Waldesruh. Christoph Wagner

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Waldesruh - Christoph Wagner Hauptkommissar Travniczek ermittelt inHeidelberg

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also Personen, die besonders ängstlich beziehungsweise unsicher wirkten oder umgekehrt besonders selbstsicher?“

      Auch da hatten die Ermittler wenig Greifbares herausgefunden. Mampel, der Exkommissar, sei sehr laut und auch beleidigend gewesen: Die heutige Kripo hätte eh keine Ahnung, wie man vernünftig ermittle. Auf der anderen Seite habe Jauerneck, der Ortsvorsteher, sehr nervös gewirkt und Eberhard Kurz habe ganz offen zugegeben, dass er den Brief nur wegen des Gruppenzwangs unterschrieben habe. Er wohne erst seit kurzem in Waldesruh und wolle einfach dazugehören. Und vom Maler Mostacci sagten sie, er habe sich über die Ermittlungen nur lustig gemacht.

      „Also, diese vier werden wir uns dann auf jeden Fall noch einmal vorknöpfen“, meinte Travniczek. „Vielleicht fallen die ja um. Aber für heute machen wir Schluss.“

      Travniczek veranlasste noch, dass bis auf weiteres ein Streifenwagen vor Maurischats Haus Position beziehen sollte.

      Kurz vor Mitternacht brachen die Polizisten endlich auf. Als sie die Haustür öffneten, fiel ein Blatt Papier auf den Boden, das wohl jemand in die Türritze geklemmt hatte. Brombach hob es auf.

      „Ein Brief“, sagte er und trat zurück in den Flur, um besser lesen zu können. „Handschrift ziemlich ungelenk, könnte von einem Kind stammen.“

      „Und was steht da?“, fragte Travniczek.

      Brombach las und schüttelte den Kopf. „Lies selbst!“

      Bitte helfen Sie uns! Hier herrscht die Hölle,

      schon seit Jahrzehnten!

      Tagebuch - 19.2.

      Weil mir noch alles furchtbar weh tat, bin ich heute Morgen ganz früh aufgewacht. Es war noch stockdunkel. Ich konnte nicht mehr einschlafen. Mir fiel eine ganz alte Geschichte ein. Lange bevor ich in die Schule gekommen bin. Wir waren am Meer. Vater wollte unbedingt, daß ich schwimmen lerne. Aber ich hatte solche Angst. Da zog Vater mich hinaus ins tiefe Wasser. Plötzlich ließ er mich los. Ich zappelte und schrie, konnte mich aber nicht über Wasser halten. Vater ließ mich untergehen und zog mich erst nach einer Weile wieder hoch. Er schrie mich an: „Du sollst schwimmen!“ Und er gab mir zwei Ohrfeigen. Dann ließ er mich wieder los. So ging das ein paarmal. Dann kam plötzlich ein Mann herbeigeschwommen. „Sie hören damit sofort auf!“, schrie er Vater an. „Sonst rufe ich die Polizei.“ Polizei – davor hatte Vater Respekt. Er schwamm mit mir zurück. Am Abend hat er mich dann aber wieder verhauen. Und ich hatte doch gar nichts gemacht.

      Sonntag, 4. Januar 2015

      15

      Travniczek fuhr denselben Weg nach Heidelberg zurück, über den er gekommen war. Wieder fiel Schnee in dichten Flocken und er kam nur langsam voran.

      Er versuchte, sich ein Bild zu machen von dem, der den Stein geworfen hatte.

      Wer bist du? Ich sehe nur einen formlosen Schatten. Zeig dich mir! Oder hast du dich mir heute schon einmal gezeigt und ich habe dich nicht erkannt?

      Warum hast du diesen Stein geworfen? Weil du Wolfgang Maurischat hasst?

      Sag mir, warum hasst du ihn? Was hat er dir getan? Du antwortest nicht. Du weißt also selbst nicht, warum du ihn hasst? Hat er etwas, was dir fehlt? Kann er etwas, wo du versagst? Ist er etwas, was du nicht bist, aber gerne wärst? Heißt du etwa doch Adalbert Schittenhelm?

