Virus. Kristian Isringhaus

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Virus - Kristian Isringhaus

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      „Deborah Ashcroft.”

      Holger seufzte tief. „Ihr seid zu gut zu mir. Nach der großzügigen Einladung gebt ihr mir jetzt auch noch die Gelegenheit, mein Schulenglisch aufzupolieren. Du siehst mich hocherfreut, mein Freund.”

      Lars grinste und wies Holger mit ausgestrecktem Arm den Weg. Holger stellte sich auf Zehenspitzen, um über die durcheinander wuselnden Menschen zu blicken. Auf einer Trage nahe dem linken Bühnenrand lag eine hübsche junge Frau.

      Doch Miss Ashcroft schien nicht an Ruhe und Bequemlichkeit interessiert. Ein Sanitäter neben ihr hatte alle Hände voll damit zu tun, sie in ihrer Position zu halten. Im Moment versuchte er vergeblich, ihr eine Beruhigungsspritze zu geben. Holger trat hinzu.

      „Miss Ashcroft? Hi, my name is Holger Petersen. I’m the...”

      „Sie können Deutsch mit mir reden”, unterbrach sie ihn barsch. „Und es ist Dr. Ashcroft, bitte.”

      Holger warf einen übellaunigen Blick zu Lars rüber. Der grinste kurz und wandte sich dann wieder seinen Aufgaben zu.

      „Okay. Gut, eh, Dr. Ashcroft.” Holger musste sich sammeln. „Ich bin der Pastor dieser Gemeinde und man hat mich gebeten, ihnen psychologisch zur Seite zu stehen.”

      „Ich brauche keine Hilfe”, erwiderte Ashcroft. „Es geht mir gut.”

      „Sehen Sie, es ist eine völlig normale Reaktion nach einem Schock, zu glauben, es gehe Ihnen gut”, sagte Holger mit ruhiger Stimme.

      „Was für ein Schock? Ich habe keinen Schock. Mein Boss ist gerade gegrillt worden und ich möchte wissen, warum. Das ist alles.” Eine gewisse Aggressivität lag in ihrer Stimme. Sie versuchte sich aufzusetzen, doch der Sanitäter drückte ihre Schultern sanft nach unten.

      „Natürlich wollen Sie das. Aber mit einer akuten Belastungsreaktion ist nicht zu spaßen. Wenn sie nicht verarbeitet wird, kann sie Ihnen für eine lange Zeit ernste Probleme bereiten und Ihre Arbeit wie auch Ihr Privatleben beeinflussen.” Er musste bei seinen eigenen Worten schlucken und hoffte, dass sie es nicht bemerkte.

      „Sind Sie ein beschissener Psychiater?” ranzte sie.

      Amerikaner! dachte Holger. Ohne Fluchen geht’s bei denen nicht.

      „Nein, ich bin Pfarrer. Aber für solche Situationen bin ich…”

      „Und welche Arroganz erlaubt es Ihnen, mir einen Schock zu unterstellen?” fiel sie ihm ins Wort. „Unterstelle ich Ihnen etwa einfach, dass Sie nach Alkohol stinken? Nein, ich behalte es für mich!”

      Holger atmete tief durch. Er hasste es, unterbrochen zu werden. Die Beleidigung, obwohl wahrscheinlich zutreffend, half wenig, sein Gemüt zu beruhigen. Er gab sich Mühe, seinen Ärger nicht zu zeigen. „Wenn Sie mich überzeugen wollen, hilft es Ihnen wenig, Schocksymptome offen zur Schau zur tragen. Und Unsachlichkeit kann leicht als Desorientierung…”

      „Und wenn Sie mich überzeugen wollen, dass Sie mir helfen können”, fiel sie ihm ins Wort, „hilft es Ihnen wenig, Ihren Mangel an Sachverstand so offen zur Schau zu stellen. Ist Ihnen aufgefallen, dass ich keinerlei physische Symptome zeige? Und auch keine Wahrnehmungsprobleme oder gar dissoziative Störungen? Ich bin Biologin! Und ich kann meine Gesundheit durchaus selber einschätzen!”

      Holger blickte sich auf der Suche nach einer Beruhigung seines Gemüts und einem neuen Ansatz im Saal um, doch was er fand, schien wenig dienlich. Die Feuerwehrleute auf der Bühne waren jetzt damit beschäftigt, ihre Werkzeuge aufzuräumen, den Löschschaum zu entfernen und Proben der Brandrückstände zu entnehmen. Insgesamt schien sich der Saal langsam etwas zu leeren, weil mehr und mehr der Schockpatienten in Krankenhäuser abtransportiert wurden. Doch noch immer war das Chaos unbeschreiblich und zur Kühlung von Temperamenten wenig hilfreich.

