Virus. Kristian Isringhaus

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Forschungen abzuhalten.

      Zwar handelte es sich bei ihrer Arbeit um ein interdisziplinäres Forschungsprojekt, in dem sie als Virologin mit dem Epidemiologen zusammen – und nicht für ihn – arbeiten sollte, doch das schien sich mit Wangs Selbstverständnis schwer zu vertragen.

      Zudem war ein gutes Gelingen nie so wichtig gewesen wie heute. Vor einem illustreren Publikum hatte der Professor lange nicht gesprochen. Nicht nur die absolute Weltelite aus Virologen und Epidemiologen würde zugegen sein, auch die Regierungschefs der acht selbsterklärten größten Wirtschaftsmächte dieser Erde würden dem Vortrag beiwohnen. Immerhin war dies nicht irgendein Kongress, sondern der G8-Gipfel.

      Wangs Einsatz war es hauptsächlich zu verdanken, dass die weltweite Gefahr von Epidemien zu einem der Hauptthemen des Gipfels erklärt worden war. Seit der großen weltweiten SARS-Epidemie von 2003 hatte er dafür gekämpft. Jederzeit konnte ein noch gefährlicheres Virus auftauchen – mit ein wenig Pech sogar eins, dem die Menschheit nicht gewachsen war. Man musste Notfallpläne ausarbeiten und zwar auf internationaler Ebene.

      Debbie vermutete allerdings, dass die Rettung der Menschheit nicht Wangs primäres Ziel war. Sie kannte ihn gut und wusste ob seiner Eitelkeit. Die Vermutung lag nahe, dass die Vorstellung, vor den mächtigsten Menschen der Welt zu sprechen, die wahrscheinlichere Triebfeder des Professors gewesen sein dürfte.

      Doch Wangs Motive spielten in diesem Moment keine Rolle. Die einmalige Chance, die Weltöffentlichkeit auf eine ernstzunehmende Bedrohung aufmerksam zu machen, durfte nicht ungenutzt bleiben. Nein, bei diesem Vortrag durfte wirklich nichts schief gehen.

      Der Weg vom Hotel bis zum Kongresszentrum war nicht weit. Dennoch verdammte Debbie nach wenigen Schritten ihre Entscheidung, kein Taxi genommen zu haben. Sie mochte das deutsche Wetter nicht, speziell an der Küste. Während ihrer fünf Studienjahre in Köln hatte sie Land und Leute lieben gelernt – aber nie das Wetter. Gewiss waren die Winter in Minnesota zu kalt und die Sommer zu heiß, aber wenigstens hatte man rund ums Jahr Sonnenschein. Sie wusste, dass das nicht ganz stimmte, aber im Vergleich mit Deutschland kam es einem so vor. Besonders an diesem verregneten Nachmittag.

      Dieser fünfminütige Fußmarsch würde sie noch mindestens fünfzehn weitere Minuten vor einem Spiegel kosten, bevor sie vor Menschen treten konnte. Ihr nackenlanges blondes Haar war zu kurz für einen Pferdeschwanz. Das würde sie nach diesem Sturm noch bändigen müssen. Sie war nicht eitel, sich aber durchaus der Tatsache bewusst, dass sie mit ihrer schlanken, sportlichen Figur und ihrem gewinnenden Lächeln Blicke auf sich zog. Und wer wollte da schon aussehen wie nach einem fünfminütigen Spaziergang an der Ostsee?

      Die ‚Seemöwe’, das Hotel, in dem die Wissenschaftler, die Journalisten und die übrigen less important persons untergebracht waren, war ein etwas bodenständigerer Ableger des luxuriösen ‚Seeadlers’, in dem die Regierungschefs, ihre engsten Berater, die Sicherheitsleute und die übrigen very important persons residierten.

      Der gesamte Komplex war erst vor wenigen Jahren direkt an der Ostseeküste entstanden. Man hatte sich für eine moderne Architektur mit viel Glas entschieden. Dieser Vorschlag eines Berliner Architekten hatte sich gegen die zunächst favorisierten Einreichungen anderer Büros im Landhaus- oder Kolonialstil durchgesetzt, weil er weniger prätentiös war, sich selbst nicht so wichtig nahm und somit die wunderschöne Dünenlandschaft der Ostseeküste nicht in den Hintergrund drängte. Ganz im Gegenteil reflektierte das viele Glas die Ostsee, den Himmel und die Dünen sogar noch.

      Neben den beiden Hotels umfasste die Anlage einen 18-Loch Golfplatz, der sich im Stil britischer Links Courses in die Dünen schmiegte, und genau zwischen den beiden Hotels lag. Als Debbie den Platz passierte, dachte sie kurz an die Golfspieler, die hier regelmäßig mit dem Ostseewetter zu kämpfen hatten, und sie empfand eine kurze grimmige Schadenfreude.

