Virus. Kristian Isringhaus

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Einzige, wonach die verlogene Gemeinschaft der Forscher strebte. Forscher gaben vor, dem Fortschritt verpflichtet zu sein, der Wissenschaft dienen zu wollen, und doch lag ihr eigentliches Ziel nur in Ruhm und Rampenlicht. Nicht einen Forscher hatte Wang in seiner langen Laufbahn kennengelernt, der sich nicht gerne selbst reden hörte, und deshalb war er sich sicher, mit Recht von sich auf alle schließen zu dürfen. Er belog wenigstens sich selbst nicht. Er wusste, dass es der Ruhm war, nach dem er strebte, und nicht die Rettung der Menschheit. Aber er würde es niemals jemanden wissen lassen.

      Er warf noch einen letzten Blick in sein Manuskript und war zufrieden. Debbie hatte gute Arbeit geleistet – wie eigentlich immer. Sie war die beste Assistentin, mit der er je zusammen gearbeitet hatte, und mit seinen zweiundsechzig Jahren hatte er deren schon einige gehabt. Fünfundzwanzig Jahre lang hatte er in seiner Heimat China geforscht und gelehrt, bevor er einen Forschungsauftrag der University of Minnesota erhalten hatte. Doch selbst in puncto Fleiß und Eifer stach Debbie seine jungen, ambitionierten Landsleute aus – von ihrem Talent ganz zu schweigen. Ihre Art war manchmal ein wenig zu offen, ein wenig zu direkt, doch zumindest war die Zusammenarbeit dadurch stets unkompliziert und Missverständnisse kamen nicht auf.

      Trotz der unzähligen Vorträge, die er in seinem Leben bereits gehalten hatte, ergriff Wang eine leichte Nervosität. Er hatte schon vor Regierungschefs und Staatsoberhäuptern gesprochen, aber noch nie vor einer so gebündelten Verdichtung purer Macht wie hier. Sein Puls legte einen Schlag zu und kleine Schweißperlen traten auf seine Stirn. Irgendwie schien es warm zu sein im Kongresszentrum.

      –––––

      Andreas Hanke überprüfte den ovalen Raum ein letztes Mal mit geschultem Blick. Er mochte den Hauptveranstaltungssaal des Kongresszentrums, weil er eingeschossig und nahezu freistehend war. Das erleichterte eine Überwachung enorm, und Überraschungen aus oberen Stockwerken konnten ausgeschlossen werden. Eine zweite Etage hätte man auch schlecht auf den Saal setzen können, denn die Decke war ebenso rund wie der ganze Raum. Im Prinzip glich das Gebäude von außen einem der Länge nach aufgeschnittenen hartgekochten Ei, das auf der Schnittfläche lag. Aufgrund der Nähe zur Ostsee wurde es häufig mit einem gestrandeten Wal verglichen und so hatte sich nach und nach der Spitzname ‚Walfisch’ für das Gebäude eingebürgert.

      Der Architektur des gesamten Komplexes angepasst, bestand der ‚Walfisch’ hauptsächlich aus Glas und Stahl und wurde im vorderen Bereich, in dem die Bühne stand, von einer Halbkuppel aus Stahl und Beton abgeschlossen. Diese Halbkuppel diente dem einfachen Zweck, kein natürliches Licht von hinter der Bühne zuzulassen. Zudem vereinfachte sie die Installation der nötigen Lichttechnik und das elegante Verbergen der Kilometer von Kabel.

      Um eine völlige Überhitzung bei massiver Sonneneinstrahlung zu verhindern und Beamerprojektionen auch am Tage zu ermöglichen, konnte jede der über vierhundert Glasscheiben individuell mit Jalousien verdunkelt werden. Zwar ließ das Dunkelgrau des Himmels an diesem Dienstagnachmittag nicht allzu viel Licht durch, während der impertinente Dauerregen für genug Abkühlung sorgte, doch auch heute waren sämtliche Jalousien zugezogen. Zu nah stand das Gebäude am Zaun und damit an den gierigen Kameras der Nachrichtenteams. Künstliches Licht erhellte den Saal.

      Hanke war mit den Kollegen alles zigmal durchgegangen. Der ovale Saal war leicht zu überblicken. Vorne befand sich die Bühne, nach etwa fünf Metern fingen die Sitzreihen an. In der ersten Reihe würden die Regierungschefs sitzen, zwei Reihen dahinter er und seine ausländischen Kollegen. Aber das würde niemandem auffallen. Die Personenschützer der Staatsoberhäupter fielen überhaupt nie jemandem auf, der kein geschultes Auge dafür hatte. Sie waren nahezu unsichtbar und doch immer in der Nähe.

