Der Tanz der Heuschrecken. Ulrich Fritsch
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„Ich möchte Ihnen etwas anvertrauen“, sagte sie nach einer längeren Pause zögernd. „Quasi als Gegenleistung für meinen unglaublichen Faux pas im Kaufhaus. Aber Sie dürfen auf keinen Fall darüber sprechen. Sonst bin ich geliefert. Können Sie mir das zusagen?“
„Ja, natürlich.“
Leon Petrollkowicz ließ sich nicht anmerken, dass er aufs Äußerste angespannt war. Er wusste, dass sein Gegenüber an einer Stelle in der Bank saß, wo früher seine jetzige Kollegin den Ton angegeben hatte und die man ihm sozusagen aufs Auge gedrückt hatte. Obgleich er Alleingesellschafter seiner Firma war, musste er sich dem Diktat seines größten und bedeutendsten Kunden, der Cassa Nostra AG, beugen. Offiziell wollte man ihm jemanden zur Seite stellen, der die Intentionen der Kunden aus dem Blickwinkel einer Bank kannte und deshalb vermeintlich nur ein Gewinn für die Firma sein konnte. Den wahren Grund hatte er nie erfahren. Seine Gedanken wurden durch eine Frage von Helen Laroche unterbrochen. „Ihre Kollegin in der Geschäftsführung ist doch Emma Hengstenberg?“
Als Leon Petrollkowicz nickte, fuhr sie sehr behutsam fort: „Könnte man vielleicht sagen, dass Ihr Verhältnis zueinander nicht gerade sehr kollegial ist?“ Leon Petrollkowicz nickte diesmal nicht mit dem Kopf, sondern ließ seine Augenlider fast unmerklich auf eine Habachtposition abgleiten.
„Ich weiß, dass Sie hierüber nicht gerne sprechen wollen“, sagte Helen Laroche, „und das ehrt Sie auch. Aber diese Rücksichtnahme ist leider einseitig.“
„Und was heißt das?“ Eine lange Pause. Helen Laroche tat für Augenblicke so, als würde sie sich interessiert die Leute im Lokal ansehen, bestellte dann beim Ober einen Salat, sah teilnahmslos zum Fenster hinaus, um dann unvermittelt Leon Petrollkowicz fest in die Augen zu schauen. „Sie müssen mir wirklich versprechen, dass Sie das, was ich Ihnen sage, keinem Menschen wiedererzählen. Das könnte mich die Stellung kosten.“
Leon Petrollkowicz wurde neugierig. Er hob mit gespielter Gleichgültigkeit zwei Finger seiner Schwurhand in Richtung Decke und zerquetschte mit der anderen ein neben seinem Teller liegendes Brötchen. „Das habe ich Ihnen doch schon versichert.“
Ein Verschwörerausdruck huschte über das Gesicht der schönen Frau. „Emma Hengstenberg nutzt jede Gelegenheit, um Sie bei Dr. Maibohm zu diskreditieren. Sie dürfen nicht vergessen, dass sie vom Vorstand abgestellt wurde, damit dessen Interessen wirkungsvoll vertreten werden. Sie sollen in ihren Kampagnen das Image der Topmanager verbessern helfen, was Ihnen offenbar schwerfällt. Frau Hengstenberg kontrolliert Sie aber nicht nur, Sie sägt auch an Ihrem Stuhl.“
Wieder eine längere Pause. Leon Petrollkowicz hob ungläubig die Augenbrauen. „Wie das? Ich habe dieser Frau doch nichts getan.“
„Sie wissen sicherlich, dass Frau Hengstenberg in einer Stabsfunktion damit beschäftigt war, diverse Aufsichtsratmandate zu betreuen. Als man sie aber auf die Kreditseite herüberzog und sie auf Großkunden losgelassen wurde, versagte sie kläglich. Sie ist sehr gescheit, aber Ihr fehlte das Feeling für das Geschäft und für den Kunden. Weil sie wohl die Aufgabe nicht meisterte, wurde sie zunehmend schwieriger, unberechenbarer und falsch. Als sich ein Großkunde beim Vorstand beschwerte, suchte man nach einer Lösung. Schließlich einigte man sich im Vorstand darauf, sie in Ihre Firma abzuschieben. Man war sie los und jemand konnte Ihnen auf die Finger schauen.“
Leon Petrollkowicz schnaubte verächtlich. „So ist das also. Man hat zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Wenn jemand in gewisser Weise enttäuscht oder unbequem wird, geht man nicht den Weg einer arbeitsrechtlichen Lösung, die unter Umständen recht teuer ist, sondern sucht einen Posten in einer für das Geschäft nicht so wichtigen Firma und entgeht damit dem nach einer Trennung üblichen Gequatsche oder den gezielten Indiskretionen in einer von der Diskretion lebenden Branche. Außerdem hat man mehr Kontrolle über meine Firma.“
„So ist es.“ Petrollkowicz schüttelte verständnislos den Kopf. „Und die anderen müssen sehen, wie sie mit diesem Implantat fertig werden. Aber welche Handhabe hat Frau Hengstenberg gegen mich? Schließlich stimmen wir doch alles untereinander ab.“
Helen Laroche hob mit einer Geste der Unentschiedenheit die Schultern.