      Zudem gehörte das Kongresszentrum zu dem riesigen Komplex. Hier würden während des Gipfels die wissenschaftlichen Vorträge stattfinden. Natürlich grenzte es direkt an den Luxustempel an. Die Mächtigen dieser Welt würden sich nicht durch Wind und Regen kämpfen müssen. Debbie hätte ein Taxi nehmen sollen.

      „Shit!” sagte sie laut, als der Sturm einen weiteren Versuch, ihren Regenschirm zu öffnen, vereitelte. In dem Moment klingelte ihr Handy. Das Display zeigte Wangs Namen. Wütend rammte sie den Regenschirm in einen Mülleimer und nahm ab.

      „Professor. What do you want?”

      „Debbie. Where you? Hurry.”

      Es klang mehr wie ‚Hully’, denn noch immer hatte Wang große Probleme, ein ‚r’ auszusprechen. Debbie hatte nie verstehen können, wie ein Mann von seinem Intellekt, der seit dreißig Jahren internationale Kongresse besuchte und inzwischen auch seit drei Jahren in den USA lebte, noch immer so schlecht Englisch sprechen konnte.

      „Listen”, sagte sie genervt. „Ich komme, sobald der scheiß Sturm mich durchlässt. Ich bin da, wenn ich da bin.”

      „Beeile. Ich Frage mit Vortrag.”

      „Ich fliege.” Sie gab sich keine Mühe, den aufsteigenden Sarkasmus in ihrem Tonfall zu unterdrücken. Sie wusste, dass der Professor ihre direkte, offene Art nicht immer schätzte, aber es war ihr egal.

      Was sie viel mehr störte, war dieses Wetter. Ein ungutes Gefühl beschlich sie. Das Dunkelgrau des Himmels, der peitschende Regen und das Tosen der im Sturm wütenden Brandung schienen nichts Gutes zu verheißen.

       2.

      Scheiß Wetter, dachte Passe Hausmann. Es konnte beim besten Willen nicht zur Besserung seiner Laune beitragen. Er hatte sich die ganze Geschichte anders vorgestellt.

      Das hier war Kindergeburtstag, Grillen mit Freunden. Er hatte die Videos vom letztjährigen G8-Gipfel in Genua gesehen, doch hier schien niemand bereit, soweit zu gehen. Wo war der Schwarze Block, die Gewaltbereitesten unter den Globalisierungsgegnern? Woran würde er sie erkennen? Wie würde er ihnen vermitteln, dass er einer von ihnen sein wollte?

      Diese Jungs trauten sich noch, ihre Meinung zu zeigen. Was half es schon, Transparente zu bemalen, und Sitzblockaden durchzuführen? Wenn man etwas aussagen wollte, dann brauchte man Aufmerksamkeit, und die kriegten sie hier nicht.

      In Genua hatten sogar die Spezialeinheiten der Polizei Respekt vor dem Schwarzen Block gezeigt. Gewaltfreie Demonstranten waren brutal zusammengeknüppelt worden – wenn sie überhaupt in die Stadt gelassen worden waren. Aber als die Mitglieder des Schwarzen Blocks durch die Straßen gezogen waren, Autos angezündet und randaliert hatten, da war weit und breit kein Polizist zu sehen gewesen, der sich ihnen in den Weg zu stellen gewagt hätte. Die Aufnahmen waren in den Nachrichten auf der ganzen Welt ausgestrahlt worden, man hatte Aufmerksamkeit erzeugt. Nur so ließ sich etwas bewegen.

      Nicht so hier.

      Fast ärgerte Passe sich, dass er überhaupt hergekommen war. Er hatte geahnt, dass nicht viel passieren würde. Seine Freundin Dora hatte ihn überredet; aber die fand ja auch Sitzblockaden dufte.

      Man kam noch nicht mal in die Nähe des eigentlichen Gipfels. Um Globalisierungsgegner fernzuhalten und die Sicherheit der Staatsoberhäupter zu gewährleisten, war im Vorfeld des Gipfels ein zwölf Kilometer langer Zaun im Halbkreis um die Küste und den Versammlungsort errichtet worden. Im Polizeijargon nannte man so etwas eine technische Sperre. Zwölfeinhalb Millionen Euro hatte die Bundesregierung investiert, um aus Stahlgittern und Beton ein nahezu unüberwindliches Hindernis zu schaffen. Der ganze Zaun reichte einen Meter tief in die Erde, um Untertunnelungen zu verhindern. Er war zweieinhalb Meter

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