Abgelaufen. Eva Karnofsky

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Abgelaufen - Eva Karnofsky

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fragt sie ihn.

      »Vielleicht hat er Gelder des Ministeriums veruntreut. Da gibt es viele Möglichkeiten.«

      »Seine Projekte werden vor allem von internationalen Organisationen finanziert, ein Teil der Kohle stammt aus Deutschland, von einer privaten Entwicklungshilfeorganisation. Und soweit ich weiß, kontrollieren die ziemlich genau.«

      »Mag sein, Rosa-Li, aber er muss zumindest mit dem Gesundheitsministerium zusammenarbeiten, wenn er in deren Bereich tätig ist. Ich denke, wir sollten gelassen abwarten, was uns dieser Henry erzählt.«

      Radio Reloj erweckt schon von außen den Eindruck, als sei jeglicher Erfolg bislang an dem Sender vorbeigegangen. Von dem Einfamilienhaus im Stadtteil Miraflores blättert die hellblaue Farbe, das Eingangstor hängt schief in den Angeln, und der Garten bräuchte dringend eine pflegende Hand. Ein Messingschild, das schon lange nicht mehr poliert worden ist, weist die Radiostation als Programm für ein freies Peru aus. Rosa-Li fürchtet das Schlimmste. Sie verabscheut Weltverbesserer mit journalistischem Mäntelchen.

      Der Chefredakteur stellt sich als Torres vor. Seinen Vornamen verschweigt er, entgegen journalistischen Gepflogenheiten. Er hat mit dem Kollegen Antonio Neustadt nicht das Mindeste gemein. Er ist alterslos, klein und rundlich, sein beigefarbener Wollpullover wurde am Kragen gestopft und spannt über dem Bauch. Torres beäugt die beiden durch eine dicke, altmodische Brille mit viereckigem, schwarzen Rand, die aus den Fünfzigerjahren stammen muss. Widerwillig bittet er die beiden in sein Büro. Er weist ihnen zwei Plastikgartenstühle zu, die er vorher mit der Hand vom Staub befreit. Von Small Talk hält er nichts, von Umgangsformen auch nicht.

      »Was wollen Sie? Es ist Sonntag«, blafft er sie an.

      Roberto erspart sich lange Erläuterungen. »Wir suchen Henry Salinas.«

      »Wozu?«

      »Ganz einfach: Wir möchten gern mit ihm sprechen.«

      »Worüber, wenn ich fragen darf?«.

      »Das würden wir ihm gern selbst sagen. Es handelt sich um eine vertrauliche Angelegenheit.«

      »Ich bin sein Chef, und sämtliche Themen, die mit dem Sender zu tun haben, laufen über meinen Tisch. Sie müssen mir also schon sagen, worum es geht.«

      Rosa-Li schaltet sich ein, denn Torres und Roberto sind sich ganz offensichtlich alles andere als sympathisch. »Ich komme aus Deutschland und recherchiere über das peruanische Gesundheitswesen. Eine Kollegin hat mir gesagt, dass Henry da gut Bescheid weiß und sich ab und zu ein paar Soles verdient, in dem er ausländische Journalisten bei der Recherche unterstützt. Mein kolumbianischer Kollege war so nett, mich hierher zu begleiten, weil er ein Auto hat.«

      Torres nickt, und sein verkniffenes Gesicht entspannt sich ein wenig. »Ja, das stimmt, meine Leute verdienen sich hin und wieder etwas nebenbei. Wir sind ein Sender, der von Spenden lebt, da können wir uns keine üppigen Gehälter leisten. Das ist der Preis, den wir für unsere Unabhängigkeit vom kapitalistischen System zahlen.«

      Am liebsten hätte Rosa-Li laut gelacht und ihn gefragt, woher denn wohl seine Spenden stammen. Doch zweifellos aus den Portemonnaies großzügiger Vertreter des so geschmähten Kapitalismus. Doch sie verkneift es sich. Der Kerl wird es ohnehin nicht begreifen, oder besser: nicht begreifen wollen. Wenn sie sich nicht sicher wäre, dass mit der linken Terrororganisation Leuchtender Pfad zumindest in der Hauptstadt gründlich aufgeräumt worden ist, würde sie Torres für einen Sympathisanten der Gruppe halten. Er wirkt verbiestert und verbohrt wie die Terroristen, die sie mal vor Jahren in San Juan de Lurigancho im Gefängnis erlebt hat. Die schlampige, altmodische Kleidung ist ebenso typisch für sie wie die brüske Art. Aber wahrscheinlich ist Torres nur ein armer Schlucker, dem es an grauer Masse fehlt und der in den kommerziellen Radiostationen keine Chance hat.

