Virus. Kristian Isringhaus

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Virus - Kristian Isringhaus

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sein Gefühl von Macht noch. Trotz ihres Hasses waren sie gezwungen, zu ihm aufzublicken.

      Zu guter Letzt sah Wang einige Journalisten, nicht viele allerdings. Ausschließlich handverlesene Wissenschaftsjournalisten hatten eine Akkreditierung für diese Veranstaltung erhalten. Die gemeine Presse war im gesamten eingezäunten Bereich ebenso wenig zugelassen wie Fernsehsender. Doch während diese durch das Kamerateam der Regierung mit Material versorgt wurden, war die schreibende Zunft ausschließlich auf Pressemitteilungen angewiesen.

      Wang atmete tief durch. So schlecht sein eigenes Englisch auch war, so gut vermochte er doch, mit einem einstudierten Vortrag seine Zuhörer zu fesseln. Es war Routine für ihn. Er trat ans Mikrophon in der Mitte der Bühne. Nur etwa anderthalb Meter über ihm hing eine zur Lichtinstallation gehörige Metallkugel von der Größe eines Basketballs. Der Spot war auf ihn gerichtet.

      Er räusperte sich, doch in eben jenem Augenblick erschütterte ein gewaltiger Donnerschlag das Gebäude. Ein Murren ging durch das Publikum. Wang war zu routiniert, um sich diese Gelegenheit für einen kleinen Scherz entgehen zu lassen. Es ging nichts über ein lockeres Publikum.

      Er klopfte sich auf die Brust, räusperte sich erneut und sagte in gebrochenem Englisch: „Klingt wie Erkältung kommen.”

      Das Publikum lachte laut auf. Er hatte die Menschen im Griff.

      Doch mitten in dieses kurze Gelächter hinein ertönte plötzlich ein langgezogener, lauter Ton – ein Ton, wie ihn keiner der Anwesenden je gehört hatte. Er war schrecklich und wundervoll zugleich, am ehesten vielleicht noch mit dem einer Posaune vergleichbar, aber doch anders. Ein unbeschreiblich schöner Klang, doch durch seine Fremdartigkeit und Deplatziertheit auch ebenso grauenvoll wie Angst einflößend. Es war unmöglich, dass auch nur einer der Anwesenden keine Gänsehaut hatte.

      Wang verstand nicht. Dies war sein großer Auftritt, sein Moment. Was passierte hier? Gerade noch hatte das Publikum über seinen Witz gelacht und jetzt dieser Ton. Eine Sirene? Ein übler Scherz eines neidischen Konkurrenten? Fassungslos blickte er zu Debbie hinunter, die am Rand der Bühne stand. Doch Debbie zuckte nur die Schultern. Auch sie wusste den Ton nicht einzuordnen.

      –––––

      Andreas Hanke blickte sich alarmiert und mit geübtem Auge um. Der Personenschützer war geschult worden, nicht bei der kleinsten Unplanmäßigkeit in Panik zu verfallen, aber dieser Ton war angsteinflößend. Was passierte hier? Ein Alarm? Eigentlich auszuschließen. Man hätte ihn über Funk sofort informiert, zudem war man alle Notfallsignale vorher durchgegangen. Aber dieser Ton war ihm fremd. War die Funkverbindung ausgefallen?

      „Was ist das?” flüsterte er kurz und knapp in sein Revers.

      „Keine Ahnung. Wachsam bleiben!” war die prompte Antwort in seinem Ohr. Der Funk funktionierte also. Hier vorne war Hanke ganz alleine für die Sicherheit der Kanzlerin zuständig. Kein anderer Personenschützer oder Geheimdienstler war ihr so nah. Er musste sich ein Bild machen und im Zweifelsfall in Sekundenbruchteilen eine Entscheidung treffen. Er blickte zur Kanzlerin, die von dem Ton ebenso ergriffen war, wie jeder andere im Raum.

      –––––

      Jo Somniak war einer der wenigen Wissenschaftsjournalisten, die eine Akkreditierung für den Gipfel erhalten hatten. Er saß in einer der hinteren Reihen. Obwohl er von seinem Platz aus nicht den besten Blick auf die Bühne hatte, wusste er, dass hier etwas Unglaubliches passierte.

      Er legte seinen Laptop auf den Boden, richtete seine Nikon auf die Bühne und drückte auf den Auslöser.

      –––––

      Professor Wang Dadong blickte in die in Verzückung und Schrecken zugleich erstarrten Gesichter seiner Zuhörer. Etwas lief hier schief. Gewaltig schief – dies hatte sein großer Auftritt sein sollen.

