Der Tanz der Heuschrecken. Ulrich Fritsch

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Der Tanz der Heuschrecken - Ulrich Fritsch

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in den obersten Etagen mediale Events schätzten und jeden auch noch so guten Beitrag eines Dritten wenig würdigten, wenn sie zum gleichen Thema eben­so hätten befragt werden können. Macht und Kompetenz sind eben nicht teilbar und schon gar nicht mit irgendeinem im Lande, der letztlich in einer Abhängigkeitsposition war. Leon Petrollkowicz wusste das, aber er musste auch an das Image seiner Firma denken, die letztlich hauptsächlich von guter Pu­blicity und seinen kompetenten Auftritten lebte.

      Frau Holle, eine seiner beiden Sekretärinnen, brachte ihm seinen „ekelhaften Haferschleim“ (so drückte er sich immer aus, wenn er den Geruch dieses mehligen Gaumenkillers mit einer abweisenden Handbewegung von sich wegzufächern suchte) und eine Kanne Kaffee, mit dem er seine sieben Sinne wieder auf den normalen Alltag einstellen wollte. Er war an jenem Morgen wach, aber trotzdem nicht ganz da, weil er, wie gesagt, mit seinen Kollegen in Amsterdam auch einen heben musste und er sich bei solchen Gelegenheiten gerne von sei­ner trinkfesten Seite zeigte.

      Frau Holle fragte, diskret wie immer, nach seinem Wohl­befinden. Sie hatte wohl gemerkt, dass er nicht so frisch wie sonst den Tag begann und versuchte in solchen Situationen mit höflichen Floskeln herauszubekommen, wie sie ihm viel­leicht einen zusätzlichen kleinen Dienst erweisen könnte: Mit einer Aspirin, einem Glas Wasser, dem Öffnen der Fen­ster oder auch nur, indem sie ihn besonders verständnisvoll, ja liebevoll ansah. Frau Holle war der perfekte mütterliche Typ, innerlich wie äußerlich. Sie war um seine Gesundheit be­sorgt, seine Kleidung, kein Knopfannähen war ihr zu viel, kein schnelles Überbügeln der zerknitterten Hose zu lästig, und da­bei wahrte sie immer Form und Anstand. Allerdings zeigte sie an manchen Tagen recht auffällig ihre weiblichen Attribute, indem sie zum Beispiel ihren üppigen Busen beim Hinstellen des Tabletts absichtlich etwas länger über der Tischkante bau­meln ließ oder sich so hinstellte, dass der Blick auf die schönen langen Beine freigegeben wurde. Sie genoss es dann, wenn ihr Chef mit wohlfeilen Blicken und einem sanften Tremolo in der Stimme diese Signale aufnahm. Mehr wollte sie nicht oder vielleicht doch, aber beide wussten zu gut, dass man im Dienst übertriebene Regungen in dieser Richtung besser unterdrüc­ken sollte.

      Leon Petrollkowicz nutzte wie die Monarchen in früheren Jahrhunderten die Frühstückspause, um sich ganz zwanglos die Wünsche und Sorgen seiner „Untertanen“ anzuhören. Er ließ zu diesem Behufe die Tür immer weit offen stehen und brauchte in der Regel nicht lange zu warten, bis jemand das „Allerheiligste“ betrat.

      An jenem Morgen näherte sich August Mohren bedächtig dem „Hauptaltar“, begrüßte freundlich sei­nen Vorgesetzten, um dann gleich eine Petition loszuwerden. Er fühle sich in Gegenwart von Giselle Frou, die ja mit ihm ein Büro teile, erotisch permanent aufgeladen und könne nicht mehr konzentriert arbeiten. Ob er nicht in das Zimmer von Martin von Alzheim, der ja ein viel größeres Büro für sich al­lein beanspruchen könne, umziehen sollte.

      Auch aus Sicht von Leon Petrollkowicz war diese Frou nicht unumstritten. Sie war aufreizend hübsch und betonte dies auch noch durch eine windschlüpfrige Verschalung. Eine knatschenge schwarze Lederhose, dazu passende Lederstiefel mit hohen Absätzen, eine weiße, weit geöffnete Seidenbluse – dies war nur eine Variante ihres oft bis an die Grenze des flippigen Geschmacks gehenden Outfits in einer nicht gerade prüden Büro-Community. Und dann die körpereigenen Vorzü­ge: schulterlange schwarze Haare, ein voller, weich geschwun­gener Mund, schwarze Augen, eine sportliche Figur mit einem wunderschön ausgeformten Popo, lange Beine – eine aufrei­zende Erscheinung.

      Hinzu kam eine warme, weiche, sinnliche Stimme, die man als Paradigma eines Lockrufs des Weibchens verstehen konnte. So sah es jedenfalls Leon Petrollkowicz, der die Stimme „seiner“ Frou gerne mit der einer Kaufhausansage­rin verglich, die über Lautsprecher Unterwäsche, Übergardi­nen und Kaffeemaschinen zu Sonderpreisen anpries. Oder an­ders: Wenn man ihre Stimme hörte, musste man an Dessous denken.