      »Also, Salinas ist seit vergangenem Freitag nicht mehr im Sender gewesen. Ich habe keine Nachricht von ihm und weiß daher auch nicht, wann er wiederkommt.«

      »Woran hat er denn zuletzt gearbeitet?«, fragt sie.

      »Er wollte für zwei Tage nach Cusco, für eine private Recherche. Aber bis jetzt ist er weder zurückgekehrt, noch hat er sich gemeldet. Obwohl er heute eigentlich Dienst hätte.«

      »Bei der Recherche, ging es da zufällig auch um Gesundheitspolitik?«, hakt Rosa-Li nach.

      »Da bin ich überfragt, aber es würde mich nicht wundern, denn bei Salinas geht es fast immer um Gesundheitspolitik. Er ist bei uns dafür zuständig.«

      »Das heißt, da kennt er sich sehr gut aus? Dann wäre er ja wirklich der richtige Mann für mich. Zu dumm, dass er nicht da ist.« Rosa-Li macht ein enttäuschtes Gesicht. »Wären Sie wohl freundlich, ihn zu bitten, mich anzurufen, wenn er sich meldet? Sie können ihm ruhig schon sagen, eine deutsche Kollegin hätte gern seine Hilfe.« Sie reißt einen Zettel von ihrem Notizblock, schreibt ihre Handynummer darauf und drückt Torres das Papier in die Hand. Der nickt, schiebt es in seine Hosentasche und steht auf. »War es das?«.

      »Das war es«, antwortet Rosa-Li und erhebt sich ebenfalls. Von dem würden sie nicht mehr erfahren. Zum Abschied gönnt Kollege Torres ihnen ein Kopfnicken.

      Kapitel 5

      Rosa-Li hat Roberto nicht davon abbringen können, für die Tour nach Satipo den alten Jeep gegen ein neues Modell zu tauschen. Sie zöge es vor, nicht aufzufallen, erklärte sie ihm, doch sie erntete damit nur einen Lacherfolg. Groß und für peruanische Verhältnisse blond, sei sie doch ohnehin bereits von weitem als Europäerin oder Nordamerikanerin zu erkennen, da käme es auf das Auto auch nicht mehr an. Er sei aus dem Alter heraus, stundenlang am Straßenrand zu stehen, um den Wagen zu reparieren, war sein Argument, dem sie nicht viel entgegenzusetzen hatte. In den Kordilleren mit der dünnen Luft brauche man außerdem einen guten Motor, und mit schlechten Bremsen in die Berge zu fahren, sei ihm zu gefährlich. Auch wieder wahr. Sie konnte ihn lediglich überreden, eine Diebstahlversicherung für den Leihwagen abzuschließen. Als sie die Rechnung für den eleganten, weißen Off-Roader sah, musste sie schlucken. Roberto beglich sie, ohne mit der Wimper zu zucken.

      Ihr Schädel brummt, sie hat gestern eindeutig zu viel getrunken. Sie leidet still vor sich hin, denn Robertos Spott wäre ihr sicher, wenn sie sich jetzt beklagte. Er hat ihr mehrfach eindeutige Blicke zugeworfen, als sie sich am Abend von Jorge immer wieder Rotwein nachschenken ließ. Schließlich hatte sie mittags bereits mit Pisco Sour angefangen, das hält der beste Kopf nicht aus, jedenfalls nicht, wenn man um fünf Uhr aufstehen muss. Doch auch darauf hat Roberto bestanden, weil er vor Einbruch der Dunkelheit in Satipo sein will.

      Die Bahnstrecke zum Gipfel des Ticlio verläuft neben der Straße, und Rosa-Li ist froh, dass sie die Tour nicht mit dem Zug machen muss. Allein bei dem Gedanken, über die vielen schmalen Eisenbahnbrücken fahren zu müssen, die über die tiefen Schluchten und Täler führen, werden ihr die Knie weich.

      Roberto macht an einer Raststätte Halt. Sie sind auf dreitausendfünfhundert Meter Höhe angelangt, das besagt zumindest ein Schild. Als Rosa-Li die Autotür öffnet, reißt der Wind sie ihr fast aus der Hand. Eisige Kälte schlägt ihr entgegen. In der Gaststätte ist es auch nicht viel wärmer. Sie bestellen Coca-Tee, der angeblich die dünne Luft besser ertragen lässt, doch sie selbst hat davon nie etwas gespürt. Ihr Kreislauf sackt trotzdem ab. Aber der Tee wärmt wenigstens durch.

      Einige Männer am Nebentisch sitzen vor riesigen Tellern mit dampfender Suppe aus Mais, Kartoffeln und fettem Schweinefleisch. Ihr würde schlecht, wenn sie die in dieser Höhe essen

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