„Wie es scheint nicht. Und hier ist schon einer der kritischen Punkte. Ihre Kollegin hat uns einen ganzen Aktenordner zukommen lassen, aus dem hervorgeht, dass sie Sie über jedes Detail schriftlich informiert und mit Ihnen abgestimmt hat, umgekehrt aber von Ihnen kaum ein Vorgang als Aktennotiz festgehalten wurde. Damit unterlegt sie ihre Behauptung, sie werde von Ihnen nicht auf dem Laufenden gehalten und habe deshalb keinen Einfluss auf wichtige Entscheidungen. Auf diese Weise entzog sie sich der Kritik an der letzten von ihrer Firma konzipierten PR-Kampagne und schiebt Ihnen alle Schuld in die Schuhe.“
Leon Petrollkowicz traute seinen Ohren nicht. Er hatte sich fast täglich mit seiner Kollegin über alle nur denkbaren wichtigen Vorgänge verständigt, weil für ihn der Dialog ein wichtiges Hilfsmittel zur Urteilsfindung sein konnte. Ihm war es allerdings lästig, seine wertvolle Zeit darauf zu verwenden, Aktennotizen am Fließband zu produzieren, um seine Kooperationsfähigkeit unter Beweis zu stellen und sich gegen falsche Behauptungen abzusichern. Das war offenbar sein Fehler. Aber im konkreten Fall war er sich doch mit seiner Kollegin und allen Gremien darin einig, eine ausbalancierte PR-Kampagne vorgelegt zu haben. Was sollte also diese Negativkritik?
„Ich weiß, was Sie denken“, fuhr Helen Laroche fort, ohne auf eine Erklärung ihres Gegenübers zu warten. „Erinnern Sie sich an die Passage in einer Anzeige, wo die publizistische Aufgabe der Banken gegenüber der Öffentlichkeit beschrieben wird?“
„Sie meinen die Stelle, in der es sinngemäß heißt: Unser kommunikatives Projekt ist der Sachverhalt. Ihn unverfälscht darzustellen, ihn nicht zu zerstören, bevor man ihn kommentiert, entspricht dem Freiheitspostulat, dem Ziel, den Konsumenten in den Stand zu versetzen, inmitten der Medien seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Dies setzt aber auf unserer Seite – der Seite der Manager – im Verkehr mit den Medien, der Presse, eines voraus, nämlich Offenheit in des Wortes direkter Bedeutung. Wir müssen sagen, was ist, wir dürfen nicht verschweigen oder verdecken.“
„Sie kennen den Text auswendig?“ Helen Laroche war beeindruckt.
„So gut wie. Wenn sie eine Anzeige hundertmal vorgelegt bekommen, redigieren und schließlich verabschieden, um sie dann in allen großen Zeitungen wiederzufinden, muss die Kernaussage haften bleiben. Aber was habe ich falsch gemacht?“
Helen Laroche tat sich mit der Antwort schwer. Sie setzte mehrere Male zu einer Erklärung an, blieb dann aber immer wieder in ihren Gedankengängen hängen.
„Man kann nicht direkt sagen, dass Sie etwas falsch gemacht haben. Ihr Auftrag lautete, das Bild des Managers in der Öffentlichkeit zu korrigieren. Man traut ihm nicht. Meinungsumfragen belegen, dass er das Image hat, der Öffentlichkeit im eigenen Interesse leicht etwas vorzugaukeln. Ihre Strategie bestand nun darin, die Absicht der Manager, mit Offenheit und Selbstkritik an die Öffentlichkeit zu treten, in den Mit
telpunkt der Kampagne zu stellen. Deshalb auch dieses Zitat.“
„Das übrigens von einem Manager stammt!“
„Mag sein. Die meisten Auftraggeber waren ja auch anfangs mit dieser Vorgehensweise einverstanden. Dann aber überzeugte Emma Hengstenberg meinen Chef, dass nicht Selbstkritik der richtige Weg sei, sondern das Herausstellen positiver Leistungen. Ihre Kollegin ist Ihnen in den Rücken gefallen. Ihr Image hat eine deutliche Delle erfahren.“