Abgelaufen. Eva Karnofsky

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Abgelaufen - Eva Karnofsky

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treten in eine kleine Wohnstube, die von zwei knallrot geblümten Plüschsesseln und einem Fernseher beherrscht wird. In einem Wandregal drängt sich Nippes, Porzellantänzerinnen auf einem Bein in Rosa, eine Barbiepuppe in einer Tracht des Andenhochlandes und ein großes Foto in einem breiten Goldrahmen, den Plastikblumen zieren. Das Bild zeigt einen jungen Mann mit ernsten Augen und von Gel glänzendem, schwarzen Haar. Das muss ihr Sohn Henry sein.

      Frau Salinas bittet die beiden, in den Sesseln Platz zu nehmen, und will sich einen der Holzstühle aus dem Gastraum holen, doch Roberto, ganz Kavalier, springt wieder auf und erledigt das für sie. Rosa-Li versinkt fast in dem Plüschmonster.

      »Hat Ihr Sohn Ihnen nicht gesagt, wo er hingefahren ist?«, hebt Roberto von Neuem an. Die Frau schaut ihn an. »Wie soll ich denn wissen, ob ich Ihnen trauen kann?«, fragt sie.

      »Haben Sie schon mal Los amigos de Roberto gesehen?«, fragt Rosa-Li, »das Programm aus Kolumbien?«.

      Da hellt sich Frau Salinas´ Gesicht auf, und sie strahlt Roberto an. »Sie kamen mir doch gleich so bekannt vor. Natürlich! Sie sind Roberto! Ja, das ist aber eine Überraschung! Dass ich Sie nicht sofort erkannt habe! Aber wer kann denn damit rechnen? Da wird sich mein Henry aber freuen.« Sogleich wird sie wieder ernst. »Also, er ist am Freitag nach Cusco gefahren, er wollte sich dort gestern mit jemandem treffen. Es ging um Geld. Mama, wenn ich zurück bin, kann ich dir endlich den neuen Gasherd kaufen, hat er gesagt. Aber bis jetzt ist er nicht wieder aufgetaucht. Nicht einmal angerufen hat er mich. Das ist sonst gar nicht seine Art. Und sein Handy ist auch ausgeschaltet. Er ist mein einziges Kind, und er weiß, dass ich mir immer Sorgen um ihn mache.« Sie schaut Roberto bekümmert an. »Ihm muss etwas passiert sein, sonst hätte er sich längst gemeldet.«

      »Wenn er sich verstecken wollte: Haben Sie eine Idee, wo er hingehen würde?«, fragt Rosa-Li.

      Sie nickt. »Nach Satipo. Da wohnt Elena, Elena Cruz, seine Freundin. Sie ist Krankenschwester, wissen Sie, und hat dort eine gut bezahlte Stelle gefunden. Er fährt häufig dorthin. Immer, wenn seine Arbeit es zulässt.«

      »Satipo? Wo liegt denn das?«. Roberto schaut Rosa-Li fragend an, doch auch sie zuckt die Schultern.

      »So genau weiß ich es auch nicht, aber es ist sehr weit. Er ist immer etliche Stunden mit dem Bus unterwegs. Man muss die Kordilleren überqueren. Und es ist sehr warm dort, das hat Henry mir erzählt«, erklärt seine Mutter.

      »Was macht Ihr Sohn eigentlich beruflich?«, will Roberto wissen. Frau Salinas steht auf, holt aus der angrenzenden Küche ein kleines Transistorradio und schaltet es ein. »Ich höre ihn immer«, sagt sie stolz. »Radio Reloj heißt der Sender. Er geht immer zur Regierung, spricht dort mit wichtigen Leuten und erzählt im Radio, was sie ihm gesagt haben.«

      Er ist also auch Journalist. Umso interessanter wäre es, mit ihm zu sprechen, denn womöglich ist er an der gleichen Geschichte dran wie die Tote, jubelt es in Rosa-Li.

      Die Frau erhebt sich erneut und reicht Roberto einen Zettel. »Hier hat er mir die Telefonnummer aufgeschrieben. Ich habe da heute früh schon angerufen, aber sie wissen auch nicht, wo er ist. Ich habe sogar schon dran gedacht, bei der Polizei nach meinem Sohn zu fragen, doch Henry sagt immer, sie tauge nichts.«

      »Da könnte er Recht haben. Am besten ist, Sie warten noch damit. Sobald wir etwas wissen, sagen wir Ihnen Bescheid«, verspricht Roberto der besorgten Mutter und rät ihr, zunächst mit niemandem über Henrys Verschwinden zu sprechen. Und wenn jemand nach ihm fragt, soll sie unter keinen Umständen erwähnen, dass er in Satipo sein könnte.

      Sie plaudern noch ein wenig, und Frau Salinas lässt sie erst ziehen, nachdem sie ihre Antichuchos probiert haben. Nur mit Mühe bringen sie sie davon ab, ihnen auch noch ein paar von den Rinderherzspießen einzupacken.