      Die Personenschützer des BKA konnte man nicht mit Bodyguards von Prominenten oder gar mit Türstehern einer Diskothek vergleichen. Ihre Körperkraft zeigte sich nicht in Muskelbergen und ihr Haarschnitt war unauffällig und durchschnittlich, anstatt angsteinflößend und bedrohlich. Sie trugen gut sitzende Anzüge und fügten sich stets perfekt in das übliche Bild eines gewöhnlichen Staatsempfangs ein.

      Rechts neben der Bühne war der Notausgang für den Fall der Fälle. Er war nicht als solcher gekennzeichnet und niemandem außer den Regierungschefs und ihren Bewachern bekannt. Dies war der Fluchtweg für die Mächtigen.

      Es gab immer einen Notfallfluchtplan, der die üblichen Fluchtwege der Massen umging, aber schon lange hatte Andreas Hanke nicht mehr darauf zurückgreifen müssen. Natürlich hatte es Attentatsversuche gegeben, aber immer waren seine Kollegen frühzeitig zur Stelle gewesen und hatten den Attentäter ausgeschaltet, lange bevor er seinen Anschlag versuchen konnte. Obwohl er sich sicher war, dass sich daran auch heute nichts ändern würde, waren seine Konzentration und Anspannung voll da, denn ein einziger Fehler von ihm könnte im Ernstfall den Tod der Kanzlerin bedeuten.

      Doch das würde nicht passieren. Es gab nichts, was ihn noch überraschen konnte, dafür war er einfach schon zu lange dabei. 1995 hatte er sich um die Stellung eines Personenschützers beworben. Man hatte ihn angenommen und ihm erlaubt, das knüppelharte Training zu durchlaufen. Nach ein paar Jahren des Profilierens hatte er 1998 mit der Wahl des neuen Kanzlers dessen Schutz übernommen, und als dieser 2005 abgelöst wurde, hatte die neue Kanzlerin Hanke wegen seines exzellenten Rufs in ihren Stab an Personenschützern aufnommen.

      Die Gefahr hatte sich ein wenig gewandelt. Während der Ex-Kanzler sich mit seiner Politik und den nicht eingelösten Wahlversprechen eher Feinde im eigenen Land gemacht hatte, setzte sich die neue Kanzlerin mit ihrer freundlichen Haltung gegenüber Amerika eher dem Hass internationaler Terroristen aus. Die Aufgabe jedoch war die gleiche geblieben: ein Leben beschützen – zur Not im Tausch gegen das eigene.

      Er testete ein letztes Mal die Funkverbindung.

      „Am Eingang alles klar?” Er flüsterte die Frage unauffällig und nahezu ohne seine Lippen zu bewegen in ein winziges Mikrofon in seinem Revers.

      „Alles klar”, war die prompte Antwort auf seinem kleinen, unsichtbaren Knopf im Ohr.

      „Wie sieht’s auf dem Dach aus?”

      Fünf Scharfschützen waren auf dem Dach des ‚Seeadlers’ postiert und überwachten von hier aus das Dach des ‚Walfischs’ und die Umgebung.

      „Hier oben ist auch alles klar.”

      Befriedigt blickte Hanke zur Bühne, die soeben vom Moderator betreten wurde. Es ging los.

      –––––

      Das Stimmengewirr, das gedämpft hinter die Bühne drang, ebbte ab. Nur noch Augenblicke. Wang tupfte sich ein letztes Mal den Schweiß von der Stirn. Dann hörte er, wie er angekündigt wurde, gefolgt von höflichem Applaus. Seinem Applaus. Er fühlte, wie ihn eine Gänsehaut überkam, eine Gänsehaut der angenehmen Art.

      Debbie rückte seinen Krawattenknoten zurecht.

      „Good luck, Professor.”

      Er trat auf die Bühne. Seine Bühne. Sein großer Auftritt. Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Wang warf einen ausschweifenden Blick in die Runde und sog die Atmosphäre in sich auf. Er konnte die Macht förmlich fühlen, die sich hier versammelt hatte, und die Tatsache, dass die Mächtigen sich seinetwegen hier eingefunden hatten, gab ihm ebenfalls Macht. Er absorbierte sie, fühlte sie durch seinen Körper strömen und genoss sie für einen Moment. Er wollte sichergehen, dass er dieses Gefühl niemals vergessen würde.

      Im Saal erkannte er neben der versammelten Macht der Gruppe der Acht auch Vertreter aus einigen asiatischen Ländern, denn das Zusammenleben von Hühnern, Schweinen und Menschen in vielen asiatischen Kulturen war ein nicht zu verachtender Faktor für die Mutation und Verbreitung gefährlicher

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