Wüste als Mahal. Ute-Maria Graupner

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Wüste als Mahal - Ute-Maria Graupner

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sind bei den Zuckermengen im Tee", äußert Hilde. Bereits auf dem Campingplatz beobachteten Karla und Hilde ein üppiges Ramadanessen einer Familie, die neben dem Campingplatz wohnt. Nach den Essensgeflogenheiten während des Ramadans gefragt, berichtete Esthes, dass so bald die Sonne unterging, sich alle Familienmitglieder zu einem ausführlichen Mahl versammeln. Meist gibt es dazu mehrere bescheidene Gänge, für die die Frauen im Laufe des Nachmittags mit Gelassenheit gesorgt haben. Der Abschluss eines jeden Essens ist die Zeremonie, zu dem jenes „Tee-Konzentrat“ eingenommen wird, das Esthes als ungenießbar bezeichnet, weil es so stark und süß ist.

      „Ist das üblich bei allen Beduinen, dass der Tee so konzentriert und mit so viel Zucker zu sich genommen wird?“ erkundigt sich Karla.

      „Ja, das ist hier Gewohnheit", erklärt Esthes. Sie weist darauf hin, dass diese Menschen hier, wenn sie arbeiten, körperlich sehr gefordert sind und einen hohen Energieverbrauch haben, den sie sich auf diese Art und Weise ausgleichen.

      „Wieso laufen die Frauen der Familie in Nachthemden herum?“ fragt Anne. „Wieso tragen sie nicht Selbstgewebtes?“ Esthes muss lachen.

      „Das ist ja diskriminierend so etwas anziehen zu müssen.“ Anne schüttelt den Kopf. „Die Männer tragen ja häufig auch europäische Kleidung, und diejenigen mit ihrer Beduinentracht sehen sehr stattlich aus.“

      Esthes versucht zu beruhigen.

      „Mittlerweile vermischen sich auch am Wüstenrand die kulturellen Einflüsse des Modernen mit der Tradition. Meist tragen nur noch die älteren Männer ihre Kedwarrhat.“

      „Sind das die gewebten, langen, cremefarbigen Kittel?“ will Sylvia wissen.

      „Ja, die sind aus ganz fein gesponnener Schafwolle. Die jüngeren Männer tragen lieber Jeans oder Safarihosen mit klassischer Beduinenstickerei. Ich finde auch, dass die sonderbaren Kleider der Beduininnen unserem gut bürgerlichen Nachthemd sehr ähneln. Aber sie sind eben für die armen Menschen hier erschwinglich und bieten dieselbe Weite wie ein traditionelles, luftiges Gewand, dem handgewebten Baschnug. Außerdem dauert eine Webarbeit für ein Beduinenkleid auch zwei Wochen. Selbst dann, wenn zwei Frauen gleichzeitig daran arbeiten. Der Stoff ist sehr dünn, wisst, ihr.“ Esthes nickt mit dem Kopf. „Außerdem haben die Frauen meist eine Garnitur Kleidung für Zwecke, wenn sie das Haus verlassen. Diese wird allerdings geschont. Die Menschen hier haben selten Geld für schnelle Neueinkäufe. Wenn es ein Fest gibt, kann man die Frauen wirklich in ganz tollen Kleidern sehen mit Goldspangen und goldenem Schmuck. Völlig verwandelt sehen die dann aus. Die schminken sich dann auch mit Kajal und manchmal sogar Lippenstift. Echt schön.“

      „Es tut mir leid", sagt die Gruppenleiterin zu Omar, als alle wieder den kühlen Palmenhain passieren. „Ich habe euch irgendwie verraten, indem ich den Europäern, die ich mitbringe, so direkte Einblicke in eure Lebensweise verschaffe. Ich will immer das Gute, was ich hier vorgefunden habe, weitergeben. Aber ich habe das westliche Bedürfnis, alles zu beurteilen, nicht bedacht. Es ist wie ein Besuch im Zoo, wo man anderen Wesen beim Befriedigen ihrer Lebensbedürfnisse zuschaut.“

      „Ja, so ist es", Omar nickt und lächelt.

      „Ich bin allmählich auf eurer Seite angelangt und fühle mich schon lange nicht mehr als Touristin. Ich frage mich, wie du diese Besuche aushältst?“

      „Ich beurteile es nicht. Lass es einfach fallen!“ Das sagte Omar schon oft zu der weißen Frau, wenn sie sich über ihr Tun in Selbstzweifeln verstrickt hatte.

      Am nächsten Morgen, als die Frauen munter beim Frühstück plaudern, steht Omar neben dem Kaffeetisch, wie immer ohne dass jemand sein Kommen bemerkt hatte.

      „Ich habe ein Auto organisiert, dass euch zu den Dromedaren fährt. Ihr könnt Euer Gepäck auf den Pickup von Ali laden.“ Die Frauen brechen auf. Unruhiges Gelächter und beständiges Schwätzen lässt auf die Aufregung schließen, die sich vor jedem ersten Gang in die Wildnis der Wüste breitmacht.

