Der Tanz der Heuschrecken. Ulrich Fritsch

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Tanz der Heuschrecken - Ulrich Fritsch страница 8

Автор:
Серия:
Издательство:
Der Tanz der Heuschrecken - Ulrich Fritsch

Скачать книгу

auch etwas, woraufhin man unschwer ein Toupé ausmachen konnte, seitdem ein beliebtes Gesprächsthema für die nicht gerade pietätvolle Belegschaft dieser Marketingagentur.

      Aber Ampere gab sich nicht geschlagen. Er kämpfte unverdrossen weiter, wusste aber schließlich nicht mehr, gegen wen oder was, denn selbst die gefährlichsten Spötter hatten letztendlich Mitleid mit ihm und wollten auf keinen Fall riskieren, dass er sich selbst ins Aus katapultierte. Dafür war er als Faktotum zu wichtig. So näherte man sich ihm zunehmend gefälliger, sogar etwas Respekt vortäuschend, allerdings immer in der Sorge, er könnte sich der Unsinnigkeit seines Seins bewusst werden und die Stelle wechseln. Eines Tages musste er aus gesund­heitlichen Gründen ausscheiden. Er hatte eine seltene Blut­krankheit. Nach mehrwöchigen Krankenhausaufenthalten kehrte er nicht mehr in die Firma zurück. Leon Petrollkowicz war wieder mit dem ganzen Personalunwesen befasst, scheute sich aber, erneut einen Pausenclown einzustellen. Er war wie­der selbst gefordert.

      Giselle Frou aus dem Zimmer von August Mohren entfer­nen? Wenn er August Mohren und Martin von Alzheim, sei­nen engsten und besten Mitarbeiter, den er vor zwei Jahren von einer Großbank abgeworben hatte, zusammensetzen wür­de? Aber würde man dieser Dame mit einem eigenen Zimmer dann nicht zuviel Ehre erweisen? Und Mohren und von Alz­heim zusammen? Undenkbar, weil von Alzheim prestigebe­wusst war und zu seinem Status als Abteilungsleiter auch der Anspruch auf ein eigenes Zimmer gehörte. Oder sollte man die gesprächige Dame in das Großraumbüro setzen, wo der Schwall ihrer Worte in den schallgedämpften Sprecharchipe­len versickern und keinen Protest hervorrufen würde? Oder sollte man einfach die Angelegenheit vertagen und die Dame vorsichtig ermahnen, mit ihren Talenten sparsamer umzuge­hen? Leon Petrollkowicz entschied sich für die letzte Lösung. Sie war halt im Augenblick die bequemste.

      So war eben Leon Petrollkowicz, der an manchen Tagen, an denen seine Quali­fikation als einfühlsamer Patron gefordert war, lieber auf der Straße Postkarten verkauft hätte als in der Firma nach Pro­blemlösungen zu suchen. Nach dieser Verwaltungsarabeske schaltete er wieder auf seine eigentliche Aufgabe um, den Pro­fit der Firma zu mehren und bereitete sich auf das Gespräch mit Louis Sinopret vor, Chef der Staatlichen Kadabra-Bank, einem bedeutenden Kreditinstitut in Nordrhein-Westfalen. Er hatte schon vor Wochen diesen Mittagstermin vereinbart, bei dem über einen Großauftrag gesprochen werden sollte. Die Bank war wegen überzogenen Kreditengagements und wag­halsigen Spekulationsgeschäften in die Schlagzeilen gekom­men und wollte unter anderem über eine geschickte Medien­strategie ihr Image wieder aufpolieren. Auf diesem Gebiet war die Firma von Leon Petrollkowicz Spitze, weil sie mit glaub­würdigen und niemals mit schreierischen Konzepten die Kun­den bediente und manchmal sogar von größeren Kampagnen abriet, wenn gewisse Aussagen unglaubwürdig waren. Ob er Louis Sinopret eher restriktiv gegenübertreten würde, wollte er von dem Gespräch abhängig machen. Er konnte sich aber in diesem konkreten Fall durchaus vorstellen, einige interes­sante Geschäftsideen der Bank nach vorne zu kehren, um sie aus den negativen Schlagzeilen zu bringen. Eine anspruchs­volle und interessante Aufgabe, die er aber, wie sich in den nächsten Minuten herausstellen sollte, zumindest vorerst nicht lösen durfte. Als er nämlich entspannt und gutgelaunt seine Beine auf den Tisch legte, sich eine Zigarette anzündete und die Dialektik der in der Investor-Relationsarbeit immer wieder auftretenden Ansprüche und Widersprüche reflektier­te, wurde er durch einen Anruf von Martin von Alzheim aus seiner Sinnierlaune geweckt.

      „Ich kann es nicht für möglich halten!“

      „Was können Sie nicht für möglich halten?“

      „Soweit ich es richtig verstanden habe, will die Alte, Ent­schuldigung, Frau Hengstenberg, Ihren Termin mit Herrn Si­nopret vereiteln."

