Wüste als Mahal. Ute-Maria Graupner

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Wüste als Mahal - Ute-Maria Graupner

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Ja, gut! Sie sind an dem Platz, wo wir das Junge an den Schakal verloren haben!" knurrt Ben Nadir ohne den Rhythmus seiner Schritte zu verändern.

      "Ja, treib sie mit zu Rajid! Mach's gut!" Die dunkle Gestalt nimmt den noch dunkleren Gegenstand vom Ohr, schiebt ihn in die Anoraktasche. Chrrrr surrt der Reißverschluss von Ibrahims Jacke. Der Tierhüter geht wie so oft in den letzten Tagen schweigend durch Schweigen, still durch Stille. Nur seine Schritte im Sand sind zu hören. Zeit und Raum sind von ihm nicht messbar. Ihr Ausmaß wird durch die immerwährende Ruhe verwischt.

      In der blauschwarzen Nacht bewegt sich Ibrahim auf einen kaum wahrnehmbaren hellen Bereich in der Ferne zu. Lange bevor er Rajid zu sehen bekommt, riecht er den Rauch des Feuers. Dieser Geruch bedeutet für ihn, wie für jeden Beduinen, der draußen in der Wüste arbeitet, Freundschaft, Geborgenheit, Wärme und die Sicherheit auf einen Gesprächspartner zu treffen. Schweiß gebadet erreicht er die Feuerstelle. Die Nächte Ende Oktober sind noch warm, und ein Beduine öffnet den Reißverschluss seiner Jacke nur einmal am Tag. Außer den kleinen an der Tasche, dann wenn er sein Handy oder Zigaretten herausfummelt.

      "Salemaleikum“, ertönt Ben Nadirs Stimme.

      "Maleikumsalem!" antwortet Rajid, als ob er bis an sein Lebensende Zeit hätte, diese Worte auszusprechen. Er richtet sich auf und schlägt seine Hand vor die Brust als Zeichen der Freude, seinem Freund wieder zu begegnen.

      "Wie geht es dir, deiner Familie und deinen Tieren?" Ibrahim erwartet nicht wirklich eine Antwort. Er weiß, dass Rajid keinen Kontakt mit seiner Familie hatte, seit er in der Wüste wartet bis die Chameliers alle weiblichen Tiere zusammengetrieben haben, für die sie verantwortlich sind.

      "Wie geht es dir, deiner Familie und deinen Tieren?" Auch Rajid erwartet keine Antwort, denn auch er weiß, dass sein Freund seit einiger Zeit allein in der Wüste unterwegs ist.

      "Mit Allahs Hilfe habe ich sie gefunden!" Ben Nadir seufzt.

      "Wo?" fragt Rajid.

      "Dort, wo die gebärende Dromedarkuh vom Schakal verfolgt wurde."

      "Bei Allah der Schakal kann riechen! Kannst du bei einer Frau riechen, ob sie schwanger ist?"

      "Ein besonderes Tier! Schade, dass er in die Kehle lebender Kälber beißt, wenn sie noch halb im Mutterleib stecken."

      "Ich habe beobachtet, wie die Mutter das tote Junge aus der Fruchtblase holte und sauber leckte. Drei Tage hat sie es umkreist, bis sie wieder weiter gezogen ist."

      "Hast du den Schakal auch gesehen?"

      "Nein, er hat sich wie sonst seine Beute erst geholt, nachdem ich und die Mutter weg waren. Aber ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass er immer in der Nähe war."

      "Diesmal hat keine der Stuten allein geworfen. Wenn er sich wie bei der letzten Geburt anschleichen wollte, haben ihn die anderen Weibchen vertrieben. Allah, der große Gott hat ihn woanders hin geschickt.“

      „Ja, ja! Der Schakal hat keine Aufgabe mehr, seitdem die Gazellen verschwunden sind.“

      "Diesmal ist die Herde vollständig! Von Omar sind fünf Tiere dabei, mit Alis Brandzeichen habe ich vier Stuten gesehen und mit dem von Brahim sechs. Und die drei Jungtiere." Im Schein des hellen Feuers glänzt das erhitzte Gesicht Ibrahims, und seine Augen strahlen.