      Sie sagte meistens völlig unwesentliche Dinge in ei­ner Stimmlage, die sinnlich werden ließ. Dies führte dazu, dass die Kunden der „Public Petrollkowicz“ nicht den Chef oder Emma Hengstenberg sprechen wollten, sondern lieber mit der Frou telefonierten. Sie unterhielten sich dann manchmal über eine Stunde über nichts. Sie wollten nur Sensitivöl um den Bart geschmiert bekommen und mit einer schönen Stimme flirten. Die Frou verstand die Nöte ihrer Kunden, mehr noch, sie verstand es, den trüben langen Tag mit netten Unterbre­chungen zu würzen und hatte dabei noch das Gefühl, etwas Nützliches für die Firma getan zu haben. So sah es auch Leon Petrollkowicz. Gelegentlich war ihm die nicht enden wollende Laberei seiner Mitarbeiterin zuwider. Schließlich hatte er sie eingestellt, um ihren betriebswirtschaftlichen Sachverstand zu nutzen. Giselle Frou hatte in Wuppertal und Paderborn studiert, ihre Examina alle recht ordentlich bestanden und konnte in den ersten Monaten ihrer Anstellung tatsächlich den Eindruck vermitteln, sie hätte auf den beiden Universi­täten etwas gelernt. Allmählich verblasste dieses Image. So gab sie sich beispielsweise bei den harmlosen Quizspielchen ihres Chefs so unbedarft, dass man über die Antworten noch nach Tagen schmunzeln musste. Manpower hatte etwas mit der Potenz von Managern zu tun, die Konzertierte Aktion mit musikalischen Events.

      Die Frou war aber bei allen beliebt. Sie quirlte durch die Räume und Etagen wie eine aufgescheuchte Henne, immer sehr geschäftig und in einem Aufzug, der an Irma la Douce erinnerte. Ihre ganze Erscheinung war so gepolt, dass die Me­ridiane ihres Körpers am Südpol zu zerbersten drohten. Um das Ganze so recht zur Wirkung zu bringen, liebte sie ausgefal­lene Positionen. So warf sie sich sehr gerne über einen Tisch, um irgend etwas zwischen den Aktenordnern zu suchen, oder sie kletterte auf eine Leiter, um Bücher aus den Regalen zu fischen, oder sie bückte sich, um Nichtigkeiten vom Boden aufzuheben. In allen diesen Stellungen kamen ihre weiblichen Reize zu Geltung. Kein Mann konnte in diesen Momenten eine sachliche Beziehung zu dieser Person herstellen. Man, oder besser Mann, dachte dann an ABS, aber nicht etwa an den großen Banker, sondern an das Antibremssystem, mit dem man den inneren Blutstau aufzulösen suchte.

      Mit was für Problemen musste sich der Chef herumschlagen! Er hasste diese Art von Personalmanagement, weil er immer persönlich angreifbar war. Entscheidungen dieser Art konnten niemals zur Zufriedenheit aller gelöst werden, weshalb er allzu gerne erneut einen Personalchef eingestellt hätte. Dieser hät­te allen Unmut auf sich ziehen sollen, gleichsam als bezahlter Blitzableiter, und nicht er, der Chef, der als Souverän über den Bagatellen des Alltags stehen sollte, den Kopf nur frei für große Entscheidungen. Früher hatte er schon einmal den Versuch ge­macht, seinen Chefbuchhalter zusätzlich mit dieser Aufgabe zu betrauen. Aber der Mann zerbrach an dieser doppelten Zumu­tung. Den ganzen Tag Zahlen und die Probleme von Leuten hin und her zu schieben, war für ihn zuviel. Er schmiss eines Tages das Handtuch, trat in den Staatsdienst ein, machte nebenher eine politische Karriere als Schatzmeister der Liberalen und fand als Meister für Verbindlichkeiten und fürs Unverbindliche endlich die Bestätigung, die er bei der „Public Petrollkowicz“ nie gefunden hatte.

      Dann unternahm Petrollkowicz einen zweiten Anlauf. Auf einem Kongress in Cannes lernte er einen Elsässer kennen, der wie er die Leidenschaft zur Malerei teilte, vier Sprachen beherrschte, ein ausgewiesener Personalfach­mann und Diplompsychologe war und eine neue Stelle suchte. Leon Petrollkowicz griff zu und war zunächst begeistert. Mon­sieur Ampere, wie er hieß, war ein Spezialist für Menschenfüh­rung. Er genoss es, wenn sich die Mitarbeiter von seinen Rede­schwallen mitreißen ließen, wenn er aus der Schatztruhe seiner großen internationalen Erfahrung Wissenswertes hervorholte oder manchmal auch etwas umständlich herauskramte, wenn er auf Fälle und Reinfälle zu sprechen kam und dabei nicht nur Berufliches, sondern auch rein Menschliches zum Besten gab, und das Ganze auch noch mit einem einschmeichelnden, ver­zaubernden französischen Akzent. Er merkte dabei gar nicht, dass er in Wirklichkeit nicht als Fachmann, sondern als Pau­senfüller an Renommee gewann. Jeder in der Firma, der mal wieder keine Lust zum Arbeiten hatte oder aus irgendwelchen Gründen aufgemuntert werden wollte, ging zu Monsieur Am­pere. Dieser liebenswerte Franzose hatte zwei Leidenschaf­ten im Büro: Er rauchte pausenlos und trank dazu schwarzen Kaffee. Diese Laster hatten im Laufe der Zeit seinem Gesicht etwas Maskenhaftes gegeben, das sich immer merklicher von seiner schwarzen Haarpracht

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