Abgelaufen. Eva Karnofsky

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Abgelaufen - Eva Karnofsky

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du ihn?«, hakt sie nach.

      »Nicht persönlich. Er stellt Textilien her, in großem Stil. Ich weiß nur, dass er seine Arbeiter ganz schön ausbeutet. Zahlt den meisten sogar noch unter Mindestlohn. Wir haben eine Familienplanungsstation in dem Viertel von Lima, in dem eine seiner Fabriken liegt. Die Frauen beklagen sich bitter über ihn.«

      »Und Alejandra wollte natürlich Geld vom Herrn Gemahl.«

      Jorge schüttelt den Kopf. »So war sie nicht. Sie hatte ständig Streit mit ihm, weil er seine Leute aussaugt. Hat ihm sogar mal damit gedroht, ihm ein paar Kollegen aus der Nación auf den Hals zu hetzen. Sie brauchte sein Geld nicht. Die Eltern sind nicht arm, und sie selbst hatte einen guten Vertrag bei der Zeitung.«

      Sie würden sich nach dem Ehemann erkundigen müssen. Vielleicht wollte er ja einem Artikel vorbeugen, der seiner Firma geschadet hätte. Obwohl: Wen stört es schon in Peru, wenn jemand seine Mitarbeiter schlecht bezahlt? Korrupte Politiker, uneheliche Kinder von Präsidenten, koksende und fremdgehende Fernsehstars – darauf fahren die Leute ab. Aber Ausbeutung? Die meisten Reichen leben selbst davon, und die Armen sind froh, wenn sie überhaupt eine Arbeit haben. Dass Alejandra wirklich so ein Gut-Mensch war, der freiwillig auf Unterhalt vom reichen Ehemann verzichtete, nur weil dieser das Geld nicht auf ganz ehrenhafte Weise verdient hat, will Rosa-Li auch nicht so recht glauben.

      Der Zug ist einsteigebereit, und ein Polizist bezieht vor der Tür Posten. Wieder werden ihre Namen notiert, und wieder werden sie gefragt, wann sie gekommen seien und wo sie übernachtet hätten. Und wieder sagt Jorge nicht die Wahrheit. Er sei mit dem ersten Hubschrauber gelandet, gleich hinaufgefahren, und nach einem Rundgang wieder hinunter. Seine Tickets? Im Abfall. Wenn jemand sich die Mühe machte, seine Angaben zu überprüfen, wäre Jorge schnell der Lüge überführt.

      »Sag mal, hast du eigentlich keine Angst, dass jemand die Passagierlisten kontrollieren könnte?«, fragt Rosa-Li ihn leise, als sie schließlich im Zug Platz nehmen.

      Er lacht auf. »Ich dachte, du kennst die Schlamperei unserer Behörden. Und du weißt auch, wie man solche Probleme gegebenenfalls löst.«

      »Mit ein paar Scheinchen, ich weiß. Aber wenn trotzdem mal was rauskommt, machst du dich doch erst recht verdächtig.«

      »Rosa-Li, du denkst immer noch zu Deutsch. Die ganze Sache wird jetzt ein paar Tage lang hochkochen, weil Alejandra nicht ganz unbekannt war, dann kommt ein neuer Skandal, und Peru hat ihren Tod vergessen. Ich helfe ihr nicht mehr, wenn ich meine Ehe und den Fortgang des Projekts riskiere. Stell dir vor, die Medien würden Laura da mit reinziehen, womöglich sogar behaupten, sie hätte aus Eifersucht die Freundin ihres Mannes auf dem Gewissen. Ihre Karriere wäre ruiniert. Und ich weiß nichts, gar nichts, was zur Aufklärung des Ganzen beitragen könnte.«

      »Sie hat dir wirklich nichts von dem Informanten erzählt, den sie treffen wollte?«.

      Er schüttelt energisch den Kopf. »So glaub es mir doch! Wir hatten eine Affäre, Rosa-Li, keinen Diskussionszirkel.«

      Sie sieht Jorge an, dass er genervt ist.

      Merkwürdig, das Ganze. Sie versucht, sich in Alejandra und Jorge hineinzudenken. Die Journalistin fährt mit ihrem Liebhaber zum Machu Picchu, klinkt sich dort jedoch kurzfristig aus dem Programm aus. Und erklärt ihm nicht genau, weshalb. Roberto hätte sie gelöchert, da ist sie sich sicher. Aber vielleicht ticken Reporter wirklich anders als Gynäkologen. Oder es ging bei den beiden nur um Sex, und sie hatten ansonsten kein Interesse aneinander. Doch gibt es das bei einer Journalistin? Rosa-Li hat da ihre Zweifel.

