Virus. Kristian Isringhaus

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Virus - Kristian Isringhaus

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war es egal. Er machte den Job weiter, weil Pfarrer nun mal einfach kein Job war, den man einfach so aufgab. Und von irgendwas musste er ja schließlich leben. Zudem, so war er sich sicher, würde er binnen kürzester Zeit zu einem hemmungslosen Alkoholiker werden, wenn er auch seine letzte Aufgabe im Leben verlor. Auch ohne Glauben an Gott gab ihm das Amt des Pfarrers das letzte bisschen Halt, das er noch im Leben hatte.

      Doch Aufgaben wie die heutige gehörten nicht zu seinen bevorzugten. Holger hatte schon jetzt keine Lust mehr. Wieso hatte dieser Blödmann ihn als ‚Herr Pastor’ anreden müssen? Es erinnerte ihn nur wieder daran, wie schlecht er in seinem Beruf war. Und dem sollte er jetzt nachgehen.

      Bereits am Eingang zum Kongresszentrum stieß er auf das nächste Problem. Die ohnehin ausufernden Sicherheitsmaßnahmen während des Gipfels waren nach dem schrecklichen Ereignis am Nachmittag ins Unermessliche gestiegen.

      „Sie können hier nicht rein.” Ein am Eingang postierter Polizist stellte sich Holger in den Weg, ohne ihn auch nur nach seinem Namen oder seiner Absicht zu fragen. Der Polizist war weitaus kleiner als die eins fünfundachtzig, die Holger maß, und leicht untersetzt.

      „Ihr Freunde und Helfer seid doch zu amüsant”, erwiderte Holger. Wie immer verlieh er seinen Worten eine leiernde Gleichgültigkeit, die nicht selten als Arroganz fehlinterpretiert wurde. „Herbestellen und dann nicht rein lassen? Mordsidee! Köstlich! Mein Zwerchfell brennt. Was für einen Spaß lasst ihr euch wohl als Nächstes einfallen?”

      „Wer hat Sie herbestellt?” der Polizist ignorierte Holgers herablassende Haltung dienstbeflissen.

      „Die Freunde vom Polizeigesangsverein Grün-Weiß Rostock”, antwortete Holger immer noch leiernd, doch inzwischen auch leicht gereizt.

      „Klar. Und warum sollte ein Mensch, der klar bei Verstand ist, gerade Sie hierher bestellen?”

      „Ich habe nie behauptet, es gebe in eurem Verein Mitglieder, die klar bei Verstand sind.”

      „Vorsicht, Mann. Sonst hast du Handschellen an, so schnell kannst du nicht gucken.” Der Polizist wurde jetzt richtig sauer.

      Was für ein Riesenarschloch! dachte Holger. Es war nervig, wenn einfache Polizisten mit Aufgaben betraut wurden, die sie überforderten. Hier musste selbständig geurteilt werden. Dem war der kleine Polizist nicht gewachsen. Alles, was ihm durch seinen kleinen, vermutlich relativ leeren Kopf ging, war, keinen Fehler zu begehen. Er arbeitete hier mit Geheimdienstlern und BKA-Leuten zusammen. Die würden ihn zusammenfalten, dass ihm Hören und Sehen verging, wenn er einem Unbefugten Zutritt gewährte. Nicht auszudenken, er würde auf den billigen Trick eines Boulevard-Journalisten hereinfallen.

      Holger blickte sich genervt um. Das Chaos, das Gebrüll, die umherlaufenden Menschen, die Blaulichter, die Kamerateams, die Globalisierungsgegner – all das ließ darauf schließen, dass es drinnen nicht viel ruhiger sein würde. Ständig drückten sich Menschen mit wichtigen und gehetzten Mienen an ihm und dem untersetzten Polizisten vorbei. Er wollte nicht da rein. Doch er musste. Außerdem regnete es immer noch.

      Er gab sein kleines Spielchen auf und startete einen ernsthaften Versuch.

      „Ich bin der örtliche Pfarrer und soll hier psychologische Betreuung leisten”, sagte er, während er dem Polizisten seinen Ausweis unter die Nase hielt.

      Der Polizist musterte ihn von oben bis unten. Ungekämmte Haare, die der Regen ihm an die Stirn geklebt hatte, darunter ein unrasiertes Gesicht, eine schlaksig drahtige Figur, ein verwaschenes hellblaues Sweatshirt mit Kapuze, Jeans und Sneakers.