      Er seufzte tief und wandte sich wieder an Ashcroft. „Ganz unabhängig davon, ob Sie Schocksymptome haben oder nicht, möchte ich Ihnen raten, professionelle psychologische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Sie dürfen die Ereignisse nicht verdrängen, sie müssen sie verarbeiten. Nach so einem schrecklichen Unfall…”

      „Unfall?” Schon wieder schnitt Ashcroft ihm das Wort ab. Langsam wurde es nervig. „Was faseln Sie denn da von einem Unfall? Das war Mord!”

      Holger hatte Mühe, die Ruhe zu bewahren. Er war nicht mehr der besonnene Geistliche von früher. Immer häufiger kam es vor, dass er die Nerven verlor. Zwar zeigten sich seine Emotionen nicht durch lautstarke Ausbrüche, doch so Manchem wäre das wahrscheinlich lieber gewesen. Die leiernde Gleichgültigkeit seines Tonfalls erhielt er auch bei wütender Erregung aufrecht, doch inhaltlich wurden seine Aussagen feindseliger und nicht selten zutiefst beleidigend.

      Er ballte eine kräftige Faust hinter seinem Rücken, um die emotionale Anspannung in Muskelspannung umzuwandeln. Sublimierung konnte man das wohl nennen und es klappte normalerweise nicht. Dann atmete er tief durch und wandte sich bemüht beherrscht wieder an die Amerikanerin. „Es war ein Blitz, Dr. Ashcroft. Ihr Chef wurde von einem Blitz erschlagen. Wenn es nicht jemand geschafft hat, sich die Mächte der Natur Untertan zu machen, ist Mord auszuschließen.”

      „Und dieser Ton? Und die Schrift? Alles Zufall? Jemand hat hier manipuliert. Wie blind kann man denn sein?”

      Was für eine Schrift? dachte Holger. Lars hatte ihm mal wieder nicht alles erzählt. Aber es war ihm fast egal. Wie eigentlich alles. Er überlegte kurz, wie er etwas über die Schrift erfahren konnte, ohne preiszugeben, dass er keine Ahnung hatte.

      „Was genau, glauben Sie denn, hatte die Schrift zu bedeuten?”

      „Woher soll ich das wissen? Ich weiß nur, dass sie da war. Geschrieben mit Feuer.”

      „Geschrieben mit Feuer?” Holger war so überrascht, dass es einfach aus ihm raus platzte. Sogar sein gleichgültiges Leiern vergaß er.

      „Yikes! Scheiße, wenn einem keiner was sagt, oder? Dann wissen Sie ja jetzt, wie ich mich fühle.”

      „Also, was war das für eine Schrift?” Holger gab den Versuch auf, vorzugeben, er wisse Bescheid.

      „Eine Flammenspur hat sich bis an die Rückwand durchgefressen und plötzlich stand da klar lesbar ‚A87’. Ich weiß nicht, was es bedeutet. Aber ich weiß, dass es da war.”

      „Flammenausbreitung ist völlig arbiträr. Es wird sich zufällig ein Bild ergeben haben, das für Sie in ihrem Schockzustand…”

      Erneut durfte er nicht ausreden. „Oh, ein Pyroexperte sind wir auch. Pfarrer, Psychiater und Pyroexperte. Wow, Sie kommen rum.”

      Es brodelte in Holger. Lange würde es nicht mehr dauern, bis er überkochte. „Liebe gute Frau! Ich versuche, Ihnen zu helfen. Sie würden mir die Sache signifikant erleichtern, wenn Sie mich gelegentlich einen Satz zu Ende…”

      Auch diesen nicht.

      „Wenn Sie mir helfen wollen, überzeugen Sie die Polizei davon, dass es Mord war”, fuhr Ashcroft ihm ins Wort. „Sagen Sie diesem jerk hier, er soll mich in Ruhe lassen.” Sie sandte einen giftgetränkten Blick zu dem Sanitäter, der immer noch versuchte, sie auf der Trage festzuhalten „Finden Sie heraus, wie lange ein Blitz dauert oder gehen Sie einfach Verstecken spielen. Aber vor allem: fuckin’ leave me alone.

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