      Nein, so heißt du nicht. Du hasst Wolfgang gar nicht. Er ist dir im Grunde völlig gleichgültig. Du hast nur Angst. Angst davor nicht dazuzugehören, nicht anerkannt zu werden. Wenn ich jetzt diesen Stein werfe, hast du gedacht, dann sehen alle, ich bin wirklich einer von euch. Ihr Bürger von Waldesruh, jetzt müsst ihr mich endlich loben.

      Und jetzt bist du maßlos enttäuscht. Sie loben dich gar nicht. Sie sind sauer auf dich, weil du den Stein geworfen hast. Du musst dich ganz klein machen, damit sie dich nicht erkennen. Du hast vorher nicht nachgedacht, sonst hättest du erkennen müssen, dass niemand etwas von deiner Tat hat, dass niemand sie will, selbst die nicht, die Wolfgang Maurischat wirklich hassen.

      Ich erkenne dich immer noch nicht. Der Schatten hat sich kaum gehoben. Neu ist für mich nur, du hast vor deiner Tat nicht richtig nachgedacht. Machst du das immer so, wenn du handelst? Wahrscheinlich. Und – du hast Angst, nicht dazuzugehören.

      Wenn ich mir einen nach dem anderen von den Menschen, die ich heute in Waldesruh getroffen habe, ansehe, habe ich dich dann gesehen?

      Oder bist du doch ein ganz Anderer? Nein, nein, ich habe dich heute gesehen. Du entkommst mir nicht. Ich werde dich erkennen. Bald!

      Es war schon fast ein Uhr, als er endlich nach Hause kam. Er war hundemüde und sehnte sich nach seinem Bett. Doch als er den Dienstwagen abschloss, sah er, dass oben in der Wohnung überall Licht brannte. Bernhard musste also wieder da sein. Aber wozu die Festbeleuchtung? War er nicht alleine gekommen? Sollte er …?

      Immer zwei Stufen auf einmal nehmend hastete er die Treppe hoch. Tatsächlich. Als er die Wohnungstür aufschloss, hörte er Stimmen. Und noch ehe er richtig drinnen war, wurde die Wohnzimmertür aufgestoßen und seine Tochter Julia kam ihm entgegen.

      „Da bist du ja endlich, Paps!“, freute sie sich und fiel ihm um den Hals. Der Vater wusste gar nicht, wie ihm geschah. Glück, Angst, Schreck und Genugtuung fühlte er gleichzeitig und durcheinander. Und als Julia ihn gar nicht mehr loslassen wollte, begriff er vielleicht zum ersten Mal, wie sehr seine Tochter an ihm hing.

      Erst als er nach einer Weile etwas aufsah, bemerkte er den zweiten Gast. Lang, dürr, mit hängendem Kopf und gebeugtem Rücken stand er in der Wohnzimmertür wie die personifizierte Verlegenheit: Christian, sein Jüngster. Der war vierzehn und wohl gerade in den letzten Monaten sehr in die Höhe geschossen, ohne dass die Breite mitgegangen wäre. Und mit diesen Ausmaßen schien sich sein Ego noch gar nicht angefreundet zu haben.

      „Ja, dann komm doch auch mal her“, rief er und versuchte gleichzeitig, Julia langsam in Richtung Wohnzimmer zu schieben. Er machte mühsam einen Arm frei, um auch Christian an sich zu drücken. Als sie dann endlich zu dritt ins Wohnzimmer gelangten, konnte Bernhard sich ein heftiges Kichern nicht verkneifen.

      Schließlich saßen sie dann alle um den Wohnzimmertisch und Travniczek sagte: „So, und jetzt erklärt mir mal, was hier eigentlich los ist.“

      Julia sah verlegen zu Christian, dann zu Bernhard.

      „Erzähl du!“

      „Also, es ist im Grunde ganz einfach. Dieser sogenannte Stiefvater scheint wohl von Julia nicht lassen zu

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