      Der Polizist lachte kurz auf. „Wo ist die Robe, eure Heiligkeit?” Dann wurde er ernst. „Presse hat hier nichts zu suchen, also verzieh dich! Sonst kannst du gleich mal unsere GeSa kennenlernen.”

      Die GeSas waren die speziell für den Gipfel eingerichteten Gefangenen Sammelstellen. Natürlich waren sie nicht für Pfarrer, sondern für gewalttätige Demonstranten gedacht, doch Holger hatte keine Lust mehr zu diskutieren.

      Besser hätte es ja fast nicht laufen können. Ohne lügen zu müssen, würde er Lars später berichten können, alles versucht zu haben. Man habe ihn einfach nicht rein gelassen.

      Er zuckte mit den Schultern. „Oh, Ärger. Sie sind ein Meister der Kombinatorik. Was hat mich als Reporter enttarnt? Der Bleistift hinter meinem Ohr oder das Blöckchen in der Brusttasche?”

      Damit drehte er sich um und ging. Er war schon fast wieder über den Parkplatz, als er hinter sich seinen Namen hörte. Er blickte über die Schulter. Lars sah gehetzt und gestresst aus. Schweiß stand auf seiner Stirn und seine leicht füllige Gestalt strahlte nicht die Ruhe aus, die Holger von ihm gewohnt war. Auch seine Stimme hatte ihre langsame nordische Gelassenheit verloren.

      „Wo willst du hin, Mann? Wir brauchen dich hier drin”, rief er. Holger ging zum Eingang zurück.

      „Deine investigativ exzellent geschulte Streifenkraft hier hat mich leider als Mitglied der schreibenden Zunft enttarnt. Da war nichts zu machen. Er hat einfach durch meine Camouflage hindurch geblickt”, antwortete Holger extra laut. „Er ist mir über.”

      Lars zog eine Grimasse. Er mochte Holgers Sarkasmus, aber zu lachen wäre weder der Situation noch seinem Kollegen gegenüber angemessen gewesen.

      „Gute Arbeit, ganz fantastisch”, raunte Holger dem Beamten zu, als er mit Lars zusammen das Gebäude betrat.

      Das Chaos erschlug ihn fast. Noch nie hatte er ein solches Durcheinander gesehen – nicht einmal in seiner Wohnung. Doch es gab kein Zurück mehr. Da musste er jetzt durch. Er wollte es so schnell wie möglich hinter sich bringen.

      „Also, was genau ist passiert?” fragte er Lars.

      „Hier sollte ein Vortrag stattfinden.” Lars sprach hektischer als sonst, ohne seine norddeutsche Ruhe. Der Akzent allerdings war trotzdem unüberhörbar. „Aber noch bevor der Redner angefangen hat, schlägt ein Blitz in das Gebäude ein und tötet ihn.”

      „Mir kannst du die Wahrheit sagen”, raunte Holger ihm verschwörerisch zu. „Ich bin auf eurer Seite.”

      Lars lachte kurz und freudlos auf. „Das ist die Wahrheit. Ich weiß auch, dass es unglaublich klingt. Aber es ist, wie es ist. Der Blitz ist durchs Dach geschlagen. Auf der Bühne hat es gebrannt. Alle aus dem Publikum faseln irgendwas von ‘nem komischen Ton.”

      „Was für’n Ton?”

      „Keine Ahnung. Sie sagen, sie hätten sowas noch nie gehört. Keiner weiß, wo es herkam, aber jeder hat es gehört. Sogar der Tonmeister. Der versichert allerdings, der Ton sei nicht aus seinen Lautsprechern gekommen. Er sagt, er hat sie sogar ausgeschaltet, aber der Ton ist geblieben.”

      „Ein psychologisches Massenphänomen”, vermutete Holger. Jetzt war es also tatsächlich soweit. Seine erste Analyse. Er hatte zu arbeiten begonnen. „Selten, aber kommt vor. Der Schock trübt die Wahrnehmung, Halluzinationen sind nicht auszuschließen. Gleiche Umgebung und Umstände sorgen dafür, dass die Halluzination bei jedem ähnlich ist.”

      „Ich hab keine Ahnung von dem Scheiß.” Lars war Kriminalist. Was ihn interessierte, waren Beweise und Fakten.

      „Wo fange ich an?” fragte Holger.

      „Die Assistentin des Professors hat es wahrscheinlich am schlimmsten erwischt. Erstens stand sie direkt neben

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