Break free - Break down. Kelly Skinner

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Break free - Break down - Kelly Skinner

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Ehe mit Harold habe ich so richtig zugelegt. Seiner Inaktivität habe ich es zu verdanken, dass ich heute Größe Zweimannzelt trage. Vermutlich war es unter anderem auch der seltene Sex, den wir hatten. Immer wieder hatte ich versucht, ihn zu motivieren, aber er ließ sich nicht mitreißen. Für ihn war Sex einfach nicht notwendig, weshalb er ihn mit fünfunddreißig dann völlig einstellte. Pech gehabt, o du mein holdes Weib! Mitgefangen, mitgehangen!

      Der fehlende Sex macht mir mittlerweile so richtig zu schaffen. Ich laufe nur noch wie betäubt und völlig unrund herum und versuche, meine Qual mit Essen zu bekämpfen. Berührungen sind doch ein Grundbedürfnis jedes Menschen und deshalb verstehe ich nicht, weshalb er mich nicht mehr berühren möchte.

      Ja, natürlich, wir haben endlose Gespräche geführt und wir waren sogar bei einem Paartherapeuten. Das war vor drei Jahren. Große Versprechungen kamen da von seiner Seite, aber keine einzige hat er umgesetzt. Und ich glaube, er wird sie auch nicht mehr umsetzen.

      Essen ist der Sex des Alters, sagt man, aber ich frage mich, ob man mit fünfunddreißig wirklich schon alt ist. Mein Mann vielleicht schon. Ja.

      Aber ich fühle mich noch ziemlich lebendig und könnte zeitweise vor Energie und Tatendrang platzen. Doch im Endeffekt platze ich nur aus den Nähten, weil ich meinen Schmerz unter vielen Schichten kalorienreicher Nahrung verstecke. Anstatt etwas in meinem Leben zu ändern, heule ich nur noch und fresse mich dämlich. Ich bin schon eine wahre Heldin!

      Während der letzten Zeit sitze ich immer häufiger herum und denke nach, ob ich mutig genug bin, meinem Leben eine neue Richtung zu geben. Ob ich mein sexuelles Glück finden, meinen Hunger nach Leben mit einem anderen Mann stillen könnte.

      Ich fühle mich in meiner Haut gar nicht mehr wohl und hasse meinen überfetten Körper, den ich mühsam durch die Gegend schleppe. Ein Blick in den Spiegel versaut mir die nächsten drei Tage meines Lebens. Du bist eine fette Sau, hatte meine Mutter schon in frühen Jahren zu mir gesagt und sie hatte Recht. Wie Recht sie hatte, zeigt mir mein Spiegelbild. Und ich hasse es.

      Ein halbes Jahr später sitzt Harold noch immer vor dem Fernseher, ich daneben. Wir sind noch immer tot, aber nicht begraben. Mittlerweile hasse ich jede seiner ungelenken Bewegungen, seine Stimme, seine Atmung. Er hat mir mein Leben genommen, mich fett werden lassen, mir meine Ausbildung vermiest.

      Als wir einander kennen lernten, war ich auf dem besten Weg, Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Eine Prüfung fehlte mir noch, dann hätte ich meine Matura nachgeholt und das Studium begonnen. Doch dann trat er in mein Leben. Er wollte eine Familie, weil er sicher war, dass ich die Liebe seines Lebens bin. Und er wollte sie schnell. Also stellte ich meine Pläne in die Ecke, verlor sie aber nicht aus den Augen.

      Doch nach der Geburt Carlos’ musste ich sie in den Keller bringen; vorerst nur, bis der quirlige, laute Kleine nicht mehr meine alleinige, uneingeschränkte Aufmerksamkeit brauchte. Doch kaum war Carlos auf den Beinen, drängte Harold nach einem zweiten Kind. Damit wir es gleich hinter uns hätten, meinte er. Da nahm ich meine Pläne und trug sie ins Gartenhaus, wo ich sie fest einschloss und bald nicht mehr nach ihnen sah. Nur hin und wieder drängten sie sich leise in meine Gedanken, winkten mir freudig zu und lockten mich nach draußen. Doch Katharina, Carlos, der Haushalt, der Garten und Harold hielten mich fest. Sie hingen so schwer an mir, dass ich kaum einen Schritt in die Nähe des Gartenhäuschens setzen konnte.

      Und deshalb blieben meine Pläne dort, bis sie vom Zahn der Zeit zernagt waren. Heute ist nur noch eine Handvoll Staub davon übrig; eine verblasste Erinnerung an eine hoffnungsvolle Zukunft.

      Wenn ich ernsthaft darüber nachdenke, haben mich mein Mann und meine Kinder mehr als zwanzig Jahre meines Lebens gekostet, während der ich nur für sie da war. Ich habe gekocht, gewaschen, geputzt, mich mit Lehrern und anderen Müttern gestritten, habe Taxi gespielt, den Garten und den Hund versorgt, mich selbst vom Leben ab- und die Schwiegermutter bei Laune gehalten.

