Der Tanz der Heuschrecken. Ulrich Fritsch

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Der Tanz der Heuschrecken - Ulrich Fritsch

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um die Reaktion des anderen zu erkennen. In diesem Fall reichten ein nachdenklicher Gesichtsausdruck, ein melancholischer Blick und eine defensive Körperhaltung um dem Gegenüber zu signalisieren, was man meinte. Aber Anna gab so schnell nicht auf. Sie musste ihm irgendwie hel­fen, damit er nicht die Bodenhaftung verlor. Sie riet ihm, seine einflussreichen Freunde anzurufen und Strategien gegen das üble Intrigenspiel seiner Gegnerin zu entwickeln. „Du musst Dr. Hüttel anrufen.“

      Dr. Heinrich Hüttel, Finanzvorstand des Automobilkon­zerns CAR in Braunfelden, war in der Tat sein bester Ge­schäftsfreund, aber eben nur Geschäftsfreund. Er lerne ihn vor Jahren kennen, als dieser noch Finanzvorstand bei der Röhren AG in Düsseldorf war. Damals tranken sie einmal die Woche Tee zusammen, nicht nur um berufliche Dinge zu besprechen, sondern auch, um sich über den Sinn des Wirtschaftens und darüber hinaus des Lebens Gedanken zu machen. Leon Pe­trollkowicz ging in der Vorstandsetage ein und aus, weil er Hüttel in allen Medienfragen beriet und speziell Pressefragen mit ihm besprach. Natürlich hätte sich Hüttel auf eine große Presseabteilung stützen können, aber diese war auf den Vor­sitzenden eingeschworen, mit dem Hüttel nur selten konform ging, beruflich wie privat. Und dann kam es eines Tages zu einer gewaltigen Auseinandersetzung, bei der, wie konnte es anders sein, eine Frau im Mittelpunkt stand. Auch hier hatte Leon Petrollkowicz seine Hände im Spiel. Das kam so:

      Vor seiner Tätigkeit als Unternehmer war Petrollkowicz Redakteur bei einer Rundfunkanstalt und lernte schnell die ganze Medienlandschaft kennen. In Wirtschaftsfragen korre­spondierte er gerne mit einer Journalistin, die durch gekonnte Fernsehauftritte und durch ihre politischen und ökonomi­schen Sachkenntnisse in der Fachwelt geschätzt und beim breiten Publikum beliebt war. Später, als er seine eigene Firma hatte, kam Leon Petrollkowicz dieser Kontakt sehr zustatten, denn die Wirtschaft maß die Qualität einer Medienagentur nicht nur an den ausgefeilten Kampagnen, sondern auch an den guten Kontakten zu den Medien.

      Diese Journalistin plante ein großes Feature zum Thema „Vermögensbildung in Krisenzeiten“. Die ersten Recherchen zeigten ihr, dass es schwierig war, mit dieser zähflüssigen Ma­terie einen Hund hinter dem Ofen hervorzulocken. Zu oft war der kleine Mann auf die vielen Sprüche der Wirtschaftler und Politiker hereingefallen und hatte viel Geld mit Aktien und anderen Wertpapieren verloren. Andererseits brauchte die Wirtschaft Kapital und musste sehen, wie sie die Anleger mobilisieren konnte. Die Journalistin fand nicht den richti­gen Zugang zu diesem Thema, aber auch Leon Petrollkowicz kannte keine Patentrezepte für die journalistische Umsetzung, wohl aber kompetente Gesprächspartner in der Industrie. Er lud seine Kollegin nach Düsseldorf ein und stellte den Kon­takt zu Dr. Hüttel her. Schon beim ersten Mittagessen stellte sich heraus, dass Hüttel an Thema und Frau sehr interessiert war und lud sie zu weiteren Gesprächen ein. Leider war aber auch der Vorsitzende des Vorstands an dem gescheiten und hübschen Mädchen interessiert. Ein Balzgezetere sonderglei­chen erschütterte die Vorstandsetage. Der Vorsitzende mach­te das Rennen, und Dr. Hüttel verließ nach einiger Zeit das Unternehmen und ging nach Braunfelden, wo er Finanzvor­stand bei CAR wurde.

      Trotz der jetzt größeren räumlichen Entfernung war der Kontakt zwischen dem Medienfachmann und dem Finanz­vorstand nie ganz abgebrochen. Leon Petrollkowicz überleg­te. Er musste die nächste Gelegenheit, vielleicht schon den Neujahrsempfang des Industrieclubs in Düsseldorf nutzen, um Hüttel über die unerfreuliche Entwicklung in seinem Unter­nehmen zu informieren.

