Ein Kleid aus Seide. Sanne Prag

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Ein Kleid aus Seide - Sanne Prag

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Je mehr Kameras, desto eher kann durch Zufall eine entdeckt werden.“ Das war einleuchtend.

      Es gab ein Stiegenhaus, von dem schlang sich eine Treppe in einen Turm, dort wurde eine Kamera gesetzt. Der Turm brauchte keine, wenn das Stiegenhaus eine hatte.

      Nach einiger Suche fanden sie im Erdgeschoß einen Gang, der zu einer Stiege abwärts führte, wahrscheinlich so etwas wie ein Keller. Dort war ein weiterer langer Gang, und von dem öffneten sich Kammern mit Gittern davor. Sowas wie ein Verließ und Gefängniszellen? Es erinnerte Ezra auch ein wenig an eine Grottenbahn, denn in einem der Verließe saß ein Gipsmann, und wenn man auf einem Knopf neben dem Gitter drückte, rasselte eine Kette und hob seinen Gipsarm zweimal. Er sah ziemlich elend aus. Wahrscheinlich eine Touristenattraktion, und wenn alle von der Gruppenführung versammelt waren, drückte der Kustos auf den Knopf. Ein beglückendes Ereignis für Touristen, die ja schließlich auf die Freuden einer öffentlichen Hinrichtung sonst verzichten mussten.

      „Und was eigentlich genau erwartest du, mit den Kameras einzufangen?“, fragte Ezra.

      „Eigentlich nur ungewöhnliche Ereignisse. Irgendetwas Heimliches. Das kann natürlich dann am Ende auch nur eine Geheimbruderschaft sein. Da gibt es meist keinen Grund, warum sie ihre Sachen geheim halten. Hat mehr mit Tradition zu tun. Macht sie interessant. Das wäre dann doch nicht so gefährlich wie angenommen. Vielleicht erklären sich die verschwundenen Leute und Autos irgendwie ganz vernünftig, und ich könnte einfach wieder einpacken und nach Hause gehen. Dagegen spricht aber die Leiche des Hausherrn.“

      „Es hat auch schon Geheimbruderschaften mit kriminellen Ambitionen gegeben. Aber ich sehe, was du meinst. Du willst wissen, was da geheim gehalten wird.“ Ezra verstand, dass die Kameras Leute bei heimlichen Aktionen beobachten sollten. Dafür mussten sie zuerst einmal in Durchgangsräume gehängt werden, dorthin, wo jeder vorbei kam, wenn er in der Burg oder im Haus etwas wollte.

      Für alle sichtbar, legten sie zusätzliche Lichtleitungen für das Filmteam. Deshalb trug Ezra die Kabelrolle ständig vor sich her, während Wolfgang winzige Geräte unsichtbar befestigte.

      FRÜH

      Theresas Flecken schillerten in allen Farben, aber die Schmerzen waren weniger geworden. Es gab Frühstück zu den Zimmern. Das musste sie zwar selber zahlen, aber sie machte sich gerne auf die Suche.

      Durch breite, hohe Gänge, die Treppen hinunter führte sie der Weg bis in ein entlegenes Zimmerchen, das nach Kaffee roch. Die Bautechnik von Burgen und Nebengebäuden schien ihr immer aufs Neue fragwürdig, ließ zu wünschen übrig. Ein winziges Frühstückszimmer, so hoch, dass man zwei Zimmer hätte übereinanderstellen können, war nicht praktisch. Auch ein bisschen düster fand sie es. Frühstückszimmer hatten hell und freundlich zu sein und nach frisch gebackenen Semmeln zu riechen, damit sie ihre Anerkennung fanden.

      Plötzlich schrille Schreie.

      Schrille Schreie waren in der Früh verboten, keine gute Sache. Vorhut von Unannehmlichkeit. Theresa musste also nachschauen gehen, ob sie wollte oder nicht. Eigentlich wollte sie nicht. Sie wollte in Ruhe ihre Semmel essen. Aber die Schreie gingen in heftiges Schluchzen über, gequälte, hilflose Laute. Da war etwas passiert.

      Theresa wanderte in Richtung der Laute, wieder entlang an dem mächtigen Gang, und als sie um eine Ecke bog, sah sie auf ein gespenstisches Bild. Im Gang lag ein Körper, in eine hellgrüne und dunkelblaue Robe gehüllt, wie eine Blume, gerade eben aus einem Strauß gefallen, auf diesem dunklen, kalten Steinboden. Daneben stand eine junge Frau mit einer Thermoskanne vor der Brust und schrie laut. Es lag auch ein großer Sandstein in Form eines kleinen dicken Hundes daneben. Stückchen des hellen Steines hatten sich auf dem dunklen Boden verteilt. Ein bisschen Blut klebte an ihm und am Boden. Sie blickte nach oben auf ein Loch nahe der Decke.

