Wüste als Mahal. Ute-Maria Graupner

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Wüste als Mahal - Ute-Maria Graupner

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sich vertrauensvoll, nackt und bloß in ihrem ockerfarbigen Kleid in die Hände eines Menschen begeben, mit dem sie nur über eine fremde Sprache kommunizieren konnte, die auch nicht seine Muttersprache war. Ihre Beine waren so wackelig gewesen, dass sie meinte, nie eine lange Strecke zu Fuß aushalten zu können.

      Die Karawane der Frauen passiert den Wassergraben, der zur Bewässerung der Oasengärten dient. Genau an dieser Stelle sagte Esthes damals: „Ich habe Angst.“

      „Ich weiß!“ erwiderte Omar, „ich auch.“ Als das Paar bei seinem ersten Gang allein in die Wüste die Gärten und ihre Beobachter hinter sich gelassen hatten, nahm Omar Esthes Hand. So viel Hand und so viel Erregung war sie nicht mehr gewohnt. Omar hatte geschwiegen. Die Europäerin starrte auf die unterschiedlichen Farbtöne des Sandbodens unter ihren Füssen. Sie lauschte auf die Schritte und das Summen der Insekten. Sie spürte die verschiedenen Temperaturen in ihrem Gesicht, die der Wind heran trug. Verzweifelt rang sie nach Worten, um den heftigen Empfindungen in ihrem Inneren zu entgehen. Völlig sinnlos, denn sie war auf dem Weg hinein in die Wüste, die Weite, die Kargheit und die Stille, wo es kein Ausweichen gab. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie jemals in ihrem Leben diesen Gang vergessen würde.

      ES WAR EINMAL, und es ist noch

      Die Frauen plaudern munter, schreiten leichtfüßig durch den Sand. Es scheint keine Schwierigkeiten zu geben mit dieser Gruppe. Esthes und Omar würden viel Zeit für einander haben.

      Esthes hört die Kommentare, das man einiges ändern könnte hier. Dass sich die Frauen auch ein kulturelles Dorfleben erarbeiten müssten, die von Männern besetzen Cafés erobern oder sich gleichermaßen Kommunikationsorte schaffen könnten. Sie kennt diese Ideen von anderen Mitreisenden. Die meisten arabischen Frauen, mit denen sie hier darüber gesprochen hatte, wollen gar nicht in Cafés gehen. Sie sagen, dass ihnen die Gespräche der Männer nicht wichtig seien, und dass es ganz normal sei, dass Männer und Frauen unterschiedliche Interessen haben. Auch Esthes glaubte zu Beginn ihrer Aufenthalte am Wüstensaum, dass es wichtig für die Frauen sei, es den Männern gleich zu tun. Mittlerweile weiß sie, dass hier im Nachahmen der Männer nicht die Befriedigung der Bedürfnisse der Frauen hier liegt. Vielleicht wäre es interessant zu beobachten, was passieren würde, wenn die Frauen ihr Selbstbewusstsein mehr nach außen zeigen würden. Esthes hat beobachtet, dass in dieser Region eine andere Art der Emanzipation stattfindet. Ganz heimlich und leise stürmen die Frauen die Universitäten und machen den größeren Part der Akademiker aus. Im Grunde vertun sie nicht ihre Zeit mit lauten Kämpfen gegen die Welt der Männern, sondern diejenigen, die erkannt haben, dass sie ihr Leben verändern wollen, tun es im Stillen und behalten sich damit einem großem Teil ihrer Kraft, für das, was sie wollen. Ob es das ist, was die Männer tun, spielt dabei keine entscheidende Rolle. Esthes erscheint dieser Weg sehr klug. Sie hofft, dass dadurch die Frauen ihre Ziele erreichen, ohne sich von der Anerkennung der Männer abhängig zu machen.

      Nach zwei Stunden kommt die kleine Karawane in Gefilde, die Esthes sehr vertraut sind. Sie erkennt die Silhouette des ersten gemeinsamen Lagerplatzes, den sie Mahal getauft hatte.

      Als sie endlich ankommen, ist es bereits Mittag und sehr heiß. Viel zu heiß für diese Jahreszeit. Dabei hatte Esthes den Zeitpunkt der Reise doch sorgsam gewählt. Mit Touristen fährt sie nur im Winterhalbjahr in die Wüste, weil ihr die Verantwortung im Sommer mit seinen Gefahren zu groß ist.

      Die Europäerinnen lassen sich auf die ausgebreiteten Decken in den Schatten fallen. Man beklagt sich über die Fliegen, bis allmählich alle Frauen in für die Region übliche Weise ihr Kopftuch über das Gesicht legen. Die Gespräche verstummen nach und nach. Man schläft. Die Stille umrahmt das Gemurmel der Guides, die emsigen Gespräche der Insekten und das Knacken des Holzes im Feuer, welches für die Zubereitung des Mittagessens benötigt wird.