      Leon Petrollkowicz machte sich also seine Gedanken, wie es mit seiner Firma weitergehen könnte, ließ sich aber durch die Annehmlichkeiten seines schönen Zuhauses, durch den Zu­spruch seines Freundeskreises und durch interessante Gesprä­che in den Clubs und in diversen Gremien vielseitig ablenken. Schließlich war er wer. Nicht, weil er es unbedingt sein wollte, sondern weil er als Vorzeigeapostel der mittelständischen Wirt­schaft, als Medienexperte, Künstler, Journalist über so viele Ta­lente verfügte, dass ihn jeder gerne an die Spitze der jeweiligen Institution stellen wollte. In jenen Herbsttagen gab es eine An­häufung an Ämtern, so dass er sich schon wie ein Großmogul fühlte und Sorge hatte, die vielen ehrenvollen Aufgaben nicht verantwortungsvoll ausfüllen zu können. Zu seinem Leidwesen brachten diese Ämter allesamt kein Geld. Und hierin unter­schied er sich von den Gurus der Wirtschaft. Sie verdienten mit ihren Aufsichtsrats-und Beiratsmandaten viel Zaster und suchten sich dann noch ein paar Ehrenjobs aus, die ihnen ei­nige Annehmlichkeiten brachten. So war Dr. Hüttel Präsident des Kuratoriums der Berliner Philharmoniker, Ehrenpräsident der Universität Heidelberg, Ehrenkonsul von Bolivien etc. Die Firma spendete, und die Topmanager profitierten: Ehrendok­tor, Professor, Premierenkarten, Luxusreisen.

      Leon Petrollkowicz sprach gelegentlich über Themen wie diese mit Anna. Sie teilte seine kritische Einstellung, meinte aber auch, dass er sich viel zu sehr aufreibe. Ihm fehle, wie sie sich ausdrückte, die Abgeklärtheit und Coolness eines Mana­gers. Mehr Gelassenheit, vielleicht sogar ein Schuss Opportu­nismus seien besonders in schwierigen Zeiten angesagt, sonst würde man sich aufzehren und zu viele Angriffsflächen bieten.

      Anna verstand diese gut gemeinten Einlassungen als ihren verbalen Beitrag zur Bewältigung der gegenwärtigen berufli­chen Kalamitäten ihres Partners. Leon gab ihr Recht, meinte aber, dass er aus seiner Haut nicht raus könne. „Mir geht es manchmal wie Tucholsky. In welcher Situation er auch war, er blieb immer kritisch und hat sich nie an irgendeinen ver­kauft.“

      Anna sah ihren Partner fast etwas mitleidig an. „Du bist viel zu ehrlich und kritisch in deinem Job. Als du kürzlich in München vor zweitausend Anlegern einen Vortrag gehalten hast, wurden die Banker, die dich eingeladen hatten, von dir ganz schön angegriffen. Sehr klug!“

      Leon hob resignierend die Schultern. „Des Brot ich ess, des Lied ich sing! Ich weiß, ich weiß. Aber ich schaff es nicht. Wir können in Deutschland doch nur dann etwas ändern, wenn einige den Mut haben, diesen Herren den Spiegel vorzuhal­ten. Das Verhalten der Banken dem Anleger gegenüber war nicht selten skandalös. Viele rechtschaffene Leute haben ei­nen Teil ihres sauer ersparten Geldes verloren. Wenn wir in einigen Bereichen die Gesetze nicht ändern, wird alles noch schlimmer.“

      Anna wiegte den Kopf. „Mag sein. Aber musst du dich so unklug verhalten? Als du einmal vor einem Industrie-verband einen Vortrag gehalten hast, musste denn da deine Quintessenz sein, dass die Vorstände und Aufsichtsräte in der Industrie sich so manchmal in die eigene Tasche lügen?“

      „Und dabei ihr Wohl im Auge haben“, fügte Leon hinzu. „Hier ging es um die Corporate Governance in Deutschland, also darum, wie die Kontrolle über die Firmen besser funktio­nieren könne. Ich habe nur den unveröffentlichten Bericht einer unabhängigen Kommission zitiert. Einige von der Presse kannten den Bericht und schwiegen.“

      Jetzt wurde Anna langsam wütend. „Die wissen schon, wa­rum. Aber du musst auf die Pauke hauen, ohne an deine Firma und an uns zu denken. So unabhängig, wie du meinst, bist du nicht.“

      Leon war aufgesprungen und im Zimmer wie ein eingesperr­ter Tiger auf und ab gegangen. „Ich weiß. Aber wenn die mich fertig machen wollen, dann hat das noch einen anderen Grund, den ich erst vor wenigen Tagen erfahren habe. Dr. Maibohm ist ja in einer Vielzahl von Aufsichts-und Beiräten und fühlt sich diesen Firmen besonders verpflichtet. In einer von diesen, ein großer Konzern in Süddeutschland, sitzt ein persönlicher Freund von ihm. Dieser Freund hat einen Schwiegersohn, der sich auf dem gleichen Gebiet versucht wie ich. Bisher ohne großen Erfolg. Das soll sich ändern und auch deshalb werde ich ausgeschaltet. Natürlich ist dieser Jemand linientreuer als ich.“

      Anna fuhr erschrocken hoch. „Aber man kann doch dei­ne renommierte Firma nicht wegen einer Personalie über die Wupper gehen lassen.“

      „Der Meinung bin ich auch“, stimmte Leon ihr zu. „Aber man kann, wenn sich das Gegengeschäft lohnt. Eine Hand wäscht die andere. Dem Vorstand eines großen Konzerns ist man gerne gefällig. Ich bin für die ein Nobody, den man bei Bedarf zur Seite schiebt. Und Emma Hengstenberg hilft dabei.“

      Anna

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