganz zuletzt Gin, aber nur ein bisschen, zwei Finger hoch, pur, über Stunden abends beim Lesen. Und stets aus vernünftig breiten Gläsern!

      Freya holte lachend andere Gläser, goss ein. „Finde ich aber schön, dass du mittrinkst. Trinken, Rauchen sind meine Schwachstellen, gehören eindeutig zu mir.“ Sei zwar irre unvernünftig, und sie wolle sich auch bessern, möglichst bevor davon krank geworden, aber im Moment brauche sie es, um über die Runden zu kommen.

      „Es sind schlimme Phasen für dich, Frey, nimm, was dir guttut.“

      „Und du hast wirklich den Alkohol aufgegeben -?“, bog sie ab.

      Dies der erste Schluck seit fast einem Jahr, Madeira aber gut, habe er so gar nicht in Erinnerung gehabt. Das Trinken mit der Erkrankung aufgegeben, Schreiben wieder angefangen!: beides willentlich, über den Kopf. „Hab ich dir eigentlich schon gesagt, dass ich wieder an einem neuen Roman arbeite -?!“

      „Nein“, rief sie aus, ihre Augen waren ganz bei ihm. In ihm drin.

      „Doch. Und ganz bewusst. - Mir war klar, dass ich arbeiten, mich auf anderes konzentrieren musste, um nicht ständig an den Scheißkrebs zu denken. Und so habe ich einfach wieder angefangen, einen Roman zu dem ich schon vage Vorüberlegungen hatte. Bereits zwischen beiden Bauchoperationen, den Chemotherapien: eines Tages einfach hingesetzt und angefangen! Ganz willentlich, um mich auf anderes zu konzentrieren.“ Um sich zu retten ... wie er sich immer mit Schreiben gerettet habe.

      Er schnaubte amüsiert.

      „Du kennst mich ja, Schwesterchen -.“

      Das finde sie sehr gut. Und wie verlaufe es -?

      Bereits zig Seiten, an die hundert. Ob der Text etwas tauge, wisse er nicht, aber er denke nun viel konzentrierter an die Personen, Szenen des Romans als an die Krankheit. Selbst der Onkologe mit seiner einundneunzigkommasechsprozentigen Wahrscheinlichkeit sei weit weg -. „Irgendwie völlig unbedeutend, gegenüber den Sätzen, die ich morgens meinen Helden mit der Schreibmaschine sagen lasse.“ Und er schreibe mit der alten Schreibmaschine! - Viel besser!: das laute Klacken der Typenhebel lege irgendwie eine abschirmende Lautkulisse um ihn herum, als wenn man in einer riesigen Muschel sitze. Er höre dann besser die inneren Stimmen. Die Stimmen der Dialoge müsse er sinnlich agieren lassen, um den richtigen, falschen Klang schnell herausfinden zu können. Und auch in die Passagen außerhalb der sprechenden Personen müsse er sinnlich hinein: mit Nase, Ohren, Augen, Mund. Um die Echtheit zu finden. Den wahren Punkt. Der oft auf haarscharfen Linien liege. Trennungs-, Aussagelinien. Wörterlinien. - Bei Wörtern sei er fürchterlich altmodisch: er denke immer noch, dass die etwas bedeuteten -.

      Wieder schnaubte er amüsiert.

      Für das alles sei die abschirmend laute mechanische Schreibmaschine weitaus besser als sein Computer. - Und deren Druckpunkt! Dass er mit den Fingern größeren Druck aufwenden müsse, um einen Buchstaben zu schreiben. Der Text drücke dabei zurück in den Finger, seinen Körper: Druck gleich Gegendruck, physikalisch. So sei er gleich sinnlich drin in dem Zubeschreibenden - über dieses mechanische oder mechanistische Phänomen. „Verstehst du das? Wenn ich der Heldin in der mechanischen Schreibmaschine die Hand auf ihre Hand legen lasse, kommt über die Typenhebel sofort etwas zurück in meine Finger. Hier und jetzt, in diesem Augenblick! Als ob ich meine Hand tatsächlich auf die ihre lege: - so!“

      Er legte die Hand auf ihre Hand, sah sie eindringlich an. Plötzlich füllten sich ihre Augen mit Tränen.

      „Was ist denn, verdammt?“

      „Ach, Junge -“. Sie strich ihm mit den Fingerspitzen übers Gesicht, schloss die Augen, schwieg. Dann fuhr sie sehr ruhig fort: „Mir ist nur etwas hochgekommen -. So wie du das eben gesagt hast, habe ich es immer empfunden: wenn ich einen Brief von dir bekommen habe. Du warst immer ganz nahe bei mir.“ Wieder schwieg sie. „Deine Worte waren in mir! Du warst in mir drin ... völlig unabgelenkt. Und das hat mich immer wahnsinnig glücklich gemacht -.“

      Sie heulte los, schnufte, suchte nach einem Taschentuch. Sie fand keins, wischte das Gesicht mit dem Sofakissen ab.

      Sie schüttelte den Kopf, lachte nun, griff zum Glas. Er sei immer sehr präsent gewesen in den Briefen, und das über die vielen Jahre, wo sie sich nicht hatten sehen können. Sie habe sich schon häufig überlegt, wie er so etwas mache.

      Das sei doch ganz einfach, sagte er: er habe sie zur literarischen Figur gemacht! - Für ihn sei sie noch immer Fünfzehn und davor das Kind: und genau das schmecke sie in seinen Wörtern! Durch sein Schreiben bekomme sie sich wieder selbst auf die Zunge des Gehirns ... und das lasse sie sich wohlfühlen! Sie sich selbst.

      Er grinste sie an.

      Nein. Das habe sie sich natürlich auch schon überlegt: dass er sie zur Heldin gemacht habe -. Sie lachte. Zur losgelösten, eigenständigen Literatur. - Nein, das sei es nicht. Die Verbindungen zu ihr, ihrem Leben seien stets sehr konkrete. Auch zu ihrem jetzigen Leben: mit seinen Problemen, Ärgern, Freuden. Wenn sie ihm vorher davon in ihren Briefen berichtet habe. - Doch irgendetwas Literarisches sei es: - habe wohl mit seiner wuchernden Phantasie zu tun.

      „Nein ... ja.“ Er schloss die Augen, schmunzelte. „Wir beide sind sehr eng, lange zusammen aufgewachsen, Frey, in diesem Haus. Wir haben, um es mal abstrakt zu sagen, gleiche oder ähnliche Wissen gelernt. Nicht Wissen aus irgendwelchen Schulbüchern, sondern sehr konkrete, sinnliche Wissen: wie es war, wenn Mutti lachte oder die Wut kriegte ... wie Opa auf dem uralten Motorrad, mit dem offenen Motorschwungrad oder was es war, nach Berlin zur Arbeit fuhr ... wie dein Zimmer aussah, meins ... wie da das Bett stand, der kleine Tisch ... wie unser Ofen brannte, qualmte ... wie die Stürme hier im Winter über den Hang heulten -. Alles sehr sinnliche Erfahrungen, Wissen, wie sie jedes Kind macht oder doch machen sollte, und das Glück bei uns beiden war, dass es sehr einfache, gradlinige Wissen waren - oder wie man sagen soll. Nur wenige verschachtelte, überhäufte, wie sie, meine ich, die Kinder in den Großstädten heute vor allem machen. - Wir hatten das alles zusammen erlebt, als Wissen abgespeichert, und in unseren Briefen brauchte der eine davon nur etwas anzudeuten und sofort war beim anderen die Erinnerung da!“ Er hielt

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