Break free - Break down. Kelly Skinner

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Break free - Break down - Kelly Skinner

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dass allein die Dosis das Gift macht. Harold würde sich davon täglich eine Überdosis geben, würde ich nicht vehement darauf bestehen, jeden Abend einen Spielfilm anzusehen.

      Doch auch von den Filmen habe ich bereits genug gesehen. Seit mehr als dreißig Jahren sehe ich beinahe täglich fern. Irgendwann reicht es und ich frage mich immer häufiger, ob wir die Zeit nicht anders verbringen könnten.

      Doch wie immer sage ich nichts und setze mich. Harold sieht mich an und weiß, dass er einen anderen Sender suchen soll. Widerwillig macht er das auch. Bei Kanal siebenundachtzig frage ich ihn, ob wir nicht einmal etwas anderes machen könnten, als vor dem Fernseher zu sitzen und auf den Tod zu warten. Er sieht mich mit großen Augen an und scheint momentan sprachlos zu sein. „Wieso auf den Tod warten? Was meinst du damit?“

      Offensichtlich war er von diesem Ausdruck ein wenig schockiert, was mich allerdings insgeheim amüsierte. „Na ja, wir sitzen doch täglich vor dem Fernseher und unternehmen nichts mehr anderes. Es ist an der Zeit, dass wir unser Leben wieder in die Hand nehmen und etwas daraus machen. Die Kinder sind mehr oder weniger selbst lebensfähig und somit ist unsere Aufgabe in diesem Bereich getan. Jetzt ist es so weit, wieder an uns selbst als Paar zu denken und unser Leben zu genießen.“

      „Willst du damit sagen, dass du die Zeit mit den Kindern nicht genossen hast und die Erziehung nur eine Belastung für dich war? Willst du das damit sagen?“

      Harolds Stimme ist etwas lauter geworden als vermutlich beabsichtigt.

      „Nein, natürlich nicht. Mir war jede Minute mit euch Dreien sehr viel wert und ich habe sie auch genossen. Doch jetzt sind wir wieder auf uns gestellt und sollten unser Leben so genießen, wie wir es vor Carlo und Kathrin auch getan haben“, versuche ich in ruhigem Ton zu beschwichtigen.

      „Das ist lange her“, sinniert Harold. „Mehr als vierundzwanzig Jahre.“ Nachdenklich senkt er den Kopf und starrt blicklos auf den Boden.

      Wir sind bereits Mitte, nein eigentlich eher schon Ende vierzig, was so viel heißt, dass wir unseren Zenit höchstwahrscheinlich überschritten haben. Vielleicht haben wir ihn auch schon längst überschritten; wer kann das zu Lebzeiten schon sagen?

      Obwohl wir uns noch relativ jung fühlen, so zeigen sich doch bereits die ersten somatischen Alterserscheinungen. Harold braucht bereits eine Brille wegen Altersweitsichtigkeit und seine immer weniger werdenden Haare glänzen bereits grau bis weißlich in der Sonne. Auch die wenigen Barthaare haben schon vor einiger Zeit eine teilweise Weißfärbung erfahren. Von weitem sieht er wie der Weihnachtsmann aus, wenn er sich drei Tage lang nicht aufraffen kann um sich zu rasieren.

      An seinen Händen bilden sich bereits erste Altersflecken wie Seerosen auf einem stillen Teich und die ersten Falten haben sich auch schon lautlos in seinem Gesicht niedergelassen und beschlossen zu bleiben.

      Ich färbe mein Haar seit zwei Monaten, um die ersten grauen Strähnen abzudecken. Für mich ist es keine sonderlich anregende Vorstellung, wie eine alte Eiskönigin herum zu laufen. Aber auch bei mir zeigen sich die ersten Fältchen, die zwar noch verschwinden, wenn ich sie mit den Fingern glätte, die aber doch irgendwann fix in meinem Gesicht wohnen werden.

      Harold ist in Gedanken versunken und ich möchte ihn nicht stören. Insgeheim hoffe ich, dass er gerade jetzt, in diesem Augenblick, dahinter kommt, dass wir uns wieder einen gemeinsamen Lebensinhalt schaffen müssen. Bislang waren es die Kinder, doch die sind weg. Es war vorhersehbar und doch viel zu früh. Aber auch wenn sie erst gegangen wären, wenn sie sechzig oder gar siebzig gewesen wären, so wäre es noch immer zu früh für mich gewesen. Ich hätte sie gerne bis an mein Lebensende dicht um mich, aber ich lasse sie ihr Leben selbst gestalten. Ich liebe sie viel zu sehr als dass ich ihren Lebensweg bestimmen und sie an mich binden würde. Kinder sind genau genommen ein Durchlaufposten. Sie stellen das Leben der Eltern für zwanzig Jahre auf den Kopf, nehmen alles, geben viel, verursachen Chaos und sind dann wieder weg. Und zurück bleiben zwei ausgebrannte und doch erfüllte Erwachsene, die ihr Leben nun wieder neu organisieren und wertvoll machen müssen. Und genau an diesem Punkt sind wir beide nun angelangt: Harold und ich.

