Wounded World. Tessa Koch
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Sie verschränkt die Arme vor der Brust. „Es tut mir leid, dass ich hier kein Waffenarsenal horte, du wirst mit dem auskommen müssen, was du durch dein Herumgeschnüffel findest.“
„Wir alle müssen damit irgendwie auskommen.“ Ich seufze, lasse geschlagen von den Schränken unter der Spüle ab und erhebe mich. „Es reicht nicht. Da draußen sind Hunderte, wenn nicht sogar Tausende von diesen Viechern. Wir brauchen richtige Waffen, bessere.“ Ich blicke auf meine mickrige Ausbeute.
„Wir müssen in die anderen Wohnungen.“ Ich drehe mich zu Adam um, ich habe nicht mitbekommen, dass er ebenfalls hinter uns hergekommen ist.
„Was?“ Clarissa fährt zu ihm herum. „Du willst bei den anderen einbrechen?“
„Clairy, Babe, wir brauchen Waffen. Eve hat recht, wir müssen uns irgendwie verteidigen können, wir alle.“
„Jetzt bist du also auf ihrer Seite?“ Sie funkelt mich an, die alte Feindseligkeit in ihrem Blick.
„Es geht hier nicht um irgendwelche Seiten, es geht darum, dass wir überleben!“ Adam wird hitzig und macht einen Schritt auf sie zu. „Da draußen geht gerade die beschissene Welt unter! Wir haben keine Zeit, um uns Gedanken darüber zu machen, ob es vielleicht moralisch verwerflich sein kann oder was weiß ich. Es geht hier nämlich um unser Überleben!“
„Außerdem denke ich nicht, dass noch allzu viele hier sein werden“, sage ich leise. Ich habe das Bild eines in die Enge getriebenen Mannes vor Augen, den ich vorhin auf der Straße sah. Er versuchte mit seinem Koffer die Dinger von sich fernzuhalten, doch ich bin mir sicher, dass er es nicht geschafft hat. Es war der Mann, dem Adam vor wenigen Stunden noch zugerufen hat, er solle in seiner Wohnung bleiben und alles verschließen.
Noch immer hat Clarissa ihre Arme vor der Brust verschränkt, noch immer blickt sie mich wütend an. Doch sie widerspricht nicht, auf mehr können wir momentan nicht hoffen. „Also gut.“ Adam wirft ihr einen schnellen Blick zu, dann wendet er sich an mich. „Wir sollten erst einmal schauen, was wir in der Nachbarwohnung finden, bevor wir uns in eine andere Etage wagen.“
„Klingt nach einem Plan“, erwidere ich nervös.
Er streckt seine Hand nach mir aus und berührt mich sanft an der Schulter. „Wir schaffen das. Also los.“ Er wirft uns einen letzten Blick zu, dann tritt er aus der Küche, Clarissa dicht hinter sich. Ich schaue den beiden nach, blicke dann wieder zu den paar Sachen, die ich gefunden habe. Bevor ich den beiden folge, nehme ich mir den Fleischklopfer.
Adam und Clarissa sind bereits aus der Wohnung heraus und stehen vor der Tür des Nachbarn. Die Tür ist nur angelehnt, in der Wohnung dahinter ist es ruhig. „Ich finde immer noch, dass wir das nicht tun sollten“, flüstert Clarissa.
„Wir müssen.“ Adam wirft uns einen letzten Blick zu, dann stößt er die Tür weit auf und betritt uns voran die fremde Wohnung. Clarissa schaut mich alarmiert an, folgt ihm aber sofort. Ich hole tief Luft und folge den beiden dann ebenfalls. In der Wohnung ist es dunkel, die Rollläden sind vor den Fenstern herunter gelassen. Auf den ersten Blick scheint es mir, dass sie denselben Schnitt hat wie Clarissas Wohnung; auch hier ist der Flur lang und läuft in das Wohnzimmer aus, dem größten Raum der Wohnung. Küche, Schlafzimmer und Bad liegen hinter den geschlossenen Türen zu unserer Linken und Rechten.
Adam geht uns geduckt voran auf das Wohnzimmer zu, seine Muskeln sind angespannt. Ich will ihm gerade folgen, als ich eine Bewegung aus dem Augenwinkel ausmache. Im nächsten Moment fliegt die Tür zu meiner Linken auf, eines dieser Dinger kommt aus dem Raum und stürzt sich augenblicklich auf Adam. Es reißt ihn zu Boden, er schreit erschrocken auf, seine Hand tastet nach dem Messer, dass er vor Schreck fallen gelassen hat. Ich mache einen Satz nach vorne, hole weit aus und schmettere dann den Fleischklopfer fest auf den Kopf des Wesens. Blut spritzt, direkt in mein Gesicht. Ich hole wieder aus, schlage wieder zu, solange, bis es sich nicht mehr rührt.