      Kapitel 3

      Die Sonne scheint, eine Seltenheit im Juni, und Rosa-Li öffnet das Fenster, um es gleich wieder zu schließen. Lima stinkt mal wieder, wie immer, wenn der Wind von den Fischmehlfabriken in Callao kommt. Jede Stadt hat ihren eigenen Geruch. Buenos Aires riecht nach Metall, La Paz nach ungelüfteter Wäsche, Bogotá nach der grünen Spülpaste, mit der die Leute ihr Geschirr abwaschen. Weckte man sie nachts und hielte ihr eine Tüte Luft vor, würde sie sofort erkennen, wo man sie eingefangen hat.

      Roberto schläft noch, und auch Rosa-Li beschließt, wieder unter die Decke zu kriechen. Es wäre zu schön, wenn Alejandra wegen einer dicken Korruptionsgeschichte ermordet worden wäre. Sie müssten ihr nur noch auf die Spur kommen. Nur noch. Und es müsste mindestens ein Minister damit zu tun haben. Oder der Präsident. Internationale Verwicklungen wären noch besser. Das könnte sie verkaufen. Niemand im deutschen Blätterwald interessiert sich mehr für Lateinamerika, seit hier nicht mehr blutrünstige Diktatoren ihr Unwesen treiben, deren Menschenrechtsverletzungen die Empörung des deutschen Durchschnittsredakteurs verdienen. Doch Sex and Crime ziehen immer. David würde ihr Zynismus vorwerfen. Aber nun ist Alejandra schon mal tot, und da ist es wohl kaum verwerflich, dass sie von einer heißen Story träumt. Womöglich handelt es sich aber nur um ein ganz gewöhnliches Familiendrama. Reicher Unternehmer tötet Ex-Frau aus Geiz, wahlweise Eifersüchtige Menschenrechtsanwältin erstickt Geliebte des Ehemannes. Oder so ähnlich. Sie war noch nie gut im Titeln. Auch wenn Laura ihr immer sympathisch war und sie ihren Einsatz für Demokratie und Menschenrechte bewundert hat – sie hatte ebenfalls ein Motiv, Alejandra zu ermorden.

      Roberto räkelt sich, grunzt, schiebt die Hand unter ihre Bettdecke und schaut sie an. »Du hast wieder diesen entschlossenen Ich-mache-ganz-viel-Kohle-Blick. An welcher Erfolgs-Story strickst du denn gerade?«, will er wissen.

      Sie setzt eine beleidigte Mine auf. »Du hast gut reden. Du schwimmst im Geld, ich dagegen kämpfe täglich ums Überleben.«

      »Mir kommen die Tränen.« Roberto rutscht unter ihre Decke. »Glaubst du, du kannst deinen endgültigen Durchbruch zur Star-Publizistin ein paar Minuten verschieben und dich einem unbedeutenden, aber unwiderstehlichen Fernsehmoderator aus der Dritten Welt widmen?«.

      Rosa-Li stöhnt. »Wenn es denn sein muss. Dass ihr Männer aber auch immer nur an Sex denken müsst!«.

      Die Kellner räumen bereits das Frühstücksbüfett ab, als die beiden in den Speisesaal kommen, doch Roberto kann eine Serviererin mit einem schmachtenden Blick überzeugen, ihnen doch noch einen Kaffee und ein paar Rühreier zu bringen. Die junge Frau schmolz förmlich dahin, als er leise auf sie einredete. Sie musterte Rosa-Li von oben bis unten, und ihr war anzusehen, was sie dachte: Was macht so ein Traum von einem Mann mit einer etwas zu fülligen Fünfzigjährigen? Manchmal fragt sie sich das selbst. Wenn sie einen Durchhänger hat und mit sich und der Welt hadert. Damals, vor sechzehn Jahren, hat sie gelitten wie ein Hund, als er ihr sagte, er fände es toll, mit ihr gemeinsam zu recherchieren und dann zusammen ins Bett zu gehen, doch er wolle keine feste Beziehung. Lang, lang ist´s her. Sie hat dann David geheiratet, aber sie haben sich immer mal wieder gesehen, wenn sie in Kolumbien war, und Roberto hat sie sogar besucht, als sie als Korrespondentin für das Wochenblatt in Santiago de Chile lebte. Im letzten Jahr hat es dann wieder heftig zwischen ihnen gefunkt, als sie in Medellín nach den Entführern ihres Freundes Ottmar suchte. Drei Monate lang hat sie dann in Bonn ihre Kolumbien-Stories abgearbeitet, und sie haben fast täglich gemailt oder telefoniert. Zumindest im Moment ist das auch für sie okay. Sie hat geglaubt, das mit David sei fürs Leben, dann traf sie Roberto wieder, und David verschwand. Aus der Traum von der allabendlichen Gemütlichkeit am Kamin. Auch gut, zumindest hier und jetzt.

      »Sag mal, machen wir nun Urlaub und gehen ins Museum oder klemmen wir uns hinter die Geschichte?«, fragt sie ihn.

      »Ich vermute, meine Liebe, dass es sich dabei wieder um eine deiner rhetorischen Fragen handelt. Wir recherchieren, warum sonst sind wir nach Lima zurückgeflogen?«. Roberto nippt an seinem Kaffee und schüttelt sich: »Pfui

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