Wüste als Mahal. Ute-Maria Graupner

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Wüste als Mahal - Ute-Maria Graupner

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wollen. Die Frauen wissen dann, auf was sie sich einlassen und können auch nein dazu sagen.“

      „Haben sie vor der Ehe Freundinnen?“ fragt Hilde.

      „Nein, die Beduinen nicht.“ Esthes dreht sich zu Hilde. „Und weißt du, Monji hat feste Werte. Er möchte erst sicher sein, dass er seiner zukünftigen Frau eine Lebensgrundlage bieten kann. Da sein Bruder noch nicht erwachsen ist, steckt er noch in der Verpflichtung für die Existenz seiner sehr großen Herkunftsfamilie mit aufzukommen.“

      „Ziehen die Frauen mit in die Familie der Männer?“ erkundigt sich Karla.

      „Meist wohnt die neue Frau nach der Heirat in die Familie des Mannes und bezieht mit ihm eine eigene Hütte innerhalb des Familienverbandes. Aber die umgekehrte Variante gibt es mittlerweile auch. Das ist dann schon sehr modern", erklärt Esthes.

      Sie war von ihren Reisebegleiterinnen gebeten worden, eine typische Beduinenfamilie besuchen zu dürfen. Daraufhin hatte sie Monjis Familie gewählt, weil die Beduininnen des Hauses während des Winterhalbjahres oft ihre Webarbeiten über die sandige Fläche des Hofes gespannt haben. Es ist eine Attraktion für Menschen aus Europa. Außerdem besitzt Monjis Familie zusätzlich einen Webstuhl, der den Raum einer Hütte einnimmt und das ganze Jahr zu bewundern ist. Er ist stabil aus knorrigen Ästen und unbearbeiteten Stöcke gebaut, die so verwendet wurden, wie sie am Baum gewachsen waren. Ein Kunstwerk, findet Esthes.

      Omar hält das Zugtier an. Die Charette steht vor dem Hof von Monjis Familie. Die Gruppe der Touristen begibt sich vom Karren, und Brahim steuert ihn wieder zurück. Allah hat es gut mit den Frauen gemeint, es ist tatsächlich über den Hof eine Webarbeit gespannt. Sie ist mit einfachen Stöcken und eckigen Steinen im Sand fixiert. Das Gewebe befindet sich nur etwa handbreit über der Erde. Monjis Mutter und seine Tante müssen kniend arbeiten, wenn sie weben. Die weißen Frauen stehen staunend vor dem einfachen Gebilde. Esthes erklärt, dass es etwa zwei Wochen dauert, bis ein Stoffstreifen für ein Beduinenzelt fertig ist. Und ein Zelt besteht aus vielen Stoffstreifen. Auf diese Art werden auch die Barnushat, die Wollcapes der Beduinen, sowie die Rhascharbirhat, die kleidartigen Mäntel für den Winter, hergestellt.

      Monjis Großmutter, Ghama, ist blind. Sie greift temperamentvoll nach Esthes Hand und küsst sie. Das hat sie schon immer getan. Ghama hatte ihr auch schon frisch gekochte Eier geschenkt, die köstlich schmeckten, weil ihre Erzeugerinnen den ganzen Tag im Sand picken dürfen. Sie freut sich immer, wenn Esthes kommt, obwohl sie nur wenige Worte miteinander austauschen können. Neben Monjis Großmutter sitzt seine ebenfalls betagte Großtante, Faiza, auf einer Matte im Sand. Die beiden Alten haben ihre geblümten Kopftücher locker über das graue, gelockte Haar geschwungen. Sie tragen weite bunte Gewänder, unter denen sie geschickt und wendig beim Plaudern ihre Positionen auf der Erde wechseln, als wären sie junge Mädchen beim Bodenturnen.

      Die alten Damen zeigen völlig frei und ungeniert ihre Empfindungen in ihren vom Leben zerfurchten Gesichtern. Esthes erschrickt. Sie hat als Touristenangebot einen Familienbesuch organisiert. Im Gegensatz zu den reifen Frauen, die sich ihre Offenheit ein Leben lang erhalten haben, wirken die Europäerinnen mit ihren wohl platzierten Masken wie unbeteiligte Eindringlinge in ein fremdes Leben. Esthes kommt sich wie eine Verräterin vor. Sie hat das Leben dieser Menschen den Betrachtungen der Touristen preisgeben. Es gab schon immer Mitreisende, die sie in ihrer Begeisterung für die Mentalität der Beduinen mit in die Familien genommen hatte. Anschließend wurde sie mit einer Fülle von europäischen Beurteilungen überhäuft, die letztlich nie das gesamte Miteinander dieser Menschen hier erfassten. Es ist ein Eindringen in eine Privatsphäre, die nur jenen zugänglich sein sollte, die das Leben dieser Menschen mit dem Herzen sehen können.

