Wüste als Mahal. Ute-Maria Graupner

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Wüste als Mahal - Ute-Maria Graupner

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einfach gewebten Teppich, der seitlich ausfranste. Die müde Frau saß im Schneidersitz daneben. Stühle oder gar ein Sofa gab es nicht, in keiner der Hütten der Beduinen. Sie aßen aus einer Schüssel Couscous. Alles war still. Die Aufregungen des Tages waren abgeklungen und nur noch die blanke Begegnung einer ehemaligen Touristin mit einem Mann, der sehr arm war, erfüllte den Raum. Wenn sie einer ihrer Freunde so hätte sehen könnte, hätte er Esthes für verrückt gehalten. Damals wusste sie selbst nicht, ob sie es war. War sie einer erotischen Stimmung gefolgt? Der neuen Variante der Befriedung durch Naturburschen und orientalischer Sinnlichkeit? Oder war es etwas anderes, was sie damals vor sieben Jahren hier suchte. Die einzige Möglichkeit, es herauszufinden, war, sich darauf einzulassen, sonst hätte sie es in ihrer letzten Lebensstunde bereut. Und so saß sie voller Scham, innerer Erregung, Sehnsucht hin zu diesem Mann und missbilligender Selbstbeobachtung in seiner Hütte und hoffte nur, dass dieses Abenteuer gut ausgehen würde.

      Alles ist wieder da, ist wieder Wahrheit und kein verschwommenes Märchenbild aus einem Film, in dem Esthes irgendwie mitgespielt hatte.

      3) Tsheshhat: Langes Baumwolltuch, das als Sand- und Sonnenschutz turbanartig um den Kopf geschlungen wird.

      Auch Großmutter und Mabruka sind wieder da. Esthes sieht sie noch einmal im Sand vor ihrer Hütte sitzen. Großmutter gibt ihrem jüngsten Enkel einen liebevollen Klaps auf den nackten, runden, braunen Po. Mabruka zeigt ihr strahlendes Lächeln, während sie im Sand auf offenem Feuer einen Kaffee für Esthes zubereitet. Und sie plaudern auf Arabisch, das Esthes eigentlich gar nicht kann. Es ist kein Traum. Das findet wirklich statt. Es ist tatsächlich sie, die da im Sand auf dem Boden sitzt mit unzähligen Fliegen auf ihrem Körper und mit den anderen Frauen schäkert und sich mögen läßt, als ob sie immer schon dort gewesen wäre.

      Esthes Blick fällt auf die Hütte von Mabruka und Großmutter. Die Fensteröffnungen sind zugemauert.

      „Wegen des Sands", sagt Omar leise. Mabruka ging nach dem Tod der Großmutter weg, heiratete gegen Omars Rat einen sehr alten Mann. Sie hielt den Schmerz, ohne die geliebte Großmutter hier weiter zu leben, nicht aus. Mabruka hatte keine Ausbildung, war noch ganz ein Kind der Wüste und begleitete auch später immer wieder die Großmutter zu ihrem Wintercamp. Es gibt Esthes innerlich einen Stich die vermauerten Fenster zu sehen. Ob Mabruka mit diesem Mann glücklich ist, wenn sogar Omar abgeraten hatte? Wie mag ihre sexuelle Beziehung aussehen?

      Die Schwestern und die Eltern werden den Frauen vorgestellt. Die Brüder sind nicht da. Iamna, die Älteste, die noch im Hause lebt, ist verhalten. Macht die alte Freundschaft zwischen ihr und Esthes nur diese kühle Begrüßung möglich? Gibt man Esthes die Schuld für die Zeit, in der sie nicht da war? Fatima und Hamed, Omars Eltern, wirken ebenfalls distanziert.

      Die Frauen lagern auf dem Boden der Veranda, oder an dem Platz, den man wohlwollend so nennen kann. Kein Tee, wie sonst. Okay, es ist Ramadan, aber Omars Familie hatte bisher akzeptiert, dass Christen auch während des Ramadans essen und trinken. Esthes setzt sich zu den Frauen und erklärt die Zusammenhänge verwandtschaftlicher Beziehungen der Großfamilie.

      Ihr fällt ein, dass sie ihre Kleidung für die Wüste immer bei Omar gelassen hatte. Sie fragt Omar, ob sie noch da sei. Ohne ein Wort führt er sie in den hinteren dunklen Bereich seiner Hütte. Er kramt alles Mögliche hervor, was sie so im Laufe der Zeit dort gelassen hatte. Er hat alles aufgehoben. Nur ihr Wanderstock sei zerbrochen, wie er ihn mal mit in die Wüste genommen hatte. Er sei nicht stark gewesen. Er hat also darauf gesetzt, dass sie wieder kommt. Esthes würde am liebsten weinen.

      „Wir müssen noch mehr reden", sagt sie.