      Esthes träumt von damals. Sie und Omar kamen in der Sommerhitze hier an. Die Hitze machte sie müde, und die Stille ließ sie zur Ruhe kommen. Omar hatte seinen Burnus zwischen die Büsche gehängt, so dass sie darunter im Schatten schlafen konnten. Dicht umschlungen ruhten ihre erschöpften Körper. Während des Schlafes verrutschte das ockerfarbige Kleid. Esthes nackte Beine waren von Sommerwärme umgeben. Als sei es erst gestern gewesen, wie sie die langsamen Bewegungen von Omars Händen genossen hatte. Vorsichtig wanderten sie unter den kühlen Stoff zu ihren Brüsten. Jede kleine Berührung des weiblichen Leibs war eine Erregung für sich gewesen. Sie hatten viel Zeit für all die Begegnungen von Haut und Fleisch. In der Wüste gibt es keine Eile. Die weiß Frau hatte die Berührungen wie ein Teenager erlebt und musste nicht die abgeklärte, erfahrene Frau sein, die routiniert auf ihren Orgasmus hinsteuert. Jede Erforschung ihres Körpers hatte Stunden gedauert, und es war ihr nie langweilig gewesen.

      Auch die Erinnerung an den Schafhirten ist wieder da, der plötzlich bei ihrem Lager auftauchte. Omar hatte schnell sein Tshesh auf ihre mittlerweile aufgedeckten Brüste gelegt. Er hatte sich erhoben, um den Hirten zu begrüßen. Esthes hatte wohl eine Stunde lang in ihrer Stellung unter dem Tuch verharrt und sich schlafend gegeben. Die beiden Männer saßen am Rande des Schattens und unterhielten sich in der fremden Sprache. Sie weiß noch genau um diese wache Erregung, in der sie die Sommerhitze vermischt mit ihrer eigenen aushalten musste. Sie erinnert sich an die Feuchtigkeit zwischen ihren Schenkeln, die sich so lustvoll anfühlte und bei der kleinsten Bewegung weiteres Begehren erweckte. Diese unendlich lange Stunde, in der sie nur unverständliche Worte durch Omars Stimme vernahm und das Verlangen spürte, er möge doch den Schäfer weiter schicken und endlich zu ihr zurückkommen. Erst als der Hirte aufbrach, wagte es Esthes sich zu bewegen und ihr Kleid wieder zuzuknöpfen. Der Freund erklärte ihr, dass es in der Wüste andere Gesetze gäbe. Und dass es unmöglich sei, einem Menschen, der seit Tagen oder Wochen mit niemanden gesprochen hat, ohne Gespräch zu begegnen. Dadurch lernte Esthes die Lust kennen, die in dem erwartenden Verlangen liegt, und sie weich machte für das, was mit Omar noch erlebt werden wollte.

      „A table!“ Das Essen ist fertig. Die Frauen sitzen etwas verschlafen im Sand um die große Schüssel herum, aus der sich jede mit einem Löffel von dem Salat bedient. Das frisch gebackene Brot aus der Glut des Feuers ist, wie immer am Anfang eines Wüstengangs, der Höhepunkt des Essens. Nach dem Mahl schwärmen die Frauen aus, um die Region zu erkunden. Esthes hat Zeit für sich und badet in Stille. Die Guides, vom Ramadan-Tages-Fasten erschöpft, liegen als rotbraune Hügel unter ihren Burnushat. Esthes entfacht erneut das Feuer mit dem Holz der Wüste, dessen Geruch sie so liebt. Wie damals kocht sie für sich ihren arabischen Kaffee. Ausgerechnet ihren Platz hat Omar als ersten Lagerplatz angesteuert. Die Blicke, die sie beim Abladen austauschten, waren dieselben wie seinerzeit. So vertraut, als hätte es nie so einen langen Zeitraum zu ihrer letzten Begegnung gegeben. Dieses Selbstverständnis, welches sie in seiner Gegenwart empfindet, hat sie zuvor mit keinem Menschen verspürt. Sie würde Omar bitten heute Abend die übliche Feuerrunde eher zu verlassen, um mit ihr allein zu sein.

      Wie eh und je kriecht Esthes auf eine der hohen Dünen und schaut in die Weite der Sandwogen. Wellen von Sand in ihren interessantesten Formen zu schauen, das hat sie schon immer geliebt. Hier auf dieser Düne wurde sie zur Wölfin.

      Als die Jungs, wie Esthes ihre männlichen Begleiter zu benennen pflegte, mit den Vorbereitungen für das Abendessen beginnen, fragt sie Omar, ob er heute Abend mit ihr reden möchte.

      „Selbstverständlich!“ ist seine Antwort.

      Beim Abendbrot tauschen die Frauen schon die ersten Erfahrungen aus. Sie sind beeindruckt von der Weite des Gelbs, das nie langweilig wird, weil es sich in verschiedenen Rundungen und Schattierungen verteilt. Sie berichten von der Unglaublichkeit dieser Stille, den vielen Fliegen und den unterschiedlichen Spuren im Sand. Esthes erklärt die des Fuchses, die der wilden Hunde, die es noch in dieser Entfernung zur Zivilisation gibt. Sie beschreibt die Spuren des Wolfes, der Wüstenmäuse, der Skarabäi, der großen und der kleinen Pillendreher, die der Eidechsen,

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