      „Wie bitte?“

      Martin von Alzheim konnte schon ein eigenartiger Vogel sein. Wegen des ihm angeborenen Misstrauens, das sich sogar gegen gute Freunde richtete, um so mehr gegen ihm nicht sehr gewogene Vorgesetzte, suchte er nach allen Wegen, der beargwöhnten Person auf die Schliche zu kommen. Einer da­von war die Abhörtechnik. So stieg er im Falle Hengsten­berg auf eine kleine Leiter in seinem Büro, die immer an der gleichen Stelle positioniert war, um zum Schein ein Buch in seiner großen Bücherwand zu suchen, in Wirklichkeit aber, um sein Ohr zwischen den Büchern an eine Stelle zu legen, wo nach einem Rohrbruch die Wand nur oberflächlich mit einer Tapete saniert war und man deshalb nach dem Weg­räumen einiger Bücher die Gespräche im Nebenzimmer we­nigstens bruchstückhaft belauschen konnte. Dies war natür­lich ein mühsames, von Leon Petrollkowicz nicht goutiertes Unterfangen, weil er seinen Mitarbeiter nicht auf der Lei­ter, sondern hinter seinem Schreibtisch sehen wollte. Aber manchmal machte sich dessen Klettereifer schon bezahlt. Oft reichten wenige Worte aus dem Nebenzimmer, um sich auf ein Gespräch oder Telefonat einen Reim machen zu können. Von Alzheim hatte natürlich im Laufe der Zeit seine Bücher­wandbesteigungen an gewisse äußere Umstände gekoppelt. Wenn Emma Hengstenberg ausflippte oder besonders freund­lich war, wenn sie der Sekretärin zurief, zu einem wichtigen Gesprächspartner durchzustellen, wenn einer ihrer erlesenen Berater an der Außentür klingelte oder in ihrem Terminkalen­der vielverheißende Eintragungen mit Zeitangaben standen, dann läuteten bei ihm die Alarmglocken. Außerdem hatte er seine Seilschaften, die ihm aus Papierkörben, beiläufigen Gesprächen Schreib- oder Sprachfetzen übermittelten, die er dann auf mögliche Informationen für seinen Chef auswertete.

      Im konkreten Fall gab sich von Alzheim einsilbiger als sonst. Wahrscheinlich konnte er selbst nicht glauben, was er da gehört hatte.

      „Wenn ich richtig verstanden habe, hat die Dame Ihre Un­terredung mit der Kreditbank abgesagt.“

      Leon Petrollkowicz verspürte einen heißen Stich im Magen und schüttelte ungläubig den Kopf. „Abgesagt? Das versteht doch kein Mensch. Schließlich ist das zur Zeit unser bester potentieller Kunde.“

      Von Alzheim druckste herum. „Ich hörte was von ‚zu tief ins Glas geschaut’ und ‚Sie wissen schon, wie das so ist, wenn man sich die Nacht um die Ohren schlägt’ und ‚Männer unter sich’ und so weiter.“

      Leon Petrollkowicz konnte und wollte es nicht fassen. Er legte auf, steckte sich erneut eine Zigarette an und sah durch das Fenster in den wolkenverhangenen Himmel. Diese Hexe, dachte er bei sich, wird mir das wohl hoffentlich nicht an­tun. Er wusste, dass sie den Kontakt zu den Damen in den Vorzimmern einflussreicher Leute pflegte und auch ohne be­sonderen Grund hier und dort anrief, aber meistens doch nur, um für sich schön Wetter zu machen. Dass sie ihn so mas­siv kompromittierte, war eigentlich noch nie vorgekommen. Dafür war Emma Hengstenberg zu geschickt. Als nach einer halben Stunde rein gar nichts von irgendeiner Seite verlau­tete – nichts vom Sekretariat, nichts vom Empfang, nichts von seiner Kollegin – ging er zu seinem Schrank und zog sich den Mantel an, um den für das Geschäft so wichtigen Termin wahrzunehmen. Unterwegs wollte er noch von Alzheim eini­ge Instruktionen geben, aber dazu kam es nicht mehr. Emma Hengstenberg teilt ihm auf den Gang mit, dass das Vorzim­mer von Herrn Sinopret angerufen und um Aufschiebung des Termins gebeten hätte. Man würde sich rechtzeitig wieder bei ihm melden.

      Leon Petrollkowicz sagte nichts. Er ging zurück in sein Zim­mer und rief seinen Vertrauensmann in der Staatsbank an, ei­nen alten Freund, den er noch aus den Tagen seines Studiums kannte. Dieser versprach sich umzuhören und wieder zurück­zurufen. Tatsächlich kam nach wenigen Minuten auf seiner Di­rektleitung, die nur wenigen Leuten zugänglich war, der Rück­ruf. Sein Gewährsmann konnte nichts Konkretes erfahren. Feststand, dass der Termin abgesagt wurde, aber nicht von Sei­ten der Bank. Damit war für Leon Petrollkowicz klar, dass sei­ne Gegenspielerin ihn in unerträglicher Weise kompromittiert haben musste und ihm gar keine andere Möglichkeit blieb, als ihr den Garaus zu machen. Jetzt versuchte er erst einmal über die Sekretariate den für die Firma so wichtigen Gesprächster­min zu retten. Aber der Chef der Bank hatte angeblich anders disponiert und war schon auf dem Weg zum nächsten Termin, um dann von dort aus für mehrere Tage ins Ausland zu fliegen. Natürlich erfuhr Leon Petrollkowicz nicht, was Louis Sinopret im einzelnen vorhatte, wann

Скачать книгу