      „Ja", antwortet er, „in der Wüste werden wir dazu viel Zeit haben.“

      Die Frauen sitzen noch immer ohne Tee auf der Veranda. Esthes bittet um etwas Wasser. Eine Flasche wird gereicht. Fatima und Hamed sind verschwunden. Omar auch. Esthes legt sich, wie schon so oft, auf den blanken Steinboden der Terrasse und versucht zu schlafen. Die Frauen fühlen sich unwohl, ungebeten. Sie hört im Halbschlaf das unzufriedene Gemurmel. Was ist nur los? So kennt sie die Familie nicht. Dass man sie allein hier sitzen lässt, ist ungewöhnlich. Sie beschließt ihren vertrauten Beduinen zu fragen. Sie findet ihn in der Hütte seiner Eltern schlafend auf einer Matte liegen. Okay, es hat keinen Sinn, man ist nicht erwünscht. Es ist wohl zu viel an Missverständnissen in dem letzten Jahr passiert. Sie gibt das Kommando zum Aufbruch. Da trottet Omar aus der Hütte und sagt: „Warte", wie immer kein Wort zu viel. Fatima und Hamed kommen mit dem Muli und der Charrette. Die Beduinen haben den französischen Namen für dieses Fuhrwerk, das von Eseln oder Mulis gezogen wird, übernommen. Man hört nur selten Creppa, den arabischen Ausdruck dafür. Diese zweirädrige Eselskarre mit einem großen Brett als Sitz- und Ladefläche wird geschickt vom neunjährigen Brahim vor den Muli gespannt. Dabei kriecht er unter den Beinen des Nutztieres durch und schlingt die einfachen Kordeln um Leib und Hals. Hamed hatte also in der Zwischenzeit das Tier aus seinem Stall geholt. Damit die Frauen die vielen Taschen mit Kleidung für die Familien der Guides, die auf Esthes Veranlassung mitgenommen wurden, nicht tragen müssen. Also doch erwünscht. Der Stein fällt vom Herzen.

      Einfach-Sein, eine andere Art zu leben

      Esthes sitzt wie früher neben Omar auf der Charette 5). Die anderen Frauen und Brahim, sein Bruder, haben sich auf der Ladefläche verteilt. Die Gespräche klingen versöhnlich und zufrieden mit der Welt. Ja, das hatten sich die Mädels gewünscht, Kontakt zur Bevölkerung und die unmittelbaren Erfahrungen, die die Menschen hier auch machen. Nicht einfach eine Münze reichen und sich als Tourist in einer Kutsche durch die Gegend karren lassen. Kinder winken am Wegrand. Barfuss laufen sie neben der Creppa 5) her. Die vollen Wangen leuchten rot, und große, braune Augen bringen Neugierde entgegen. Die kleinen Beinchen sind flink wie Wiesel. Die für europäische Wetterbedingungen viel zu dicken Wollpullover geben beim Laufen den Blick auf nackte Haut frei, und runde, glatte Bäuche spitzen hervor. Ein Eselskarren kommt entgegen. Ein elfjähriges Mädchen lenkt geschickt ihr Tier. Eine ältere Beduinin liegt wie ein Buddha auf der Ladefläche. Esthes grüßt: „Keif halek?“ - Wie geht es? Die Beiden lächeln und rufen

      „Quwies!“ - Es geht gut! Die weiße Frau war schon mit Mutter und Tochter in ihrem Oasengarten. Schon damals war ihr aufgefallen, dass das kleine Mädchen die üblichen Tätigkeiten des weiblichen Familienoberhaupts übernommen hatte. Sie kümmerte sich um Gartenarbeit, sorgte für eine Verständigung zwischen Mutter und Esthes, sprach die Einladung ins Haus aus und reichte den üblichen Tee. Das Mädchen wirkte angestrengt und seine Gesten waren bereits die eines Erwachsenen. Esthes wand sich an Omar mit ihrer Empfindung, dass man das Kind überforderte. Es sei normal, meinte der Kenner der Region, dass das jüngste Kind der Familie derartige Pflichten übernehme, weil andere Mitglieder mit außer häuslichen Tätigkeiten eingespannt seien. Außerdem wäre die Mutter müde von den vielen Kindern, die sie bereits aufgezogen hätte. Und Esthes wurde klar, dass das Mädchen schon bald genauso müde wirken würde, wie ihre Mutter.

      „Woher kennst du die Familie zu der wir fahren?" fragt Sylvia.

      „Es ist Monjis Großfamilie, einer der Guides, die uns in die Wüste begleiten", erklärt Esthes.

      „Ist Monji verheiratet?

      5) Charette frz./ Creppa arab.: einachsiger Eselskarren

      „Nein!"

      „Und wieso nicht?“ will Gudrun wissen.

      „Man benötigt Geld und permanentes Einkommen auch als Beduine, um eine neue Familie zu ernähren. Es ist eine Sache der Ehre, dass man erst dann eine Frau nimmt, wenn man diese Voraussetzung erfüllt", erklärt die Beduinenkennerin. „Außerdem bringen die Männer Schafe und Ziegen, sowie Schmuck und Kleidung, manchmal

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