Mord(s)-Geschichten zwischen Nord- und Ostsee. Rainer Ballnus
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Alle Achtung, der Bursche hat Sachverstand, dachte Karin Berger und nickte stumm. Sie musterte den Ganoven unauffällig und ging nach hinten. Der Räuber stellte sich so hin, dass er beide im Auge hatte. Der Juwelier stöhnte leise, rührte sich aber nicht.
Irgendwo in der Ferne ertönte ein Martinshorn.
„Schneller! Schneller!“ schrie der Räuber und schoss einmal in den Spiegelschrank. Die Scheiben klirrten ohrenbetäubend, und der Industrielle zuckte zusammen. In diesem Augenblick betrat ein Kunde das Geschäft.
Kommissar Blauert schaute die Angestellte fest an.
„Ich fasse noch mal kurz zusammen. Es war Ihnen also noch möglich, einen Alarmknopf neben dem Tresor zu drücken. Sie haben nur einen verschwindend kleinen Geldbetrag ausgehändigt, aber aus der Vitrine, da hat er sich die besten Stücke selbst ausgesucht. Ist das so richtig?“
Die immer noch eingeschüchterte Verkäuferin nickte.
„Der hatte einen Blick dafür, das können Sie mir glauben.“
„Und wie war das mit dem hereinkommenden Kunden?“
„Der sah den maskierten Räuber und wollte sofort türmen, doch der Gangster schoss nochmals in die Decke, und der Mann musste sich auf den Fußboden legen, genau da, wo mein Chef auch lag.“
Blauert drehte sich um. Der Juwelier lag auf einer Trage und wurde immer noch vom Notarzt behandelt. Es hatte ihn bös erwischt.
„Na, wie sieht’s aus Doktor? Ist es schlimm?“
„Ziemlich schlimm. Ich denke, eine Schädelfraktur. Er muss schleunigst in die Klinik.“
„Kann ich ihn noch was fragen?“
„Ja, aber nur ganz kurz“, nickte der Mediziner.
Der Ermittler trat dichter an den Inhaber heran.
„Herr Berner, ich will Sie nicht lange quälen. Nur eine Frage: Ist Ihnen irgendetwas Besonderes aufgefallen?“
Gespannt schaute er den Geschäftsmann an, doch der Zusammengeschlagene schüttelte nur kaum merklich den Kopf.
Blauert drückte seine Hand und drehte sich um. In einer Ecke saßen die beiden Kunden in den bequemen Sesseln und machten nicht den fröhlichsten Eindruck. Der Schreck saß ihnen offenbar immer noch in den Gliedern. In diesem Augenblick tippte ihm von hinten sein Kollege auf die Schulter.
„Du Jürgen, wir sind hier mit der Spurensuche soweit fertig. Absolut nichts. Muss’n Profi gewesen sein.“
„Mhm und die beiden da?“ Blauert deutete auf die Kunden.
„Mensch, die haben doch jetzt noch Sch...“
„Junge, ich will wissen, ob die was gesagt haben, oder ob wir sie entlassen können?“
„Okay. Okay, Jürgen, ist ja schon gut. Von mir aus können sie gehen, ich hab’ sie ausgequetscht, aber wie gesagt, es war nichts dabei, was uns weiterbringt.“
Blauert nickte kurz.
„Dann verabschiede die Herren jetzt.“
Er selbst drehte sich um und suchte mit seinem Blick die Verkäuferin. Sie kam gerade aus der kleinen Werkstatt. Blauert ging ihr entgegen.
„Wir gehen jetzt. Wenn Ihnen noch etwas einfällt, Sie kennen ja meine Nummer.“
Er war unzufrieden, nicht, weil er im Augenblick offenbar auf der Verliererseite stand, das war er in seinem Job gewohnt. Ihn ärgerte immer wieder die Gleichgültigkeit der Menschen. Er verlangte ja von niemandem, dass er sich jedem Gangster in die Quere stellte, aber ein bisschen mehr Umsicht hätte er sich schon gewünscht. Und dieser Laden hier in der Holstenstraße im Zentrum von Kiel war nicht das erste Mal überfallen worden.
Zwei Tage später saß Blauert in seinem Büro und kaute immer noch an dem Fall. Das Telefon klingelte.
„Blauert. Mhm, ob ich was? Nein, noch nichts Gravierendes. Aber Sie...waaas??“
Er kam aus seinem Stuhl hoch.
Der Hehler Klaus Stöber hielt die letzte Kette prüfend gegen das Licht.
„Gratuliere, alter Junge, da hast du wieder einmal den richtigen Riecher gehabt.“
„Was heißt Riecher, ich bin halt ein Profi, das solltest du doch wissen. Was schätzt du, ich meine so ungefähr?“
Toni Schubert sah den Hehler lauernd an.
„Na ja, so knappe 50.000 werden dabei schon für dich herausspringen, aber genau...“
„Was mehr nicht? Klaus, ich warne dich, die Klunker hier sind doch mindestens eine halbe Million wert, und da willst du mich mit billigen 50.000 Euro abspeisen?“
„Langsam, langsam Toni, ich muss die Dinger ja auch absetzen können. Erst dann kann ich dir auch Genaueres sagen. Wirklich, ich will dich nicht übers Ohr hauen.“
Der Juwelenräuber grinste breit.
„Das will ich dir auch nicht geraten haben! Sonst...“
Er demonstrierte mit seinen Händen, dass er ihm den Hals umdrehen würde.
„Keine Angst, Toni, das geht schon in Ordnung. Ich nehm’ den Kram mit.“
Toni Schubert nickte und schaute kaum hoch, als Klaus Stöber ging. Der Räuber wusste es heute schon: Nach ein paar Wochen würde er in den von ihm ausgeraubten Laden gehen und sich ein Schmuckstück kaufen. Schon jetzt freute er sich darauf wie ein kleines Kind, als Räuber von diesem Juwelier persönlich bedient zu werden. Dieses Spielchen wiederholte sich jedes Mal: Er kaufte stets zweimal in dem Laden, einmal beim Ausbaldowern und einmal nach dem Überfall. Das war für ihn eine Art Ritual, auf das er nicht verzichten wollte. Es klingelte. Toni Schubert wähnte sich in völliger Sicherheit und öffnete völlig ahnungslos die Tür.
„Guten Tag, Blauert, von der Kripo. Das ist mein Kollege...“
„Kripo? Was verschafft mir denn diese Ehre?“
Der Kommissar machte einen Schritt nach vorn.
„Dürfen wir reinkommen?“
Toni Schubert schüttelte den Kopf.
„Ich wüsste nicht, warum...“
Blauert wurde deutlicher.
„Aber wir, Herr Schubert. Kennen Sie so was?“
Er hielt ihm mit Genugtuung ein rotes Blatt vor die Nase. Nun musste der Räuber doch schlucken.
„Ein...ein Haftbefehl? Das ist sicherlich ein...“
„Irrtum, meinen Sie? Ich glaube kaum. Darf ich mal?“
Der Chef-Ermittler trat ganz dicht an den verblüfften Schubert heran, und mit