Wounded World. Tessa Koch
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„Ja.“ Ich blicke wieder auf den Fernseher. „Es müssen Hunderte sein, die versuchen, die Stadt zu verlassen. Und so kommt es zu immer mehr Unfällen.“
„Wenn sie sagen, dass wir in unseren Wohnungen bleiben sollen, dann machen wir das erstmal auch. Wir wissen nicht, womit wir es zu tun haben, was da draußen los ist. Ich glaube, hier drinnen sind wir erstmal sicherer als irgendwo dort draußen auf den Straßen.“
Gerade spielen sie Bilder der Massenkarambolage ein. Überall ist Qualm, Blut, zersplittertes Glas und Tote. Mein Magen wird schwer nach unten gezogen. „Damit hast du wohl recht.“
„Setz dich, Eve. Ich will mir deine Hand mal ansehen. Und so wie es aussieht, sollten wir es uns wohl ohnehin erstmal gemütlich machen.“ Adam deutet mit einem schiefen Lächeln auf die breite Ledercouch, neben der ich die ganze Zeit stehe. Bisher hat sich alles in mir dagegen gesträubt, mich hinzusetzen, zu akzeptieren, dass ich vorerst in der Wohnung meines Ex-Freundes und seiner neuen Flamme gefangen bin.
Doch nun komme ich seiner Aufforderung seufzend nach. „Ich wollte nur deine Sachen vorbeibringen. Wer hätte geahnt, dass ich gleich auf unbestimmte Zeit hier bleiben muss?“
„Es tut mir leid.“ Als ich von meiner Hand, die er gerade desinfiziert, zu ihm aufsehe, verstehe ich, dass er sich für mehr entschuldigt als nur für meinen unfreiwilligen Aufenthalt hier. Er entschuldigt sich für all das, was in den letzten Wochen zwischen uns geschehen ist. Was er mir angetan hat. Wieder kommen die alten Fragen, die alten Gedanken in mir hoch. Ich will ihn fragen, weswegen all das geschehen musste, weswegen er mir, uns, keine Chance gegeben hat. Ich will ihn fragen, ob er Clarissa wirklich liebt, ob es tatsächlich keine Hoffnung mehr für uns gibt. Ich will so vieles von ihm wissen, so vieles erfahren. Da sind so viele unbeantwortete Fragen in meinem Kopf, in meinem Herzen.
„Ich erreiche sie nicht!“ Clarissa kommt wieder in den Raum und schreckt mich aus meinen Gedanken, dem Gefühlschaos in mir. „Das ganze Netz scheint zusammengebrochen zu sein, ich komme einfach nicht durch!“
„Das wundert mich nicht.“ Adam nickt mit dem Kinn in Richtung Fernseher. „Durch die ganzen Unfälle und alles ist Panik ausgebrochen, es versuchen Hunderte, die Stadt zu verlassen. Und wahrscheinlich versuchen noch mehr, Familie und Freunde zu erreichen. Das Netz muss vollkommen überlastet sein. Sieh nur, Clairy.“
„Was?“ Sie nähert sich langsam dem Fernseher, fast so, als würde sie sich vor den Bildern fürchten. „Wieso verlassen sie die Stadt?“ Sie dreht sich zu uns um, blickt uns starr an. „Was zum Teufel ist denn hier los? Die ganzen Unfälle, die Militär-Hubschrauber, jetzt diese Flüchtlingswelle …“
„Keine Ahnung.“ Adam wirkt angespannt. „Ich denke, dass wir es erfahren werden, wenn der Präsident die Pressekonferenz gibt.“
„Und wenn es wirklich ein Terroranschlag war? Sollten wir nicht auch lieber aus der Stadt? Adam, Babe, wir könnten zu meinen Eltern!“
„Solange wir nicht wissen, was da draußen los ist, sollten wir die Wohnung lieber nicht verlassen, Schatz.“
„Was meinst du mit Solange wir nicht wissen, was los ist? Wir wissen sehr gut, was los ist! Es gab Dutzende Unfälle mit Hunderten Toten! Direkt vor unserem Haus wurde ein Junge erschossen! Wir sollten die Stadt so schnell wie möglich verlassen, bevor die Terroristen noch unser Wohnhaus in die Luft sprengen!“
„Sieh dir doch diese Bilder an!“ Hitzig deutet Adam auf den Fernseher, Aufnahmen Dutzender Autounfälle. „Alle versuchen gerade aus der Stadt zu kommen – was glaubst du, wie weit wir kämen, hm? Wenn wir nicht sogar in einen dieser Scheißunfälle verwickelt würden. Die Leute haben Panik und fahren sich gerade alle gegenseitig über den Haufen! Außerdem … außerdem denke ich nicht, dass es Terroranschläge sind.“
„Was soll es denn dann sein? Ein Zug ist entgleist und es gab eine verdammte Explosion!“
Adam sieht von meiner Hand auf und blickt mir direkt in die Augen. Ich sehe die Anspannung in seinem Gesicht, die Angst in seinen Augen. Ich weiß, welche Bilder er gerade im Kopf hat, ich weiß, an was er gerade denkt. Auch ich sehe wieder den Jungen vor mir, den toten Jungen, dessen Körper mit einem furchtbaren Geräusch entzwei reißt. Und der dennoch versuchte, mich zu fassen, mich zu greifen.
