Bodos zornige Seele. Kurt Pachl

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Bodos zornige Seele - Kurt Pachl

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der Deepwater-Horizon-Katastrophe in Erfahrung zu bringen. Er recherchierte im Internet und telefonierte mit Bradly sowie mit vielen Aktivisten und Experten. Die Auswirkungen waren weitaus größer und nachhaltiger, als dies aus Zeitungsberichten hervorging oder hervorgehen konnte. Die Reporter wurden mit Expertisen und Gutachten gekaufter Wissenschaftler bombardiert. So entstanden hunderte von „Wahrheiten“.

      Lediglich der erfolgreichste Schadenersatzanwalt, Mike Papantonio, stellte sich der Armee von über 300 Anwälten des Konzerns entgegen und plädierte auf die juristische Höchststrafe in den USA; den »Strafschadenersatz«. Dazu musste er beweisen, dass der Konzern sich mit Vorsatz betrügerisch und rück­sichtslos verhalten hatte. Das Heer der Anwälte des Konzerns behauptete, 75 Prozent des Öls seien verdunstet, verbrannt, abgeschöpft und von Chemikalien zersetzt worden.

      Doch der Staranwalt, der seine kampferprobten Rechercheure ausgesandt hatte, konnte sich auf Expertisen von Umweltschutzorganisationen und deren Experten beziehen. Eben diese 75 Prozent, gab er zu Protokoll, würden sich verheerend auf unsere Umwelt auswirken – und seien sogar noch gefährlicher als zuvor.

      In Kombination mit Corexit potenzierte sich die Giftigkeit und würde sich voraussichtlich noch in mehr als zwanzig Jahren verheerend im Golf von Mexiko auswirken. Dies attestierte der Meeresbiologe und ehemalige Professor der Universität von Alaska.

      Die altgedienten und seelenlosen Anwälte des Konzerns taten das, womit sie Jahre und Jahrzehnte zuvor immer Erfolge verbuchen konnten: Sie spielten auf Zeit – zehn Jahre, zwanzig Jahre, dreißig Jahre. Papantonio, der David gegen den Goliath, hielt mutig dagegen.

      »Der Konzern hat betrügerische, ja sogar hochkriminelle Züge an den Tag gelegt. Nur weil die Verantwortlichen Anzüge von Armani trügen, sich Rolex-Uhren leisteten, und mit einem britischen Akzent sprächen, würde das noch lange nicht bedeuten, dass es keine Krimi­nellen seien«, sagte er bei einer der vielen Gerichtsverhandlungen.

      Er untermauerte diese Charakterisierung mit Fakten:

      Allein die Bilanz der letzten fünf Jahre würde die Vermutung zulassen, dass das Gericht es nicht nur mit Kriminellen, sondern gar mit Soziopathen, mit kranken Menschen, zu tun zu habe. Die Bilanz in diesen Jahren: 26 Tote und 170 Verletzte.

      Und wer noch weiter in die Geschichte zurückblicken wolle, dem stünden die Haare zu Berge. All dies zeige, dass diese Kriminellen in Nadelstreifen nichts dazu lernen wollten. Sie hatten sich ihr eigenes Parallelreich geschaffen, und fühlten sich unangreifbar. Welche Macht würde es schon versuchen, sich mit über drei­hundert Anwälten anzulegen, von denen jeder viele tausend Dollar am Tag verdienten; war in vielen Zeitungen weltweit zu lesen.

      Insider wetteten zum damaligen Zeitpunkt darauf, dass der Konzern diesen Kampf verlieren würde. Sie verwiesen darauf, dass der neue Vorstands­vorsitzende des Konzerns bereits hohe Rücklagen durchgesetzt hatte.

      Der MMS vergab noch im gleichen Jahr neue Bohrlizenzen an verschiedene Konzerne. Noch nicht einmal zwei Jahre nach der Explosion der Deepwater Horizon vermeldete der neue Vorstandsvorsitzende bereits wieder einen Nettogewinn von 23,9 Milliarden Dollar. Ein britisch-niederländischer Konzern ließ im Mai 2013 wissen, dass er 320 Kilometer südwestlich von New Orleans einen neuen Bohrrekord aufstellen wolle; in 2.896 Meter Tiefe.

