Wüste als Mahal. Ute-Maria Graupner

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Wüste als Mahal - Ute-Maria Graupner

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Zuchtkamel. Aber nur dann, wenn sein Hengst nicht genug Kondition für alle weiblichen Tiere hat oder kein Interesse mehr an ihnen zeigen sollte und abgelöst werden muss.

      Ben Nadirs ausersehener Bulle trottet gesättigt durch die Herde. Schaumspuren ziehen den langen gebogenen Hals hinunter. Auf seinem Maul thronen Schaumkrönchen, als ob Rasierschaum nicht vollständig entfernt wurde. Die Dhula baumelt im Gleichklang seiner Hufe. Er ist der Größte, bei Allah man sieht es an seinem Gang! Ibrahim Ben Nadir Ben Chemel beboachtet, mit welcher Ruhe sich das Tier seiner Aufgabe widmet. Es schnuppert wieder bei welchen Weibchen es sich lohnt, das Liebesspiel erneut zu beginnen. Es wurde zu Recht als Deckhengst ausgewählt, und auch der Besitzer fühlt sich auserwählt. Allah ist auf seiner Seite. Sein Bulle weiß, was zu tun ist. Er kann die weiteren Paarungen der Natur überlassen. Der Gigant beginnt erneut das Liebesspiel, jagt eine Stute, deren Duftnote Bereitschaft signalisiert, stupst gegen sie, drückt sie nach unten, bis sie zu Boden geht. Durch die Trockenheit ertönen gurgelnde Geräusche, als ob Luft in ein mit Wasser gefülltes Gefäß geblasen wird. Ibrahims Dromedar beginnt den nächsten Aufritt, ebenso gemächlich wie jenen davor. Wie ein Tourist am Spätnachmittag in einer Hollywoodschaukel wiegt er sich in den Höhepunkt hinein, bleibt auf seiner Kuh sitzen, schaut sich immer wieder um. Irgendetwas in ihm erinnert ihn stets daran, dass normalerweise in der Natur konkurrierende Bullen auftreten können. Dann gleitet er von der Begatteten herunter, schwingt sich in den Stand, trottet zum Wassertrog und schlürft ihn in kürzester Zeit leer. So wie es die Herdentiere tun, die zwei Wochen lang trockene Sandregionen durchquert haben, und an einem Wasserloch in weniger als zehn Minuten 100 Liter Wasser in sich hinein saugen können!

      Wieder durchquert er das Rudel der Stuten, bleibt hier und da stehen, untersucht schnüffelnd weiblichen Urin auf Empfängnisbereitschaft. Er frisst von dem aufgehäuften Weizen! Das ist ein gutes Zeichen! Bei Allah! Die Chameliers wissen davon zu berichten, dass oft Bullen nach zwei Wochen Saison d'Amour völlig ausgemergelt sind, weil sie ein Drittel ihres Gewichts verloren haben. Doch dieser Dromedarhengst verfügt über Ruhe. Sie wird die Kraftquelle seiner Deckungsarbeit sein. Denn sein Instinkt leitet ihn an, erst dann wieder zu schlafen, wenn alle Weibchen befruchtet sind. Die Tierhüter jedoch können in den nächsten Tagen beruhigt schlafen. Das Gebrüll, das Gegurgel und die Urschreie der sich Paarenden werden sie in den Schlaf wiegen und ihnen die Sicherheit geben, dass der ausgewählte Bulle seinem Status, auserwählt zu sein, gerecht wird.

      Die Geräusche verlieren sich allmählich und im selben Tempo kehrt die Stille an den Ort zurück. Bald wird sich der Raum wieder in ihr verlieren und nichts auf die Unruhe gelungener Begattungen hinweisen. Die zurückbleibenden Dromedarstuten erheben ihre langen Hälse, wenden sich ab von den wenigen Weizenkörner, die Ibrhaims Bulle nicht in Begattungsenergie umgesetzt hat. Den weiblichen Tieren sind sie nicht als Nahrungsmittel vertraut, weil es sie in der Freiheit der Wüste nicht gibt. Sie blicken der sonderbaren Karawane hinter her. Zwischen Wüstentieren schlürfen Männern in Jeans und weiten Wollgewändern, die bis eben noch über das starke Kamel gesprochen haben! Bei Allah Ibrahims Hengst hat alle Weibchen bestiegen! Ein schon kaum mehr hörbares Mofa quetscht sich durch rutschigen Sand. Die drei Transportkamele von Rajid schaukeln gemächlich durch die Dünen. Vor ihnen trottet ohne Packtaschen Ben Nadirs sichtbar dünn gewordener Dromedarhengst. Seine Dhula ist nicht mehr zu sehen. Vorbei das Schaumgestöber und die Brunftschreie!

      Die begatteten Weibchen verschmelzen wieder mit ihrem vertrautem Terrain der beruhigenden Eintönigkeit. Sie werden sich und ihre Frucht von pieksenden Sträuchern und trockenem Blattwerk ernähren, während sie in kleinen Gruppen abwandern, in verschiedene Richtungen streben, je nachdem von welchen Salzpflanzen und grün schimmernden Dornengestrüpp sie sich verlocken lassen, oder aus Gott weiß welcher Richtung sie dem Geruch des bis zu 30 Kilometer entfernt liegenden Wasser folgen.