      "Komm, nimm einen Tee!" Rajid, der Sohn des alten Hamed, der sich trotz seiner Blindheit völlig sicher in der Umgebung des kleinen Dorfes bewegt, steckt das braun verfärbte, kleine Teeglas in den Boden. Er dreht es zwei Mal hin und her und schwenkt es mit Wasser aus. Der dunkle Teerest vermischt sich mit dem feinen Sand und dem Wasser zu einem Brei. Im hohen Bogen schüttet er die flüssige Masse in die Dunkelheit. Dann wischt er mit dem rauen Filz seines Burnus den Rand des Glases trocken. Er setzt es neben ein rot glimmendes Stück lange Kohle, die er als bizarre Wurzel mit anderen Hölzern aus seiner dürren Umgebung heran geschleppt hatte, bevor die Sonne untergegangen ist. Dazu bedient er sich eines Stockes um den Weg abzuklopfen. Das Geräusch, wenn er auf Gestrüpp oder Holz trifft ist ihm wohl bekannt. Aus der Höhe seines aufgestellten Knies gießt er eine dunkelbraune, durchsichtige Flüssigkeit aus der verbeulten Emailkanne in die kleine Öffnung des Glases, das er mit der anderen Hand umschlingt. Selbstverständlich geht kein Tropfen daneben. Er kann am Sprudelgeräusch des Tees hören, wann das Glas voll ist, und wie heiß das Getränk ist. In Zeitlupe stellt Rajid die Kanne wieder in die zuckende Glut zurück.

      Es war immer so. In jeder Paarungszeit, in der die Freunde die frei lebenden Stuten zusammen trieben, blieb Rajid am alten Brunnen zurück geblieben, um zuerst auf Nachrichten und später auf die Freunde zu warten. Die sehenden Chameliers strömten aus, um die Dromeare ihres Dorfes zu finden und zum Brunnen zu treiben. Mit jedem Jahr wurden die Bewegungen von Rajid, dem Wartenden, etwas langsamer. Jetzt ist er perfekt im Füllen der endlosen Zeit, die Wartende zur Verfügung haben.

      Die beiden Männer liegen auf kleinen Wollteppichen und starren ins Feuer. Rajid schwört auch er könne Flammen in seiner steten Dunkelheit erkennen. Die Leiber der Männer ruhen auf der Seite und bilden eine Art Festung um die Feuerstelle. Rajid ist durch einen wollenen Umhang gegen die Nacht in seinem Rücken geschützt. Sein Burnus riecht nach Beduine, eine Mischung aus Feuer, Kamel und Tabak.

      "Wann hast du deinen Dromedarhengst aus der Wüste geholt?" Gemächlich reiht sich Wort an Wort aus Rajids Mund.

      "Vor drei ein halb Jahren!"

      "Erst fünf ein halb Jahre alt?"

      "Mhhm!"

      "Vielleicht noch zu unreif für die Paarung?"

      "Mhhm!"

      "Sollen wir lieber gleich Abdullahs Tier für die Begattung nehmen?"

      "Abdullah meint, dass mein Bulle ein besonders starkes Tier und auch jetzt schon zur Paarung fähig sei. Ich habe ihn gut im Griff. Wir werden sehen, wie er es macht."

      "Inshallah! Wir können ihn ja ablösen, wenn er nicht mehr als sieben Weibchen schafft. Es sind diesmal etwa zwanzig!"

      "Inshallah. Ich fahr dann mal", erklärt Ibrahim. "Ich hole ihn schon jetzt. Damit wir morgen beginnen können, wenn auch Selim mit den restlichen Stuten hier sein wird."

      "Bis dann." Ibrahim nimmt ein brennendes Stück Holz und hält es gegen das Gebüsch. In einen der Sträucher leuchtet es metallfarben. Er schmeißt den glühenden Stock zurück ins Feuer, kramt zwischen trockenen Blättern und Ästen ein Mofa hervor. Ein fester Tritt auf das Pedal, der Motor brummt. Fahrer und Gefährt verschwinden, schweben hinein in der Dunkelheit, als ob es keinen Weg gäbe. Es ist nur noch das nörgelnde Motorgeräusch zu hören, wenn ein Zweirad auf einer Piste mit versandeten Stellen fährt. Allmählich verliert sich das Nörgeln in der Stille der Nacht.

      Seit drei Kilometern ist Ibrahims geliebter Dromedarbulle unruhig. Seine Schritte werden größer und schneller. Immer häufiger brüllt er in die Weite hinaus, dass er zur Paarung bereit ist. Weißer Schaum leuchtet um seine Schnauze. Wie Stalaktiten tropft er aus den Winkeln des dunkelbraunen Fleisches. Seine bewegliche Gaumenblase hängt aus der Schnauze, um seine Auf- und Erregung kund zu tun. Das sonderbar weiche Stück Fleisch baumelt bei jeder Bewegung hin und her und macht deutlich, dass das männliche Tier den Geruch der fruchtbaren Weibchen wittert und reif für eine Paarung ist. Es reckt sich in die Richtung des Sammelplatzes beim alten Brunnen und stößt Brunstschreie aus. Nun weiß Nadirs Sohn, dass sich die Dromedarstuten bereits am Treffpunkt aufhalten. Das männliche Huftier richtet sich auf, wirkt bedrohlich, als ob andere

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