Schwer atmend blicke ich von dem toten Ding zu Adam auf, der mich erschrocken, aber unversehrt ansieht. „Lass – nie – deine – Waffe – fallen!“, schnaube ich und halte den Fleischklopfer in die Höhe. Der Edelstahl ist über und über mit Blut verschmiert.
Er starrt mich weiterhin an, überrascht. Dann lacht er auf. „So kenne ich meinen Engel, wenn es sein muss bissig wie ein Terrier!“
Ich lächle ihn an. „Mir wäre es aber lieber, wenn es nicht noch einmal vorkommen muss.“ Langsam stehe ich auf und halte ihm dann meine unverletzte Hand hin, um ihm ebenfalls auf die Beine zu helfen.
Er grinst noch immer, als er sie ergreift. „Ja, das wäre es mir auch.“ Ich ziehe ihn hoch. „Dann lasst uns die verdammte Wohnung mal unter die Lupe nehmen.“ Er bückt sich nach seinem Messer. „Sorry“, sagt er, als er mit dem Gesicht auf Höhe des Toten ist, „aber ich mochte dich eh noch nie, Derek.“
„Hoffen wir mal, dass er der einzige hier war“, erwidere ich. Auch ich sehe auf die Leiche, Derek. Sein Kopf ist zertrümmert, das Gesicht dadurch kaum noch zu erkennen. Nun, wo das Adrenalin langsam aus meinen Adern weicht, wird mir etwas übel bei dem Gedanken, dass ich das gewesen bin, dass ich ihm den Schädel eingeschlagen habe. Auch wenn er einer von den Untoten gewesen ist, so war er vorher einmal einer von uns. Ein Mensch mit Gedanken, Gefühlen, Träumen.
„Ja.“ Auch Clarissa ist grün im Gesicht, eine Hand hat sie auf ihren Bauch gepresst. „Er lebte alleine hier … Gott, du hast ihn einfach so getötet.“
„Nicht einfach so, Clairy. Sie hat ihn getötet, weil er sonst mich getötet hätte. Oder was auch immer.“ Kurz schweigen wir alle. „Und nun lasst uns endlich die Wohnung nach brauchbarem Zeug absuchen, ja?“
Wir teilen uns in der Wohnung auf. Ich betrete leise das Schlafzimmer, den Fleischklopfer locker in der Hand, bereit, ihn notfalls wieder zu benutzen. Doch das Schlafzimmer ist leer. Ich schalte das Licht ein und schaue mich in dem spartanisch eingerichteten Raum um; Bett, Nachttisch, Kleiderschrank und ein Stuhl mit abgelegten Klamotten, mehr befindet sich nicht in dem Zimmer. Ich trete an das Bett und setze mich vorsichtig auf die Kante. Auf dem Nachttisch steht eine Pillendose und als ich sie näher betrachte, sehe ich, dass es Schlaftabletten sind. Doch die Dose ist leer.
„Deswegen kam er zurück“, murmele ich. „Er hat sich mit den Tabletten umgebracht. Oder wolle es zumindest.“ Ich stelle die Dose zurück auf das Tischchen und öffne dann die erste Schublade von diesem. In ihm liegen eine Tube Gleitgel, Taschentücher und ein Schmuddelheft. „Also wirklich, Derek …“ Schnell schiebe ich sie wieder zu und spüre wie ich rot werde. In der anderen Schublade befinden sich Antibiotika, noch mehr Schlaftabletten und eine kleine Flasche Jägermeister. „Keine besonders gute Kombi“, flüstere ich als ich die Medikamente herausnehme. Kurz zögere ich, dann nehme ich auch die Flasche an mich. „Kann nicht schaden.“ Ich lege alles gesammelt neben mich auf das Bett, dann erhebe ich mich, um den Raum weiter zu untersuchen.
Die Klamotten im Kleiderschrank sind ordentlich eingeräumt, die Hemden hängen auf Bügeln. Auf dem Boden des Schrankes stehen vier Paar Schuhe, daneben ist ein Karton. Ich knie mich hin und öffne ihn. Dutzende Fotos liegen in ihm, außerdem mehrere Bücher. Als ich sie herausnehme, sehe ich, dass es sich um Tagebücher handelt. Bis auf eines sind sie bis auf die letzte Seite beschrieben.
Ich wiege das leere Buch in meiner Hand, dann werfe ich es zu den anderen Sachen auf das Bett. Danach stehe ich auf, schließe den Schrank wieder und stelle mich auf die Zehenspitzen, um zu sehen, was noch obenauf liegt. Doch ich kann es nicht erkennen. Ich sehe mich im Raum um und mein Blick fällt wieder auf den Stuhl