      Und er wurde es. Urplötzlich schoss ein gigantischer Blitz aus der Metallkugel über seinem Kopf auf ihn nieder. 500.000 Volt strömten durch seinen Körper in den Boden. Wang Dadong war tot, bevor der Blitz vorbei war.

      –––––

      Die durchschnittliche Reaktionszeit eines Menschen liegt bei etwa sieben zehntel Sekunden. Drei zehntel Sekunden nachdem der Blitz begonnen hatte, setzte Andreas Hanke mit einem gewaltigen Sprung über zwei Stuhlreihen hinweg, stieß dabei Menschen, zwischen denen er hindurch sprang, unsanft zur Seite, riss die Kanzlerin zu Boden und warf sich schützend auf sie. Halb sah, halb spürte er, wie neben ihm die anderen Regierungschefs von ihren Personenschützern auf gleiche Weise von dem Blitz abgeschirmt wurden. Dann wanderte sein Blick zur Bühne. Was er sah, ließ ihn zum ersten Mal in seinem Berufsleben für wenige Augenblicke seine Aufgabe vergessen.

      –––––

      Debbie merkte, wie ihre Knie nachgaben. Etwas Schrecklicheres hatte sie noch nie gesehen. Sie hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, wie lange ein Blitz dauern konnte. Normalerweise sah man Blitze nur aus weiter Ferne und normalerweise sah man niemanden, der von dem Blitz getroffen wurde. Dieser Blitz schien eine Ewigkeit zu dauern.

      Er hielt den leblosen, in entsetzlichen Spasmen zuckenden Körper des Professors in seinem Bann gefangen. Sein teurer Maßanzug hatte sofort Feuer gefangen, unkontrollierte Nervenimpulse ließen sämtliche Muskeln seines Körpers wieder und wieder kontrahieren, sein Gesicht war zu einer widerlichen Fratze verzogen, seine heraustretenden Augen sendeten schon jetzt kein Leben mehr aus, und eine Nebelwolke schlagartig aus seinem Körper verdampfender Flüssigkeit stieg von ihm empor.

      Doch all das war nicht einmal das Schlimmste an diesem Bild.

      Mit dem ersten Auftreffen des Blitzes hatte sich eine Art Feuerspur entzündet und sich schnell und geradlinig zur rückwärtigen Wand durchgefressen. Die Wand brannte nun, allerdings nicht überall. Es wirkte fast wie ein Bild. Eine Schrift. Ganz eindeutig. Auf der Wand hinter dem Professor stand in flammenden Lettern der Schriftzug ‚A87’.

      Debbie konnte die Schrift lesen, aber keinen klaren Gedanken dazu fassen. Zu schrecklich war das gesamte Szenario. Im Vordergrund der immer noch vom Blitz gefangene, entsetzlich zuckende und brennende Professor, im Hintergrund die flammende Schrift und dazu über allem dieser schreckliche Ton, der angesichts des Bilds, das er untermalte, jegliche Schönheit verloren hatte.

      Dann hörte der Blitz ebenso plötzlich auf, wie er begonnen hatte, und mit ihm auch der Ton. Es hatte kaum drei Sekunden gedauert, doch Debbie war es vorgekommen wie eine Ewigkeit. Mit einem dumpfen Geräusch schlug der qualmende, brennende und bis zur Unkenntlichkeit verkohlte Leichnam des Professors auf den Bühnenboden auf. Hinter ihm brannte nun die gesamte Wand, und einzelne Zeichen waren nicht mehr zu erkennen. Doch das bemerkte Debbie in diesem Moment nicht mehr.

      Wie lange dauert ein Blitz? war ihr letzter Gedanke, bevor ihr schwarz vor Augen wurde und sie in sich zusammen sank.

      –––––

      Andreas Hanke verlor keine Sekunde. In dem Moment, als der Blitz vorüber war, riss er die Kanzlerin unsanft hoch und schob sie eilenden Schritts zum ausschließlich für die Regierungschefs vorgesehenen Fluchtweg rechts von der Bühne. Sie würde von seinem Griff vielleicht ein paar blaue Flecken am Oberarm als Erinnerung behalten, doch das störte ihn nicht. Bereits nach wenigen Schritten waren sie umringt von vier weiteren Personenschützern des BKA. 28 Sekunden, nachdem der Blitz aufgehört hatte, saß die Kanzlerin in ihrer gepanzerten Mercedes-Benz Limousine in der Tiefgarage und verließ den Ort des Geschehens.

      –––––

      Jo

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