      »Auf nach Satipo«, schlägt Rosa-Li vor, als sie wieder im Wagen sitzen.

      »Ich glaube, vorher sollten wir uns noch ein wenig um die peruanische Medienlandschaft kümmern. Was hältst du davon, wenn wir mal bei Radio Reloj vorbeischauen? Es ist zwar Sonntag, aber vielleicht haben wir doch Glück. Journalisten arbeiten ja auch am Wochenende. Und mit Alejandras Chef in der Nación würde ich mich auch gern unterhalten. Vielleicht bringt uns das weiter.«

      »Dann lass uns erst zur Nación fahren, das liegt auf dem Weg. Soviel ich weiß zumindest.« Rosa-Li lacht und vertieft sich wieder in den Stadtplan.

      Limas größte Tageszeitung ist in einem alten Gebäude im Zentrum untergebracht. Die makellose rote Fassade mit dem hellen Stuck muss erst kürzlich restauriert worden sein. Rosa-Li ist fasziniert von dem riesigen Kronleuchter im Foyer. Sie liebt diese Staubfänger mit kristallenen Tränen, Tropfen und Kugeln. Sie hatte einmal ein bedeutend kleineres Exemplar auf einem Flohmarkt in Buenos Aires erstanden und sich im Flieger mit der Flugbegleiterin gezankt, weil die nicht zuließ, dass sie es mit in den Passagierraum nahm. Als sie das Ding zuhause auspackte, war von seiner Schönheit nicht mehr viel übrig. Stundenlang hatte sie gebastelt, Messingblätter wieder geradegebogen und Tropfen geklebt, und als sie das Ergebnis dann stolz ihrem Gatten vorführte, war der entsetzt, dass sie so etwas Kitschiges über den Esstisch hängen wollte. Noch heute ärgert sie sich, dass sie den Kronleuchter daraufhin an einen Ramschladen verkauft hat. In wesentlichen Dingen sollte frau eben nicht auf den Ehemann hören. Der Leuchter hätte gut in ihren Flur in Bonn gepasst.

      Der Chefredakteur hat Sonntagsdienst und die Frau am Empfang meldet Roberto bei ihm an. Wider Erwarten werden sie sofort vorgelassen. Bekannt müsste man sein, dann stehen alle Türen weit offen. Die Sekretärin des Chefredakteurs holt sie ab und führt sie durch dunkle Gänge, die mit Pappe ausgelegt sind. Trotz des Wochenendes wird im Gebäude heftig renoviert. Irgendwo dröhnt ein Presslufthammer. Rosa-Li würde verrückt werden, wenn sie bei dem Lärm schreiben müsste.

      Der Chefredakteur schnellt wie eine Feder hinter seinem riesigen Schreibtisch hervor, als sie sein Büro betreten. Antonio Neustadt kommt Roberto mit ausgestreckter Hand entgegen, als seien sie alte Freunde. »Ich freue mich, Sie persönlich kennenzulernen. Ich bin ein großer Bewunderer Ihrer Arbeit«, flötet er.

      Roberto bedankt sich brav für das Lob und stellt Rosa-Li vor, doch der alerte, blonde Mittdreißiger im perfekt sitzenden grauen Kaschmir-Zweireiher nimmt sie kaum wahr. Er weist mit der Hand auf die Sitzecke und bittet sie, Platz zu nehmen. Nachdem er telefonisch Kaffee geordert hat, erzählt er Roberto, dass sein Großvater die Zeitung vor fast hundert Jahren gegründet und sein Vater ihm kürzlich die Leitung übertragen hat. Er schaut leicht gequält. »Es ist eine enorme Verantwortung, schließlich gehören wir zu den Meinungsführern in diesem Land, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

      Robert versteht und nickt zur Bestätigung. Neustadt kommt Rosa-Li vor wie ein Pfau, der seine Federn spreizt. Sie schaut sich um. Über dem Schreibtisch prangt ein Universitätsdiplom in spanischer Sprache, und gleich daneben, ebenfalls in einem schweren Messingrahmen, ein weiteres, aus dem hervorgeht, dass sie einen leibhaftigen Harvard-Absolventen vor sich haben.

      Roberto kommt zur Sache. »Wir sind hier, weil wir mit Alejandra Prieto Machu Picchu besichtigen wollten.« Er macht eine Pause. »Doch dazu kam es dann leider nicht mehr. Wir sind Journalisten, und die Umstände ihres Todes ließen uns keine Ruhe, wenn Sie verstehen.«

      Neustadt versteht. Von Medienstar zu Medienstar versteht man sich. »Ach, Sie haben Alejandra da oben getroffen? Sie hat mir gar nichts davon erzählt, dass sie mit Ihnen verabredet war.« Er schaut leicht beleidigt.

      »Wir waren nicht verabredet, wir haben sie zufällig dort kennengelernt, im Restaurant des Hotels.« Von Jorge erwähnt Roberto nichts.

      »Alejandra

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