      Die Mädchen des Hauses erscheinen im Hof, um die Reisegruppe zu begrüßen. Hadhom wiegt schüchtern ihren Kopf mit den dunklen, langen Zöpfen hin und her, während sie Hilde die Hand reicht. Esthes umarmt Monjis Mutter und seine Tante, die trotz ihrer vielen Arbeit eine der schönsten Frauen ist, die Esthes je gesehen hat. Die Taschen mit der Kleidung werden überreicht. Monji übersetzt die Bitte, auch den wirklich armen Nachbarn etwas davon abzugeben. Monjis Familie ist für die Verhältnisse des Dorfes der Halbnomaden reich. Es ist selbstverständlich, dass die Armen an Geschenken teilhaben dürfen.

      „Wer lebt denn hier alles?" fragt Ria. Sie macht mit der Hand einen Bogen durch die Luft, der die vielen Hütten- Eingänge umreißt. Nur zögerlich berichtet Esthes, weshalb so viel Menschen hier leben. Monji war erst 13 Jahre alt, als sein Vater starb. Man fand den Leichnam in der Wüste erst eine Woche nach seinem Tod. Er war bereits von Vögeln zerfressen, so dass keiner mehr feststellen konnte, woran er so früh gestorben war. Seitdem leben Monji, seine Geschwister und seine Mutter hier bei seinem Onkel. Unter den Beduinen ist es selbstverständlich, dass der Bruder des Verstorbenen Witwe und Kinder bei sich aufnimmt. Monji ist die rechte Hand des Onkels geworden und trägt mehr und mehr die Verantwortung für die Großfamilie.

      Esthes möchte sehen, ob die Küche, an der Monji seinerzeit gebaut hatte, fertig gestellt ist. Stolz führt der junge Mann Esthes in den Raum. Es gibt richtig glatte Wände, die sogar weiß gestrichen sind. Das Küchenzubehör steht auf dem Boden. Ein Fetzen eines Webstoffs dient als Sitzgelegenheit. Das hat sich also nicht geändert. Auch die neue Küche bietet die übliche Bodennähe eines traditionellen Beduinenlebens.

      Der Stall von Monjis Familie ist idyllisch an einer Sanddüne angelegt. Er besteht aus Palmenwedeln und knorpeligen Ästen, die miteinander verwoben und verhakt sind. Oberhalb des Verschlags wachsen drei Palmen, die den Tieren Schatten spenden. Esthes ist sich sicher, dass das Nest den Frauen gefallen könnte. Sie gehen zusammen zu den Tieren, dem Stolz jeder Großfamilie. Der Sand der hohen Düne ist sehr weich. Dagegen ist der Platz, auf dem Ziegen, Schafe und Hühner mit einander leben durch die Tiere fest getrampelt worden. Würde man auf eine der drei Palmen sitzen und hinunter schauen, könnte man verstehen, weshalb Esthes von einem Nest spricht.

      Trotz der Idylle, die von der einfachen Viehhaltung ausgeht, ertönen Worte der Skepsis. Das sei ja nicht gerade hygienisch. Der erste Kontakt mit Monjis drei Dromedaren, die neben dem Nest an einer langen Kordel im Sand stehen und neugierig glotzen, ist noch verhalten. Die Frauen waren diesen großen Tieren noch nie so nahe gekommen. Sie erschrecken als ein großer Kopf mit großem Maul durch die geschwungene Halsrundung wie ein Schwenkarm auf sich zukommt. Man fühlt sich konfrontiert mit unberechenbarer Fremdheit. Aber diese Vegetarier sind harmlos. Die Mädels werden sich schon an sie gewöhnen.

      Als die Gruppe vom Stallbesuch in den Hof zurückkehrt, sitzen die beiden Großmütter immer noch im Sand zwischen den Hütten. Eigentlich saßen sie immer da, wenn Esthes zu Besuch kam. Das ist im Alter die Tagesbeschäftigung der Beduinen. Durch das Auf und Ab der Familienmitglieder finden sie Abwechselung und Unterhaltung. Esthes Reisebegleiterinnen haben Durst. Sie bittet um Wasser. Monji verschwindet hinter dem Rücken seiner Großtante mit einer Wasserflasche in der Webstuhlhütte. Die Durstigen werden einzeln herein gerufen, um die beiden alten Damen nicht zu brüskieren. Ja, es ist Ramadan, und Monjis Familie ist sehr religiös. Die europäischen Frauen kichern über dieses Abenteuer.

      Die Verabschiedung ist herzlich. Alle dürfen jederzeit wieder kommen.

      Langsam trotten die Touristen auf trockenen Sandwegen Richtung Hotel. Es staubt. Die Sonne brennt.

      „Ich finde, die Menschen hier haben einen sehr warmen Gesichtsausdruck. Aber die schlechten Zähne, Stummel und Zahnlücken sind gewöhnungsbedürftig", meint Gudrun. Esthes hatte schon häufig erlebt, dass die Zähne, die zwischen dunklen Lücken gelb-bräunlich hervortreten als schockierend empfunden werden.

      „Ich gehe mal davon aus, dass es hier keine Zahnarztbesuche gibt", erwägt Karla.

      „Nein, der ist zu teuer. Und hier im Dorf gibt es auch keinen", bestätigt Esthes.

      „Man

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