      Drei Monate später sitzen wir abends wieder vor dem Fernseher. Kathrin hat ihr neues Zuhause gefunden und uns beiden ein leeres Zimmer hinterlassen. Geweint habe ich nur heimlich, dafür aber ziemlich heftig. Ich weine noch heute, aber in immer größeren Intervallen.

      Obwohl wir beide, Harold und ich, Zeit gehabt hatten, uns von ihr und unserem Leben als Eltern zu verabschieden, hatten wir diese Zeit nicht genutzt. Und nun stehen wir da und sind nur noch ein Paar. Oder sollte ich sagen, stehe ich da und bin nur noch eine Frau, die mit einem Mann unter einem Dach lebt?

      Wie schon drei Monate zuvor fühle ich mich tot. Eine lebende Leiche in einem Totenhaus. Die Monotonie des Alltags hat jedes Leben verschlungen und nicht wieder ausgespuckt. Der heutige Tag könnte der gestrige oder auch der Tag vor meinem fünfzigsten Geburtstag sein; heute bin ich vierundvierzig, aber eigentlich schon toter als Tutenchamun.

      Um mich aus der Realität zu nehmen, ziehe mich wieder in meine künstliche Gebärmutter zurück und lasse meine Gedanken durch das zuckende Licht der Kerzen schweifen.

      Ich liebe Harold, keine Frage. Aber ich brauche mehr als er und mehr als er mir geben kann. Mein Geist schreit nach einer Herausforderung der Extraklasse, nach ausschweifendem Sex, nach Abenteuer, Gefahren und Grenzgängen.

      Harold spielt mit seinem Freund Minigolf.

      Wir sind nun schon so lange ein Paar und ich kann mir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. Er ist intelligent, zuverlässig, treu, herzlich, wortwitzig, fleißig und stinklangweilig. Ich habe ihm das schon mehrmals gesagt. Direkt ins Gesicht. „Das weiß ich“, war stets seine Antwort. „So bin ich eben und so war ich auch schon immer. Ich war nie anders.“

      Und genau deshalb habe ich keine Hoffnung, dass sich unser gemeinsames Leben noch großartig ändert. Entweder werde ich mich ändern oder weiterhin tot sein müssen bis ich sterbe.

      Langsam versinke ich wieder im heißen Wasser, fühle mich körperlich leicht, gedanklich schwer. Nein, denke ich, so kann ich nicht leben. Oder doch, ja, ich kann so leben, aber ich will es nicht. In mir steckt noch zu viel Energie, die hinaus muss.

      Ganz vorsichtig hebe ich meinen Kopf an und lasse nur das Gesicht aus dem Wasser ragen. Die Kühle der Luft tut gut und ich lächle. Mein Gesicht ist mein Leben, das an der Oberfläche treibt. Mein Körper ist die Sehnsucht, die noch verborgen unter der Oberfläche wartet. Käme jetzt die Titanic, würde sie ebenso auf Grund laufen wie vor mehr als hundert Jahren. Ich würde kein Stück zur Seite rücken.

      Doch was nützen mir all meine Sehnsüchte, Wünsche und Träume, wenn ich sie nicht verwirklichen kann? Sie quälen mich nur und machen mich depressiv.

      Nach dem Bad befülle ich ein großes Tablett mit beinahe dem gesamten Inhalt des Kühlschranks. Jetzt brauche ich eine dicke Decke, die meinen Hunger nach Leben gut und zuverlässig abdeckt. Dass dieser Trick funktioniert, habe ich schon früh gelernt. Meine Mutter konnte mich nicht besonders leiden, weshalb sie mich ständig tadelte. Ich bot ihr viel mehr als ich leisten konnte, legte all meine Kraft hinein und doch erreichte ich sie nie.

      Und bei jedem Misserfolg nagte ein dicker, böser Biber in meinem kleinen Bauch. Es schmerzte, wenn er seine langen Zähne in meine kindliche Seele schlug und diese aufzusplittern drohte. Doch wenn ich ihn fütterte, gab er recht bald Ruhe. Dann fraß er sich an bitterer Kochschokolade, den Mayonnaisesemmeln, Backerbsen und all dem ganzen Zeug voll, das ich irgendwo stibitzen konnte. Nicht selten nahm ich dafür den langen Weg zu meiner Tante auf mich, die stets eine Schüssel voll Süßigkeiten im zweiten unteren Küchenkasten rechts gleich beim Eingang vorrätig

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