      Die Rucksäcke werden auf die Ladefläche gehoben. Die Touristen klettern hinterher und machen es sich zwischen den dicken Säcken gemütlich. Esthes schlüpft mit nach vorn und begrüßt Ali, Omars Freund. Er hat sich nicht verändert, grinst immer noch so breitmündig hinter seinem Tshesh hervor. Die blonde Frau sitzt wie in alten Zeiten neben Omar, während die Frauen hinten auf der Ladefläche kichern.

      Im sandigen Hof der Hütten von Omars Familie stehen fünf Dromedare zum Bepacken für die Wüstentour bereit. Esthes plaudert mit den Chameliers, die offizielle Berufsbezeichnung für die Guides, die die Touristen in die Wüste hinein begleiten werden. Kochtöpfe, Tomaten, unzählige Wasserflaschen, die europäischen Rucksäcke werden in riesige Packtaschen verstaut und seitlich an die Dromedarbäuche gehängt. Die Tiere brummen. Man hört das dumpfe Geräusch, wenn sie sich in den Sand niederlassen, um noch mehr Gepäck aufzunehmen und das Zischen der Chameliers, wenn sie ihre Tiere kommandieren.

      Iamna erscheint freundlich, herzlich und natürlich im Nachthemd. Die vermeintliche Distanz scheint es nicht gegeben zu haben. Nein, sie möchte nicht mit in die Wüste, sie hat schon in den Hütten mit so viel Sand zu tun. Sie sei eine moderne Frau. Gewiss. Das ist sie. Immerhin hat sie Betriebswirtschaft studiert, was man ihr in dem Nachthemd nicht ansieht.

      Endlich geht es los. Der Gang in die Wüste beginnt wieder. Esthes geht voran. Sie kennt den üblichen Weg raus aus dem Dorf. Es ist derselbe Weg, den Omar und sie nahmen, als sie das erste Mal allein in die Wüste zogen. Seinerzeit hatte sie Angst, sehr viel Angst vor ihrer eigenen Courage.

      Mit nur einem Dromedar schritten der Beduinenfreund und sie in ihrem langen, ockerfarbigen Kleid durch den Sand. Nein, kein Nachthemd, ein schönes Kleid. Sie war aufgeregt. Es war Sommer und für sie sehr heiß. Würde sie die Hitze aushalten? Die Wüste war damals die einzige Möglichkeit für Omar und Esthes, über mehrere Tage mit einander allein zu sein, ohne sich den kontrollierende Blicken der Beduinen auszusetzen, dass sie sich auch ja nicht berühren.

      Esthes wusste noch genau, wie sie sich fühlte, als sie diesen mit Palmen begrenzten Weg durch die Gärten mit Melonen und Tomaten entlang zogen. Jeder der ihnen damals begegnete, konnte die Erregung und Liebe der beiden spüren und traute der geforderten Einhaltung eines Abstandes nicht. Ihr kam es auch einer Vermählung gleich, sich auf diese Fremde und diesen Mann mit einer so anderen Mentalität einzulassen. Sie wagte es, sich mit einer ganz neuen Welt zu verbinden, mit einem Nomaden, dem einfachen Dasein in der Wildnis, der Weite des Sandes und der trockenen Hitze eines Wüstensommers. Sie wusste, dass sich das Wort „Vermählung“ einst auf den Prozess einer Einigung bezog. Sie musste für Brautleute von ihren Angehörigen gefunden werden, damit die unterschiedlichen Voraussetzungen eine Einheit bilden konnten. Esthes und Omar hatten bis dahin noch nicht miteinander geschlafen. Da draußen in der Weite des Sandes und der Stille sollte es das erste Mal sein. Das war unausgesprochen klar gewesen. Auch darin musste eine neue Einheit gefunden werden. Immer wieder hatte einer der Dorfbewohner sich von seiner Feldarbeit aufgerichtet und den beiden Verliebten zugewinkt. Manch einer stand an den Palmenwedeln, die zu einem Zaun ineinander verflochten waren, um sie zu begrüßen oder hatte der kleinen Karawane nachgeschaut. In dieser religiösen Luft des Beduinendorfes flimmerte es von Tradition, dass das erste Mal einer Eheschließung gleich käme. Esthes spürte dieses Flimmern und hatte Sorge, dass sie die Konsequenzen ihrer Entscheidung, mit Omar allein in die Wüste zu gehen, falsch einschätzen könnte, wenn sie denn überhaupt einzuschätzen war.

      Es war ebenso unausgesprochen klar gewesen, dass sie sich auf diese Art und Weise mit der Natur vereinen und einen Friedenspakt zwischen Orient und Okzident schließen würden, ein Bündnis wie einst die Sippen beim Mahal, dem Platz auf dem eine Vermählung ausgehandelt wurde. Damals hatte die weiße Frau keine Touristen dabei, die sie als Vorwand für die Angst vor zu viel fremder Intimität benutzen

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