      Im Laufe des unendlich langen Jahres werden die Hirten ab und zu in die Wüste gehen, nur mit der Kleidung, die sie auf dem Leib tragen, und der Hirtentasche aus Ziegenwolle voll mit Proviant. Wenn sie Grüppchen der Huftiere gefunden haben, deren Brandzeichen sie kennen, schauen sie nach, ob sie trächtig sind. Und die Stuten werden ihnen vertrauen, weil auch sie die Männer am Geruch wieder erkennen. Die Chameliers begrüßen die neue Generation, die 13 bis 14 Monate nach der Saison d'amour das Licht der Wüste erblickt. Sie wissen, dass sie bei den Geburten nicht benötigt werden. Der einzige Feind trächtigen Stuten, der Schakal, ist selten geworden. Er hatte auch nie viel Chancen an die Neugeborenen heranzukommen. Und die Kamelhüter werfen einen Blick auf die Säuglinge, ob sie sich gut ernähren können und auf die Jungtiere, wie weit sie in ihren ersten zwei Lebensjahren durch ihre kleine Gruppe weiblicher Dromedare geschützt werden. So war es schon immer, so ist es, und inshallah so wird es auch morgen noch sein.

      ÜBERRASCHUNG unerwarteter Gefühle

      „Ja, ist gut, ich komme. Ich organisiere einen Wagen, um euch abzuholen", sagt Omar am Telefon.

      Eine innere Aufregung, als Esthes seine Stimme hört. Nein, das kann nicht sein. Sie muss sich getäuscht haben.

      Sie hatte Ihre Frauen oder Mädels, so wie sie ihre Reisebegleiterinnen bezeichnet, zu ihrem geliebten Campingplatz im Wüstensand geführt. Dort wollen sie sich für den Gang in die Wüste vorbereiten und an das fremde Klima gewöhnen.

      Aber Ria hat Migräne. Hilde ist es zu viel Betrieb. Sylvia mag generell keine Campingplätze und hat sich nur angeschlossen unter der Voraussetzung vor Ort „nein“ sagen zu können. Karla passt sich grundsätzlich der Meinung von Gudrun an, die sich selten äußert. Anne ist zu müde, um irgendeine Entscheidung zu treffen und überhaupt... Also ruft Esthes bei Omar an, dass er einen Wagen kommen lassen möge, damit sie in das einfache, ruhige Hotel des Beduinendorfes umziehen können.

      Esthes sitzt mit einigen der Mädels bei einem Büchsenbier in ihrem Zimmer, wie Mohamed der wichtigste Mann am Platz, die kleine Sitzecke unter den Palmenwedeln nennt. Dort hatte die von der Region begeisterte Frau schon mehrere Wüstenaufenthalte vorbereitet und auf der Bank der Sitzecke ihr Bett aufgeschlagen. Auf Esthes Lieblingscampingplatz ist trotz Islam und Ramadan Billigbier erhältlich. Esthes weiß in diesem trockenen, alkoholfreien Land dieses Getränk besonders zu schätzen. Die anderen trinken Tee oder Wasser. Ria sitzt in irgendeiner Dunkelheit und versucht, ihre Migräne so unbelastet wie möglich vorüberziehen zu lassen. Karla erforscht die Campingplatz-Umgebung.

      Omar kommt also. Esthes wird ihn schon heute Abend sehen und nicht erst morgen früh zur Besprechung ihres Vorhabens. Ein kleiner Schmetterlingsschlag in ihrem Brustkorb. Hat sie ihn überhaupt bemerkt? Sie wird die alten Themen souverän übergehen. Sie wird nicht einmal erwähnen, dass es alte Themen gibt. Wie ein sich anschleichendes Tier taucht das fast schwarze Gesicht von Omar im Lichtkegel auf. Hilflos lächelnd erhebt sich Esthes, um die Begrüßungszeremonie der vier Rechts-Links-Küsschen zu vollziehen. Der Beduine riecht nach Dromedar, Tabak und Männerschweiß. Seine Haut sieht gegerbter aus. Er hat offensichtlich viel im Freien gearbeitet. Seine Härte der Gesichtszüge wird unterstrichen durch die viel zu kurzen Haare. Es bedarf keiner Nachfrage, so wie früher. Was zwischen ihm und ihr war, es ist vorbei. Die blauen Augen der Europäerin wandern in dem vertrauten Gesicht umher. Diese Selbstverständlichkeit besteht noch immer. Ruhig hält der Mann mit den braunen Augen ihrem Blick stand, sagt kein Wort bis sie damit zu Ende ist. Sein Sweatshirt mit den durchgewetzten Stellen passt in Esthes Augen nicht zu seinen ordentlichen Jeans. Es ist egal. Es geht sie nichts mehr an. Sie weiß, sie kann sich als Guide auf ihn verlassen, das reicht.

      Sie gehen zum Wagen und beginnen die vielen Taschen und Rucksäcke aufzuladen. Die Frauen sind müde. Omar und Esthes arbeiten allein. Sie hebt die Hände, um ein weiteres Gepäckstück aufzunehmen und es zum Kofferraum zu tragen. In dem Moment streckt auch Omar seine Hände aus, drückt sie an die ihren. Er lacht wie bei seinen geliebten Raufspielen und schiebt sie sanft nach hinten. Sie lacht auch und erschrickt. Ganz selbstverständlich hat sie mitgemacht, als hätte es das letzte Jahr nie gegeben. Okay,

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