Wüste als Mahal. Ute-Maria Graupner

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Wüste als Mahal - Ute-Maria Graupner

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mit ihr eine kleine Demut vor der Schöpfung dieser Welt.

      Wie immer bleibt auch diese Reisegruppe nach dem Essen lange um das Feuer sitzen.

      „Weißt du noch, wie wir das letzte Mal hier waren?“ fragt Esthes und schaut zu Mohamed. Er klopft auf sein Bein. „Ja, genau!“ Esthes wendet sich zu den anderen.

      „Passt auf, beim letzten Besuch in der Wüste hatte sich ein Dromedar schon am ersten Tag einen Spreißel in den Fuß getreten.“ Sie kichert. „Die Guides haben es im Sitzen angebunden, hin und her geschaukelt, damit es auf die Seite fällt. Das Dromedar fiel aber unerwünscht auf die Seite, wo Mohamed stand. Das volle Gewicht knallte auf sein Knie. Er hatte Schmerzen, war kreidebleich und konnte sein Bein nur in einem bestimmten Winkel halten. Glücklicherweise hatte einer der Mitreisenden Schmerzmittel dabei, das Mohamed willig nahm. Ali, der Fahrer des Pickups, wurde angerufen. Er kam dann mit zwei weiteren Beduinen. Die Jungs haben das Dromedar dann noch mal auf die Seite gelegt und versuchte den Spreißel aus dem Fuß zu ziehen. Das Dromedar brüllte, wehrte sich, und auch wir Europäer mussten es an irgendwelchen Stricken festhalten, damit man überhaupt an den Fuß herankam. Mittlerweile wirkte das Schmerzmittel, und Mohamed hüpfte um das flach gelegte Tier herum und gab Anweisungen. Es war schon wieder komisch. Viel Aufwand und letztlich konnte keiner den Spreißel entfernen. Der fiel dann ein paar Tage später von selbst heraus. Mohamed wurde gegen einen anderen Guide ausgetauscht, und die Reise ging weiter, vielmehr begann sie eigentlich erst.“ Während Esthes die Geschichte erzählte, sprach auch Mohamed auf arabisch mit Chamal, der seinerzeit nicht dabei war und zeigte immer wieder auf sein Knie.

      „Was hatte er denn?“ fragt Anne.

      „Er hatte sich den Schienbeinkopf gebrochen und bekam einen Gips.“

      Völlig selbstverständlich liegt Omars Kopf auf den Beinen von Esthes. Keiner scheint darauf zu reagieren. Noch wissen die Frauen nicht, dass sie eine sehr innige Beziehung mit einander verbindet. Die Wüsten erfahrene Frau übersetzt Hunderte von Fragen und Antworten, bis sie darüber enttäuscht ist, dass Omar keine Reaktionen zeigt, mit ihr aufzubrechen.

      „Wo schläfst eigentlich du?“ fragt Gudrun. Esthes ist verlegen.

      „Auch hier irgendwo. Ich habe mein Lager noch nicht gemacht.“ Das ist ihr Signal. Sie verabschiedet sich und legt sich hinter eine kleine Düne, uneinsehbar für die anderen. Sie blickt in das Gefunkel am Himmel. Immer neue, kleine leuchtende Punkte tauchen aus der Tiefe auf. Wieso hat Omar keine Initiative ergriffen, mit ihr zu reden? Hat er nicht auch das Bedürfnis gezeigt, sich mit ihr auszutauschen? Ist er immer noch der Mann, der kaum Initiative zeigt? Mit diesen Gedanken gleitet die müde Wanderin in die Unendlichkeit eines Wüstenschlafes unterm Sternenzelt.

      Esthes träumt von der Weite des Sandes, als sie deutlich das knirschende Geräusch von Schritten auf dem feinen Pulver hört. Sie wird wach. Die Trittlaute werden lauter. Sie erkennt die Schritte von Omar. Dann ertönt leise seine Stimme.

      „Also lass uns reden.“ Sie öffnet die Augen. Omar beugt sich über sie und schaut sie ruhig an.

      „Jetzt kommst du erst?“ Die verschlafene Frau schüttelt sich, als ob sie den frisch gewonnenen Schlaf abwerfen möchte. „Ich habe schon geträumt.“

      „Möchtest du weiter schlafen?" fragt der Mann, der bei Nacht noch dunkelhäutiger wirkt als bei Tage.

      „Nein, aber ich bin enttäuscht, dass du erst jetzt kommst. Du wolltest doch auch mit mir reden, und nicht nur ich mit dir", murmelt Esthes.

      „Ich habe am Feuer die ganze Zeit auf ein Zeichen von dir gewartet. Ich wollte dich nicht einschränken, sondern dir das Gefühl geben, dass ich deine Gefühle berücksichtige.“ Esthes ist wieder hellwach. Omar geht auf ihre Bedürfnisse ein. Sie hatte ihm Desinteresse unterstellt, wie schon so oft in den Zeiten vorher. Vielleicht hatte sie sich da auch getäuscht?