      Was Theresa fiebrige Schauer über den Körper jagte, war, dass sie das Kleid kannte. Sie hatte es erst gestern an Rita gesehen, als die sich heimlich zu Futzi davonmachte und von ihr wissen wollte, ob sie schön genug war für einen Heiratsantrag. Sie hatte sie seit dem Zeitpunkt nicht gesehen und hatte vermutet, dass sie, aus Liebe schwach geworden, bei ihm blieb, und er hätte vergessen, dass er sehr katholisch war.

      Die junge Frau mit der Thermoskanne schluchzte und schrie, und es wurden immer mehr Menschen, die einen Kreis bildeten. Theresa kniete sich neben den Körper und sagte leise: „Rita.“ Dann noch ein wenig lauter: „Rita.“ Sie nahm ihren Arm und spürte ihn kalt und hart. Das war der Tod. Rita war weg aus dem Leben. Das Schicksal hatte Rita einen Stein an den Kopf geschmissen. Und sie hatte gehen müssen, in die andere Welt. Sie konnte Rita nicht mehr helfen.

      Ein Mann drängte sich durch die Menge, auch er nahm Ritas Hand, aber die war steif.

      Theresas Gelenke fühlten sich fest und hart an. Genau wie Ritas, dachte sie. Aber wie um Gottes Willen war Rita hier in diese dunkle Ecke des Ganges gekommen? Was suchte sie an diesem entlegenen Ort?

      VORMITTAG

      Ezra und Wolfgang hatten die Nacht durchgearbeitet. Die Burg war nun mit kleinen Kameras und Mikrofonen ausgestattet, das Haupthaus erst nur mit wenigen.

      Ezra war irgendwann schlafen gegangen. Wolfgang war in Fahrt und hatte daher auf kurze Schlafeinheiten geschaltet. Er stürmte zur Türe herein, als Ezra mit kleinen Augen seinen Kamm durch die Haare zog. „Wir haben schon wieder eine Leiche. Angeblich schon wieder ein Unfall.“

      Ein bisschen viele Unfälle, dachte Ezra, dessen Hirn noch von den Resten des Schlafes verklebt war. Schließlich kam die Maschine langsam in Gang. „Hatten wir eine Kamera dort?“

      „Nein, ist weitab vom Zentrum im Haupthaus, dort war ich noch nicht. Aber sobald die Untersuchung weg ist, montiere ich natürlich eine.“

      „Wer ist es denn?“

      „Eine von den jungen Modefrauen.“

      Wer fand hier in dieser Burg, in diesem Haus, dass ein Schlossherr und ein Model zu viel auf der Welt waren? Ezra glaubte nicht an Unfälle.

      Er zog sich die Hosen an, als das Handy läutete. Saphyr war laut und sprach wie ein Maschinengewehr. Er hatte festgestellt, dass Ponhomy keine Kinder hatte. Deshalb war mit hoher Sicherheit die Gattin die neue Besitzerin von allem: Geld und Rechte. Er sei heute noch da, um alles zu klären. Als Ezra hörte, dass der Produzent Luft holen musste, sagte er nur still: „Wir haben schon wieder eine Leiche.“

      Saphyr bremste hart seinen Redestrom. Neue Leiche? Neues System! Die Burg wurde zu einem Ort der Gefahr. Herrlich! Mystische Bilder von unklaren Bedrohungen schwebten durch seine Werbeabteilung. Sollte man vielleicht UFOs verantwortlich machen? Zwei Unfälle in so kurzer Zeit, das war wie das Grab des Tutanchamun. Flüche nahmen Gestalt an. Längst bekannte Erscheinungen wurden neu geboren. Er würde dem Ort eine neue Dimension geben. Eigentlich wollte er immer schon Regie machen.

      Ezra steckte das Handy in die Hosentasche und meinte: „Ich muss Saphyr Nachmittag am Parkplatz treffen. Irgendwie habe ich das Gefühl, der hat hier nicht nur Filminteressen.“

      „Wie kommst du drauf?“ Wolfgang war mit einer heiklen Montage von einem hoch empfindlichen Mikro auf Unterlage beschäftigt.

      „Er ist ein bisschen zu engagiert, zu heftig interessiert. Sonst kenne ich ihn eher mit drei Projekten auf einmal und nicht zu sehr auf eines konzentriert. Er neigt sonst immer dazu, die Finger in jedem Kuchen haben zu wollen, nicht

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