Wüste als Mahal. Ute-Maria Graupner

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Wüste als Mahal - Ute-Maria Graupner

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Besitzer duckt sich, um nicht vom Schaumgestöber getroffen zu werden. Er löst die Kordel vom Hals des kräftigen Tieres und hobbelt die Vorderbeine seines Dromedars. Die Schritte des langbeinigen Huftieres sind nun kleiner. Ibrahims Gang entspannt sich. Das Brüllen der noch jungen Männlichkeit ertönt umso häufiger in der Stille des Sandes.

      Bei Allah, er ist perfekt erzogen! Gut zwei Jahre lang hat Ibrahim seinem Bullen alles beigebracht. Sein Herz schlägt schneller. Sein Tier ist jung, kräftig und wird für den besten Nachwuchs sorgen. Der Dromedarbesitzer weiß, die erste Paarungszeit ist die Reifeprüfung seiner Domestikation, die zeigt, wie gut das ausgewachsene Tier gelernt, und er, der Trainer, gelehrt hat. Mit seinem Tier wird es nicht zu Rivalitätskämpfen und Verletzungen kommen, wie in der letzten Saison d’Amour. Wie dumm damals diese fremden Chameliers waren, die die Karawane mit Touristen viel zu nahe am Begattungsplatz vorbei führten. Bei Gott, sie hätten lange im Voraus merken können, dass brunftige Weibchen und ein zur Paarung bereiter Bulle in der Nähe waren. Ibrahim schüttelt den Kopf. Nein, diese Tierhüter hatten ihre Kamele nicht im Griff. Sie konnten die Bisse und Tritte der rivalisierenden Bullen einfach nicht verhindern.

      Er kann sich noch genau an den Kampf um die Weibchen erinnern, den er als kleiner Junge erlebte. Damals durfte er mit zur Paarung in die Wüste gehen, um ein echter Beduine zu werden, wie sein Onkel erklärte. Dabei war er gerade so groß wie ein Bein des größten Tieres seines Oheims. Dennoch hat er niemanden erzählt, dass er damals Angst hatte. Bis zu diesem Erlebnis hatte er die sonst so friedlichen Säuger nie als Bedrohung erlebt. Doch auf jenem Gang zur Begattung traten die drei Bullen aufeinander ein, bissen sich gegenseitig. Aus ihren dröhnenden Mäulern spritzte der weißer Schaum der Erregung. Die Dhulas 2) klatschten wie nasse Lappen, die aus den Mäulern hingen, gegen das wohlriechende Fell, das er als Kind so liebte. Ein Hengst warf sich mit seinem Körpergewicht auf den Hals des Bullen seines Onkels und wollte ihn ersticken. Ibrahim weiß noch ganz genau, wie die röchelnden Schreie des Unterlegenen in seine Ohren drangen und in ihm dieses sonderbare Gefühl auslösten. Dieses Leben-Tod-Gefühl, wie er es als kleiner Junge nannte, begegnete ihm später wieder, als er allein und verletzt in der Wüste lag, und der Akku seines Handys leer war.

      2) Dhula: Rachenbeutel, ein aufblasbarer, rosa Sack, der als Zeichen der Gattungsbereitschaft, um Weibchen anzulocken und um Dominanz anderen männlichen Tieren gegenüber zu behaupten aus dem Maul des Dromedars hängt. Wenn er aufgeblasen ist, ähnelt sie einer langen, geschwollenen, rosa Zunge. Quelle: Erklärung der Beduinen direkt.

      Sein Onkel und die anderen Tierhüter konnten damals nicht zulassen, dass die Hengste so lange mit miteinander kämpften, bis nur ein Bulle unbesiegbar übrig blieb. Das wäre der Ruf der Natur, um nur das Erbgut mit Genen der meisten Kraft zu verbreiten. Sie hätten riskiert, dass die zwei besiegten Männchen instinktiv in die Wüste geflüchtet wären. Mit ihrer Fähigkeit, sich mit 65 Kilometern in der Stunde davonzumachen, wären sie nicht mehr einzuholen gewesen. Sie mussten sogar mit lebensgefährlichen Verletzungen oder dem Tod eines der männliche Tiere rechnen. Heute nehmen die Tierhüter nur einen Hengst mit in die Wüste, wenn die Weibchen begattet werden sollen. Wenn dieser es nicht schafft, alle zu befruchten, dann erst holen sie das nächste Männchen aus dem Dorf.

      Seinerzeit war es Ibrahims Oheim und den anderen Chameliers gelungen den Hengst, der auf dem Bullen des Onkels lag von ihm herunter zu treiben. Sie bewarfen ihn mit Steinen und bohrten einen Stock in sein Hinterteil. So gelang es dem unterlegenen Tier dann doch noch, sich zu befreien. Es war knapp gewesen für das Kamel seines Onkels, jedoch erholte es sich bald wieder.

      Gerade weil Dromedare ihm die Nähe zwischen Leben und Tod von Kindesbeinen an vor Augen geführt haben, empfindet Ibrahim Faszination für diese großen Wüstentiere. Als junger Kerl mit 15 Jahren begann er, die wild lebenden Stuten des reichen Mohamed Ben Naser und des alten Said zu betreuen. Die paar Dinar, die er dafür bekam, sammelte er in der alten Hirtentasche seines Großvaters. Gott hab ihm selig. Eines war sehr bald klar: Ibrahim wollte sein eigenes Dromedar. Vor drei Jahren und sechs Monaten in der vierten Woche des Ramadans erfüllte Allah ihm seinen Wunsch. Er konnte sich mit dem Inhalt der Hirtentasche seinen eigenen Hengst leisten. Nur diesen einen wollte er.