„Clarissa.“ Meine Stimme klingt noch immer unnatürlich hoch. Seit dem Unfall rast mein Herz kontinuierlich, meine Gedanken überschlagen sich, so wie die Ereignisse in dieser Stadt. „Der Junge, den die Polizisten erschossen haben … Er war tot.“
„Ja, sie haben ihm mitten ins Gesicht geschossen, wer wäre da nicht tot?“
„Nein, du verstehst nicht.“ Ich schlucke schwer. „Er war schon vorher tot. Bei dem Unfall ist er überfahren worden, er lag unter den Vorderrädern des Wagens. Und als er sich befreien wollte … er riss entzwei, wie eine Puppe! Und er hat dennoch gelebt!“
„Und als sie die Fahrerin aus dem Wrack gezogen haben, hat sie nicht mehr geatmet.“ Adams Hände zittern, während er behutsam einen Mullverband um meine Hand wickelt. „Doch als wir vorhin aus dem Fenster gesehen haben, war sie fort.“
„Sie werden ihre Leiche weggeräumt haben. Sowas muss ja auch echt nicht allzu lange rumliegen.“ Sie zieht ihre Nase angewidert kraus.
„Nein!“ Ich erschrecke selbst über meine Heftigkeit. „Sie waren tot! Aber sie haben dennoch gelebt, verstehst du? Die Frau aus dem Auto, sie griff einen der Helfer an! Und der tote Junge hat versucht, mich irgendwie zu fassen!“
Kurz sieht Clarissa uns an, dann fängt sie an zu lachen. „Also laufen da draußen Tote herum, wollt ihr mir das sagen? Die uns Menschen fressen wollen? Meint ihr, dass uns eine verdammte Zombie-Apokalypse bevorsteht?“ Sie lacht wieder. Adam und ich sehen uns erneut an, ich kann in seinem Blick dieselbe Verunsicherung lesen, die auch ich empfinde. Nun, wo Clarissa es ausgesprochen hat, wirkt es einfach nur lächerlich. Mehr noch: Es klingt absolut verrückt.
„Aber … wir haben es gesehen.“ Adam klingt wie ein verschämter Schuljunge.
Clarissa hört zu lachen auf. „Leute“, sagt sie nun sanft, „ihr habt da draußen einen schweren Unfall gesehen. Einen Unfall, bei dem es Tote gegeben hat. Ihr steht unter Schock, verständlicherweise. Ich wüsste nicht, wie ich reagieren würde, wenn ich einen echten Toten aus nächster Nähe sehen müsste. Da kann einem das Gehirn schon einmal einen Streich spielen. Sie haben die anderen Leichen bereits weggeräumt, deswegen waren sie verschwunden.“
„Du hast doch aber selbst gesehen, wie der Junge den Polizisten angegriffen hat“, wende ich halbherzig ein. Ihre Worte, ihre Argumente sind viel zu überzeugend, viel zu realistisch. Und dennoch kann ich noch immer nicht ganz von dem ablassen, was ich meine gesehen zu haben.
„Eve, der Junge war halbiert und lag im Sterben. Er muss unglaubliche Schmerzen gehabt haben. Ich würde vermutlich auch um mich beißen und schlagen, wenn mir so etwas passierte. Er muss geradezu wahnsinnig vor Schmerz geworden sein.“ Sie seufzt auf. „Dennoch hätten sie ihn nicht gleich erschießen müssen … so mitten ins Gesicht …“
Wir verfallen ins Schweigen und denken alle über das nach, was gesagt worden ist. Ich komme nicht umhin mir einzugestehen, dass Clarissas Erklärungen Sinn ergeben. Das Auto hätte mich beinahe erfasst. Wäre Adam nicht gewesen, hätte ich vielleicht unter den Rädern gelegen. Außerdem sind wir beide ziemlich hart auf dem Boden aufgeschlagen,