Der Tanz der Heuschrecken. Ulrich Fritsch

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Der Tanz der Heuschrecken - Ulrich Fritsch

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und da spuckt dir so einer in die Suppe. Gibt es dagegen kein Mittel?“

      „Nein. Diese Leute sind zu mächtig. Sie haben ihr fein ge­sponnenes Netzwerk von gegenseitigen Abhängigkeiten und achten sehr darauf, dass man sich allzeit gefällig ist.“

      „Und deine Kontakte zur Presse?“, wollte Anna wissen.

      „Vergiss es. Die Presse heult viel zu oft auch nur mit den Wölfen. Und was kann ich denn groß vorbringen? Eine nicht ganz wasserdichte Behauptung wird von der Wirtschaft sofort mit der Androhung einer Klage vom Tisch gefegt. Diese Leute haben ganze Bataillone von Anwälten zur Verfügung. Als klei­ner Michael Kohlhaas hältst du nicht lange durch.“

      Anna meinte es gut mit ihren Diskursen, aber sie konnte Leon letztlich auch nicht helfen. Sie beschlich die furchtba­re Angst, eines Tages ihr herrlich bequemes Leben und den Wohlstand aufgeben zu müssen. Dann sagte sie sich wieder, dass sie schließlich keinen Beamten an der Seite habe und deshalb auch das unternehmerische Risiko mittragen müsse. Aber wäre sie dazu in der Lage? Noch war ja alles einigerma­ßen in Ordnung und vielleicht würde sich die kleine Krise in Wohlgefallen auflösen. Schließlich gab es ja noch Dr. Hüttel und einige Gleichgesinnte, die immer auf der Seite ihres Man­nes standen. Warum sollte sie sich übertrieben Gedanken ma­chen? Wäre es nicht besser, ihren Golfbag zu nehmen und auf den Golfplatz zu gehen oder sich zu einem Einkaufsbummel auf der Kö zu verabreden oder im schönen Büderich auf der Dorf­straße spazieren zu gehen und mit den vielen Freunden und Bekannten ein Schwätzchen zu halten?

      Sie wartete, bis Leon und ihr Sohn aus dem Hause waren und fuhr dann auf den nahe gelegenen Golfplatz. Zu einer kleinen Runde brauchte man sich nicht groß zu verabreden, weil immer einige Ladies aus dem Nobelstädtchen zur Stelle waren. Geschäftsleute, die gerne mal zwischendurch auf dem Golfplatz auftauchten, um in dem schönen Clublokal eine Kleinigkeit zu essen, nahmen mit Erleichterung zur Kenntnis, dass ihre besseren Hälften sich nicht zu Hause mit dem Hauslehrer ihrer Kinder befas­sten, sondern Sport und frische Luft genossen, um abends ge­stählt den häuslichen Obliegenheiten gewachsen zu sein. Die Männer verlangten als Gegenleistung für dieses Geschenk oft nur die Konzession, sich als Zweitwagen einen Porsche kaufen zu dürfen, was manchem vorzeitig Gereiften die Jugend zu­rückzugeben vermochte. Dem Besitzer wurden Momente des Glücks zuteil, wenn sie leicht gekrümmt in den Schalensitzen einem Geschwindigkeitsrausch erlagen. Auch daran dachten die Damen, wenn sie auf dem Golfplatz beschwingt aus ih­rem Coupé sprangen. Sie rückten ihren dem Gesicht schmei­chelnden Sonnenschutz zurecht, packten ihren Bag auf den Elektrokarren, wobei sie schon etwas traurig darüber waren, dass nicht ein junger lebendiger Caddy ihre Golftasche trug. Herzliche Umarmungen, lange Dialoge, denn man hatte sich ja zwei Tage nicht gesehen, und dann der Marsch zum ersten Abschlag, nach dem sich allerdings in vielen Fällen die Freude an diesem Sport relativierte. Die Suche nach den Bällen war manchmal schweißtreibend.

      Anna liebte diesen Sport vor allem dann, wenn er in der Kombination mit Bridge ausgeübt wurde. Zuerst etwas Golf, dann etwas Bridge, dann lange Plaudereien, wenn es die Zeit erlaubte. Sie machten es sich schön und zeigten allen, wie sehr sie zu leben verstanden.

      Über die herrlichen Erlebnisse auf dem Golfplatz sprachen Anna und Leon gerne abends vor dem Kamin. Sie ließen dann ihre Gedanken in ferne Länder streifen: Nach Portugal an die Algarve, nach Marokko, wo sie auf den Golfanlagen um Mar­rakesch Entspannung suchten, nach Kalifornien, Florida oder an die Costa del Sol. Dieser Blick über die Ferienparadiese, das genüssliche Wandern mit den „Swinging Clubs“ – das war Erholung und Freiheit pur. Für beide der schönste Sport der Welt, der über kurz oder lang die breite Masse in seinen Bann schlagen würde, darin war man sich einig. Dann wären allerdings die schönen Zeiten der Beschaulichkeit vorbei, weil Scharen von Freizeitclubs die Inseln der Einsamkeit überflu­ten würden.