      Ibrahim streift mit seiner breitflächigen Hand über den Hals seines geliebten Tieres. Schon kurz nach der Geburt, als es das erste Mal auf seinen vier Beinen stand, durchfuhr es Ben Nadir. Er spürte die Manneskraft in dem frisch geborenen Kalb. Es war wertvoll, es war teuer. Aber Allah Akbar hat ihn bei seinen Plänen unterstützt. Zwei Wochen half er täglich bei der Dattelernte des reichen Mohameds und zusätzlich bezahlte er die übliche Kaufsumme, um seinen Jungbullen zu bekommen.

      Er, der Sohn von Nadir Ben Chemel, wurde bewundert. Auf seinen stattlichen Hengst wurde er im Café und auf der Straße angesprochen. Die meisten seiner Freunde wollten ihm beim Domestizieren helfen. Jetzt würde es wieder so sein. Ibrahim würde der Stärkste sein, weil sein Bulle der Stärkste ist. Die Jungs im Café werden ihn umarmen und bewundernde Worte zurufen. Der Hirte beginnt zu summen. Er wird heiraten. Er ist sich sicher. Es wird eine der schönsten Beduininnen aus seinem Dorf sein, nein aus allen Dörfern, die es bis hin zur Stadt gibt. Gleich, wenn die Wochen der Begattung vorbei sind, wird er die schöne Aminah fragen.

      Während der Besitzer die Kordel zwischen den Vorderbeinen seines Deckhengtes löst, zerren alle Chameliers, die auf dem Sammelplatz am alten Brunnen anwesend sind, an den Stricken mit Hilfe derer Ibrahims Tier noch von den Weibchen zurück gehalten wird. Nachdem sie ihn losgelassen haben, trottet der brüllende Bulle auf die Dromedarkühe zu, richtet sich in all seiner Stattlichkeit auf. Die Erweiterung des Gaumens ist aufgeblasen und hängt als rot-weiß ovaler Ballon aus dem schäumenden Maul. Riesig ist die Dhula, 36 cm lang. Ben Nadir hat sie gemessen. Der brunftige Bulle riecht hier und da an den Hinterleibern brünstiger Weibchen. Immer wieder blickt er in die einsame Stille, als ob ihm von dort andere Hengste seine Stuten streitig machen würden und schleudert den vermeintlichen Rivalen aus der Weite des Sandes tiefe Urlaute entgegen. Es ist seine Herde, zumindest für diese Paarungszeit. Und sie umfasst weit mehr als jene fünf bis sieben Weibchen wie damals, als alle Dromedare noch wild lebten. Er ist der Stärkste für diese Paarungszeit. Er allein wird diese Weibchen besteigen, zumindest einen Teil davon. Einige Stuten präsentieren ihre Geschlechtsteile. Der Speichelschaum zieht lange Fäden zwischen dem männlichen Maul und den Stellen, die das Tier beim Schnüffeln berührt. Weibchen grunzen, schreien aus heiserer Kehle. Zwei der Weibchen knien, um dem Deckhengst anzulocken. Er dagegen stupst gegen eine stehende Kuh, treibt sie vorwärts, will gerade sie besteigen. Die Auserwählte läuft ein paar Schritte. Der Bulle hinterher, sie bleibt stehen. Der Hengst drückt unsanft seinen Kopf gegen den Rumpf. Die Dame kniet sich nicht, läuft weiter, Ibrahims Tier wieder hinter her. Die Doula wackelt im Rhythmus seines Gangs. Endlich kniet sich das Weibchen, lässt ihn an sich heran. Ohne Eile steigt der Bulle auf. Wie ein Kind, das zum ersten Mal auf seinem Schaukelpferd reitet, sitzt er auf der Dromedarkuh. Seine Deckbewegungen sind gemächlich, wie der Gang dieser Wüstentiere, wenn keine Paarungszeit ist. Jetzt drückt sich sein Oberkörper dicht an den weiblichen Leib. Der Rumpf, der lange Hals und der Kopf bilden eine gerade braune Linie vor dem hügeligen Hellgelb des Sandes. Sein Blick erforscht, ob andere männliche Tiere in der Nähe sind. Denn dann müsste er sich unmittelbar nach dem Höhepunkt dem Kampf mit dem Rivalen stellen. Es kommt keine Eile in ihm auf, obwohl er auch die anderen Weibchen noch decken muss. Dreimal reckt sich der Körper des Kamels bildet diese lange Linie vom Rumpfende bis zum Kopf. Die für die erste Begattung im Leben von Ben Nadirs Dromedar auserwählte Stute wirft den s-förmig gebogenen Hals zurück. Die Köpfe der beiden berühren sich. Der Akt ist zu ende. Der Bulle rutscht von der knienden Kuh. Sie sitzen nebeneinander, schauen sich an wie ein altes Ehepaar.

      Nach einer Weile erhebt sich Ibrahims Tier und kommt auf seinen Chamelier zu. Sein Gang ist erhaben. Ben Nadir ist stolz. Die Paarung ist geglückt. Auf dem leeren Getreidesack häuft er Weizen für sein Dromedar auf, damit es genug Energie zur Verfügung hat, um alle Stuten zu decken. Seine Beduinenfreunde drücken ihre Körper gegen die nahenden Stuten. Das Korn ist für den Deckhengst und nur für ihn!

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