      Ziehe ich diese Bilanz, werde ich ziemlich ärgerlich. Niemand kann mir all diese Jahre zurückgeben. Und das Schlimmste daran ist, dass ich nicht bemerkt habe, was ich mache. Ich habe einfach funktioniert, bin wie ein Hamster im Rad gelaufen, schön brav, ohne Unterbrechung, ohne ein Ziel anzusteuern. Ich war so naiv, so dumm, so unendlich kurzsichtig. Und heute muss ich die Rechnung dafür tragen.

      Ja, ich bin alt und fett geworden, aber ich kann es ändern. Ich muss die Rechnung tragen, das stimmt, aber ich kann auch mit knapp fünfundvierzig Jahren ein neues Leben beginnen, das meinen Wünschen und Vorstellungen entspricht. Mein Groll drängt mich und sagt mir, ich solle es tun. Jetzt!

      Doch wie üblich bleibe ich. Meine Feigheit kettet mich an dieses Leben, mein Herz zerrt mich in ein anderes. Diesen Schmerz werde ich nicht mehr lange ertragen können, doch noch bin ich nicht an meinem persönlichen Tiefpunkt angelangt.

      Die Tage ziehen ins Land, Wochen und Monate folgen einander lautlos und beinahe unbemerkt. Noch immer bin ich tot, aber auch noch nicht gestorben. Dennoch legt sich dieses Wissen wie ein Mantel um mich und drückt mich zu Boden. Ich bin schwer geworden und werde immer schwerer, kann kaum noch laufen und jede Bewegung stellt beinahe eine Überwindung dar.

      Wie jeden Abend ist mir vor dem Fernseher langweilig. Der Film ist miserabel und ich greife zu den Prospekten, die Harold aus dem Briefkasten geholt hat. Die übergroße Möbelwerbung interessiert mich so wenig wie der Baukatalog; beides lege ich sofort zum Stoß mit dem Altpapier.

      Doch dann greife ich zu einem recht dicken Reiseprospekt. Blaues Meer und weißer Sandstrand lächeln mir einladend entgegen. Ja, dort wäre ich jetzt gerne. Der Preis ist auch ganz annehmbar.

      Rasch überfliege ich die Leistungen. „Du, das wäre doch ein Urlaub für uns!“, erzähle ich Harold mit viel Begeisterung. „Ein Flug nach Ägypten, danach wären wir sieben Tage auf einem Kreuzfahrtschiff den Nil entlang unterwegs und dann eine Woche Aufenthalt in einem Fünf-Sterne-Hotel am Strand. All inclusive. Und das ganze noch dazu Anfang Dezember. Da ist es nicht so heiß. Da wäre ich gerne dabei!“

      Erwartungsvoll sehe ich ihn an. Wortlos streckt er mir seine offene Hand entgegen und ich lege den Prospekt hinein. Er liest aufmerksam, dann schüttelt er den Kopf. „Eine Woche auf einem Schiff ist nichts für mich. Und dann eine Woche in einem öden Club auch nicht. Außerdem waren dort erst Anschläge. Das ist ja viel zu gefährlich, das machen wir nicht.“

      „Der Anschlag war in Tunesien und nicht in Ägypten“, verteidige ich die Reise mit Vehemenz. „Außerdem können überall auf der Welt Anschläge verübt werden. In der U-Bahn von Tokio gab es einmal einen Giftgasangriff, in einer der Londoner U-Bahnen ein Bombenattentat und in Paris einen Amoklauf. Man kann überall in eine solche Misere geraten. Da dürftest du nirgends hinfahren.“

      „Wir haben es doch hier gemütlich. Den ganzen Stress mit dem Verreisen will ich mir nicht mehr antun. Wir haben’s hier doch gut, oder?“

      Tränen der Wut steigen blitzschnell in meinen Augen auf, doch ich lasse nicht zu, dass sie über meine Wangen laufen. Ich blinzle sie weg und koche nur innerlich. Einen Streit anzufangen ist sinnlos. Es ist an der Zeit, mich von diesem Haus, meinem Mann und meinem alten Leben zu verabschieden.

      Um mich abzulenken blättere ich weiter durch jene Urlaubsdestinationen, die ich mit Harold nicht bereisen werde. Aber ganz bestimmt mit jemand anderem. Mit einem anderen Mann, der nicht langweilig, nicht ängstlich, nicht tot ist. Mit einem Mann, dessen Herz noch schlägt. Bald!

      Um meinen dumpfen Groll im Zaum zu halten, bedecke ich ihn mit einer Packung Chips. Eigentlich mag ich das salzige Zeug nicht, aber es lässt sich unbemerkt neben dem Fernsehen vertilgen. Das ließen sich freilich Karottenstücke auch, aber es wäre nicht der gleiche Effekt. Die fettigen Chips nämlich dämpfen

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