      „Gut, dann lass uns reden, hol deine Sachen.“ Sie legen ihre Matten und Schlafsäcke neben aneinander. Der Beduine hat immer noch den Schlafsack, den Esthes ihm einmal geschenkt hatte. Der Reißverschluss sei kaputt. Omar benutzt ihn als Unterlage. Die weiße Frau bewertet es als ein Zeichen der Treue, denn auf einer Decke zu liegen wäre bequemer gewesen. Im Flüsterabstand liegen die beiden neben einander.

      „Weißt du noch, dass wir es als besondere Veränderung betrachteten, wenn ich ein Auto besitzen würde?“ meint Omar.

      „Ja, natürlich!“ haucht Esthes.

      „Ich hatte ein Auto. Du kennst es.“ Omar macht eine Pause. Er ist sich der Überraschung seiner Aussage bewusst. „Es war der alte Peugeot von Abdalla, mit dem wir schon am Meer waren. Ich hatte davon geträumt, dich damit eines Tages vom Flughafen abzuholen.“ Die weiße Frau ist sprachlos. Das wusste sie nicht. Ja, sie kennt dieses vierrädrige Objekt, welches schon Hunderttausende von Kilometer auf dem Tacho hatte, und an dem überall ein bisschen fehlte und etwas weg stand, aber es fuhr. Und es gilt auch in ihren Augen als ein Auto mit jenem symbolischen Charakter.

      „Aber dann wurde meine Großmutter sehr krank, und ich brauchte Geld für die Operation ihres Tumors. Ich war sehr glücklich, mein Auto für meine Großmutter zu verkaufen und so noch etwas für sie tun zu können, auch wenn Gott es anders wollte", fährt der Mann leise fort.

      Esthes ist noch immer sprachlos. Omar hatte sein Ziel erreicht. Es war ihm sogar möglich, das mühsam ersparte Auto mit einem Kilometerstand von unendlich und trotzdem sein ganzer Stolz, aus Liebe zu seiner Großmutter wieder zu verkaufen. Ein eigener Wagen galt bei dem Paar als Symbol, auch Unmögliches möglich zu machen. Sie waren sich damals einig, wenn Omar ein Auto haben würde, dann hätte er genug Sicherheit in sich, um seine anderen Ziele zu verwirklichen. Den Status als Autobesitzer, hatte er dieser großartigen Frau geopfert. Esthes versteht. Es war das letzte Geschenk, das die beiden der Großmutter machen konnten. Denn auch Esthes war beteiligt durch Verzicht auf die Überraschung vom Flughafen abgeholt zu werden. Omar hatte es also geschafft. Großmutter war es wert, dieses Symbol geschenkt zu bekommen, keine Frage.

      „Ich habe eine große Achtung vor dir.“ Esthes schmiegt sich an Omars Körper. Er öffnet seine Arme und hält sie so lange, bis ihre Tränen nicht mehr fließen, jene Tränen der Verwunderung, wie sie je an Omars Charakter habe zweifeln können und der Erkenntnis, dass es auch ihr Geschenk an die Großmutter war. Sie küssen sich, als ob es nie eine lange Trennung zwischen ihnen gegeben hätte. Die Nähe und Achtung ist wieder da. Esthes will sie auskosten, mit in den Schlaf hinein nehmen, und morgen würde man sehen, was noch zwischen ihnen möglich ist.

      Sehr früh am Morgen wird Esthes von weichen Lippen auf ihrer Wange geweckt. Es ist noch dunkel.

      „Ich muss etwas essen, bevor die Sonne aufgeht", flüstert Omar, „Schlaf auch ohne mich gut weiter.“ Er erhebt sich, um der Sitte zu folgen, die seine Religion während des ,Ramadans vorschreibt. Esthes blickt in den Himmel, der noch immer von Gefunkel übersät ist. Unter dem Sternenzelt fühlt sich die starke Frau angenehm klein und geborgen, als ob sie von oben beschützt würde. Sie schaut auf die blinkenden Punkte bis sie in der aus Osten heran nahenden Helligkeit verblassen. Das vertraute Gemurmel der Guides und das Knacken des Feuers geben ihr das Gefühl zuhause zu sein.

      Während die anderen zusammen bei Kaffee und warmen Brot um das Morgenfeuer sitzen, durchstreift Esthes das Gelände, das sie als das ihre betrachtet. Es ist noch immer ihr gemeinsamer Platz, ihr Mahal, noch immer vertraut, dieses Stück Erde, auf dem sie so viel Nähe mit Omar erlebt hatte. Auch die Düne ist noch da, auf der sie nachts allein gesessen hatte, weil sie nachdenken wollte über das Fremde, das zwischen ihm und ihr stand, und Omar ihre Nöte nicht verstehen wollte. Von dieser Düne hatte sie damals im Mondlicht einen vierbeinigen Schatten

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