      Nein, diese gie­rigen Konzerne, eingebettet in ein Geflecht aus Unternehmen, einem Meer aus hochbezahlten Lobbyisten, großen Anwaltskanzleien, Banken und willfährigen Politikern – sie würden weitermachen, als sei nichts geschehen. Sie würden noch größere Schäden anrichten, und der Mutter Erde weitere riesige Wunden zufügen. Allein die Fracking-Technologie würde jegliches Vorstellungsver­mögen sprengen. Einige Affen- und Hundearten weisen eine höhere Empathie auf, als viele Manager multinationaler Konzerne, dachte Bodo. Diese Burschen verbargen ihre Defizite geschickt hinter anerlernten Rhetoriktechniken. Dem Vorstandsvorsitzenden des englischen Konzerns attestierte die Fachpresse ein gewinnendes Wesen und einen jungenhaften Charme. Dieser gleiche, joviale und charismatische Mann vergnügte sich auf seiner großen Yacht in klaren, englischen Gewässern, während im Golf von Mexiko unzählige Menschen um ihre Existenzen kämpften, während tausende Helfer die giftige, braune Brühe in große Behälter schöpften, und später in Krankenhäuser eingeliefert wurden; während hochbezahlte Manager nur ein Ziel kannten: Die Wahrheit vor der Öffentlichkeit zu verschleiern, und hierfür riesige Summen auszugeben. Wie blanker Hohn klang der Satz dieses gefeierten Topmanagers mit den freundlichen Augen: »Die Menge an Öl und Chemikalien im Meer ist doch sehr gering im Vergleich zum Wasser, das es dort gibt.« Besser konnte sich der Vorstandsvorsitzende eines der größten Konzerne weltweit nicht charakteri­sieren.

      Doch sie waren in der Überzahl. Wer sollte diese Heerscharen an gierigen, egoistischen und vor allem mächtigen Parasiten aufhalten? Ein Gebirge, so hoch wie das Himalaya-Massiv, lastete auf Bodos Seele.

      Bodo hatte Iris nicht kommen hören. Wortlos kam sie näher, und setzte sich auf die Bettkante. Wie so oft lag Bodo angezogen auf dem Bett und blickte zur Decke. Ohne seinen Kopf zu wenden, tastete seine rechte Hand nach Iris. Sanft nahm sie seine Hand. Beide schwiegen.

      Es mochten vielleicht fünf Minuten vergangen sein, als Bodo plötzlich im großen Bett etwas zur Seite rückte. Instinktiv kuschelte sich Iris vorsichtig an seine Seite. Sie spürte die Wärme seines Körpers. Um nichts auf der Welt wollte sie diesen Moment zerstören. Sie wagte kaum, zu atmen. Diese wohltuende Geste ihres Geliebten wollte sie so lange wie möglich auskosten. Sie hätte allerdings Jahre ihres Lebens geopfert, wenn eine Stimme ihr verraten würde, was in diesem Moment in Bodo vor sich ging. Die in Fachkreisen anerkannte Psychologin wäre über die Wahrheit erschrocken und höchst erstaunt gewesen. Iris kam gerade in einem wichtigen und richtigen Moment. Ihre Anwesenheit tat ihm gut – wie noch nie in all den vielen Jahren. Sie verströmte Wärme und Geborgenheit; eine Wärme, die er nur von seiner Mutter in seiner frühen Kindheit kannte.

      In den zurückliegenden Jahren hatte Bodo Höllenqualen durchlitten. Selten fand er Ruhe.

      In seinem Kopf spulten sich Bilder ab, rauschten unzählige Eindrücke von seinen vielen Aktionen an ihm vorbei, hörte er die Schreie von gequälten Kreaturen. Es rumorte und es kochte – unablässig. Diese Bilder verfolgten ihn vor allem in der Nacht. Seit Jahren konnte er nur vier Stunden pro Nacht schlafen. Und heute - empfand er Stille. Es war eine wohltuende Stille, herrliche Stille - eine Stille, die seine Seele streichelte.

      Ein Geräusch ließ Iris aufhorchen. Sie öffnete die Augen. Es war inzwischen dunkel geworden. Als sie zur Tür blickte, erkannte sie Oles Gesicht. Mit einer beruhigenden Geste schloss er von draußen leise die Tür. Für Iris gab es nur eine Erklärung. Sie musste eingeschlafen sein. Sie horchte angestrengt in das Dunkel hinein. Bodo atmete tief und gleichmäßig. Nach einigen Minuten der Stille stellte sie fest, dass es sie fröstelte. Vorsichtig versuchte sie, die Bettdecke nach oben zu ziehen.

      »Sag bloß, ich habe geschlafen«, hörte sie Bodos Stimme. »Jetzt liege ich mit einer attraktiven Frau im Bett - und schlafe ein.« Er lachte leise.

      »Wir werden es nachholen. Ganze Nächte lang«, flüsterte Iris.

      Bodo tastete nach seiner Nachttischlampe.

      »Lass das Licht noch eine Weile aus«, bat Iris.

      »Darf ich dich in Bad Vilbel besuchen?«, fragte sie schließlich leise, und tastete erneut nach Bodos Hand.

      »Willst du damit sagen, dass ich nach Hause gehen darf?« Bodos Stimme klang sichtlich erregt.

      »Auch das hier war die ganze Zeit dein Zuhause.«

      Iris beugte sich rasch zu Bodo hinüber. Sie gab ihm einen Kuss auf die Lippen, um anschließend flink

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