      Leon und Anna kannten die Perlen unter den Golfclubs und flogen, wenn es sein musste, bis ans Ende der Welt, um dort Ruhe und Entspannung zu finden. Sie hatten diesen Sport im letzten Jahr weidlich genossen und waren mehr, als es das schleppende Geschäft erlaubt hätte, der Sonne hinterher geeilt. So kam es, dass Leon eines Tages eine sonderbare Entdeckung machte. Er bemerkte an der rechten Backe unter seiner brau­nen Lederhaut ein kleines Geflecht von eigenartigen Punkten und Nestern, die mal hell-, mal dunkelbraun bis schwarz waren und sich wie eine Pigmentverfärbung ausnahmen. Lange Zeit war ihm diese nicht sonderlich auffällige Veränderung auf der Backe zunächst nicht ins Auge gestochen, aber mit der Zeit wurde er doch etwas unruhig, zumal auch Anna diese Stelle immer häufiger ins Visier nahm.

      Der Gang zur Uniklinik sollte Klarheit verschaffen. Der Oberarzt der Hautklinik beruhigte seinen Patienten, schabte die Stelle weg und entließ ihn nach kaum einer halben Stunde mit einem kleinen Pflaster im Ge­sicht. Leon erschrak nicht wenig, als nach zwei Wochen der Chef der Hautklinik bei ihm zu Hause anrief und ihm mitteilte, dass er wahrscheinlich einen bösartigen Tumor hätte. Um sich Gewissheit zu verschaffen, müsse Leon Petrollkowicz erneut zur Entnahme einer größeren Probe in die Klinik kommen. Gesagt, getan. Wieder die Warterei, wieder die Ungewissheit. Diesmal kam schon nach fünf Tagen das Ergebnis des Labors. Leon hatte wiederholt angerufen, wurde in die Klinik bestellt, wartete eine halbe Stunde vor dem OP, bis der Oberarzt her­auskam. Die Tatsache, dass er Leon in ein kleines Behand­lungszimmer bat und nicht schon auf dem Gang den Befund erläuterte, ließ nichts Gutes ahnen. Leon wurde mit knappen Worten mitgeteilt, dass er Hautkrebs hätte. Man sei sich über Level und Dicke des Tumors nicht ganz einig und müsse des­halb schnellstens mit dem gebührenden Sicherheitsabstand die Operation vornehmen. Leon wurde für den nächsten Tag bestellt, dann aber wieder abbestellt, weil der Oberarzt zu ei­nem Kongress nach Barcelona müsse und noch ein paar Tage Urlaub dranhängen wolle.

      Man empfahl Leon einen Hautarzt in der Stadt, der Eingriffe dieser Art brillant ambulant durch­führen könne. Leon wurde abermals malträtiert. Das Ergebnis war erschütternd. An der Peripherie der Schnittwunde zeigten sich, so die Histologie, gefährliche Sprengel des Haupttumors. Eine noch größere Exzision mit Transplantation in einer Kre­felder Spezialklinik sei unvermeidbar. Der Tumormarker war miserabel, alles deutete auf eine Metastasierung hin. Würde Leon überleben? Er überlebte, weil er noch Glück im Unglück hatte. Eine ganze Reihe von Untersuchungen zeigte, dass der Rubikon noch nicht überschritten war. Leon wurde nach drei Wochen als vorläufig geheilt entlassen, mit einem entstellen­den Narbenkranz im Gesicht, dem noch die nötige Durchblu­tung fehlte.

      Leon war niedergeschlagen, nicht nur wegen der Krank­heit. Gerade in dieser Zeit rang seine Firma nach frischem Tatendrang. Da der Chef oft gefehlt hatte und Emma Heng­stenberg dem Dahindümpeln des Unternehmens tatenlos zu­sah, musste er alle Kräfte aufbieten, um das Steuer im letzten Augenblick noch einmal herumzureißen. Aber wie sollte das geschehen? Er hatte zwar einige Ideen, aber noch fehlte ihm der nötige Elan. Zunächst einmal war eine Kur angesagt, dann würde er mit aller Kraft versuchen, neue Aufträge zu erhalten.

      Wochen gingen ins Land. Er hatte viel zur Stärkung seines Immunsystems getan und sich körperlich so weit regeneriert, dass er wieder einigermaßen einsatzfähig war und den laufen­den Geschäften nachgehen konnte. So ganz war er aber nicht auf der Höhe, weil ihn der Gedanke plagte, was denn wäre, wenn er physisch, psychisch und beruflich Schiffbruch erlei­den würde. Wie sollte er seine kleine Crew über Wasser hal­ten? Was sollte er tun, wenn er körperlich wieder fit, geschäft­lich aber am Ende wäre? Könnte er mit seinen journalistischen und künstlerischen Fähigkeiten sein Brot verdienen?

      Immer wieder kam er ins Grübeln, und die Angst, die ihn dabei be­schlich, lähmte seine Arbeitsfreude. Seine Rivalin im Büro genoss dieses labile Gleichgewicht, weil auch ohne weitere Einlassungen ihr Plan aufzugehen schien, Leon Petrollkowicz den Garaus zu machen. Warum aber diese destruktive Einstel­lung von Emma Hengtsenberg? Leon Petrollkowicz war sich allmählich ganz sicher, dass das Manöver gegen ihn nicht nur gestartet wurde, weil er den Herrschaften unbequem wurde, sondern weil man dem Kollegen von Maibohm einen Gefallen tun wollte.

      Als weiteren Gedanken kam

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