Das Pulver. Helmut Höfling

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Das Pulver - Helmut Höfling

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sich, den die Marquise ihrem einstigen Geliebten geschrieben hatte: „Entschlossen, meinem Leben ein Ende zu machen, habe ich diesen Abend etwas von dem genommen, was mir Ihre freundschaftliche Hand mitgeteilt hat. Es ist ein Rezept von dem Apotheker Glaser. Sie sehen, dass ich für Sie mein Leben opfern kann. Aber ich gebe den Wunsch nicht auf, Sie vielleicht noch einmal an einem bestimmten Ort zu sprechen, um Ihnen das letzte Lebewohl zu sagen.“ Trotz dieser Ankündigung hatte sie damals ihrem Leben kein Ende gesetzt - warum nicht? Warum hatte sie die Drohung überhaupt ausgesprochen? War es vielleicht nur einer der üblichen Erpressungsversuche unter aufgebrachten Liebenden, ein Signal zur Versöhnung an den Partner? Wenn sie Verbündete gewesen waren, und dafür sprach so manches, nicht zuletzt das Wissen der Marquise über Sainte-Croix’ Giftexperimente, musste es dann nicht auch Zeiten gegeben haben, in denen nicht das innigste Einverständnis zwischen ihnen geherrscht hatte, sondern Abneigung oder gar Hass? Doch warum?

      Fragen über Fragen, auf die es keine eindeutigen Antworten gab, und so schossen die Spekulationen wild ins Kraut. Was man sich anfangs über die Marquise de Brinvilliers und Pennautier nur unter vorgehaltener Hand zuraunte, wurde bald ganz offen das Thema aller Unterhaltungen in Paris. Über die Gifte kursierten die abenteuerlichsten Gerüchte, eines ausschweifender und ungeheuerlicher als das andere.

      Die Marquise sah die Stunde gekommen, dem Obersteuereinnehmer einen Besuch abzustatten. Sie fuhr jedoch zur falschen Zeit bei ihm vor: Er war nicht zu Hause. Zwar hatte sie sich energisch Einlass verschafft, aber schon nach den ersten Worten schob Frau Pennautier den ungebetenen Gast an den Schultern zur Tür hinaus, eine Giftmörderin duldete sie nicht unter ihrem Dach.

      Der Obersteuereinnehmer machte später seiner Frau Vorhaltungen über ihr unhöfliches und völlig unangebrachtes Benehmen. Was sind schon Gerüchte, meinte er, nichts als dummes Geschwätz. Die Leute reden viel, wenn der Tag lang ist, und am meisten über Dinge, von denen sie im Grunde nichts wissen.

      Er kannte die Marquise de Brinvilliers, eine ungewöhnlich kleine und zartgebaute Person mit vollem, kastanienbraunem Haar und großen, sprechenden Augen, deren Blau von der auffallend weißen Haut ihres runden Gesichts vorteilhaft abstach. Kein einziger unangenehmer Zug war darin zu erkennen. Sie schien ihm eine durchaus ehrenhafte Natur zu sein, nicht leicht erregbar, ein lebhafter, durchdringender Geist, der alles rasch erfasste und richtig, mit wenigen Worten, aber genau zutreffend auszudrücken wusste. Nie und nimmer konnte er sich vorstellen, dass eine so entzückende, hübsche Dame eines solchen Verbrechens fähig sei.

      Mit dem guten Vorsatz, das Unrecht, das ihr seiner Meinung nach geschehen war, wieder gutzumachen, ging er nach Picpus, um, wie bei solchen Gelegenheiten üblich, der Marquise seine Aufwartung zu machen. Er dachte dabei auch an die Zeit, als er vorübergehend selbst in Schwierigkeiten gewesen war und Herr und Frau von Brinvilliers ihm durch eine Anleihe von dreißigtausend Livre einen Dienst erwiesen hatten. Jetzt bot sich ihm die Gelegenheit, der Marquise zu beweisen, dass er jene Gefälligkeit nicht vergessen hatte.

      Pennautier hatte, kaum fünfunddreißigjährig, schon ein riesiges Vermögen gemacht, dank seiner beiden Ämter als Obersteuereinnehmer der Geistlichkeit und als Schatzmeister der Börse von Languedoc, die ihm jährlich Hunderttausende eintrugen. Vom einfachen Kassierer hatte er sich zum enorm reichen Mann emporgearbeitet und galt trotz seines noch jugendlichen Alters als einer der intelligentesten Beamten des Finanzministers Colbert. Ob es sich um die Wiedereinführung der Fabrikation französischer Tuche handelte oder um den Kanal von Languedoc, ob um den Ankauf griechischer Schriften im Orient oder um die Trockenlegung der Sümpfe von Aigues-Mortes - bei allen nützlichen Unternehmungen war der Name Pennautier mit jenem des französischen Finanzministers verknüpft. P. L. Reich von Pennautier - Pennautier, so hieß ein Besitztum bei Carcassonne - war von kleiner, schmächtiger Statur, sehr galant und freigebig, immer wohlerzogen und gefällig, hatte viel Verstand und spielte eine bedeutende Rolle in der Gesellschaft.

      Den Eindruck eines galanten Ritters hinterließ er auch bei der Marquise von Brinvilliers, die mit seinem Besuch hochzufrieden sein konnte.

      2

      Zu einem Besuch ganz anderer Art lud der Zivilrichter die beiden am zweiundzwanzigsten August zu seinem Amtssitz ein, um mit ihnen gemeinsam die Papiere zu prüfen, die man in der Kassette gefunden hatte. Doch Pennautier konnte der Vorladung nicht folgen, er hielt sich zu der Zeit auf dem Land auf; und die Marquise von Brinvilliers wollte ihr nicht folgen, sie ließ sich wieder durch ihren Sachwalter vertreten, der ihre Forderung auf Herausgabe des Kästchens samt Inhalt wiederholte.

      Zur allgemeinen Überraschung meldete sich aber bei der Justizbehörde ein ihr bis dahin unbekannter Mann, der sich als langjähriger Diener des verstorbenen Sainte-Croix ausgab: La Chaussée. Frechheit siegt, sagte er sich. Gewohnt, krumme Wege zu gehen, steuerte er diesmal geradewegs aufs Ziel los. Mit der Dreistigkeit des abgebrühten Spitzbuben glaubte er, in der noch reichlich verworrenen Sachlage leichtes Spiel zu haben, und erhob Einspruch gegen die Beschlagnahme der Habseligkeiten seines ehemaligen Herrn. Sieben Jahre habe er in dessen Dienst gestanden, betonte er und behauptete, noch viel Geld von ihm zu bekommen,

      Außerdem habe er ihm zur Aufbewahrung zweihundert Pistolen und hundert Silbertaler gegeben, die hinter dem Fenster des Kabinetts liegen müssten, und zwar in einem Leinenbeutel mit der schriftlichen Versicherung von Sainte-Croix, dass dieser Betrag tatsächlich ihm gehöre. Ferner werde man an derselben Stelle eine Abtretung von dreihundert Livre, ausgestellt auf einen gewissen La Serre, vorfinden, die er von dem verstorbenen Rat d’Aubray erhalten habe, sowie drei Quittungen von seinem Herrn, jede über hundert Livre. Sämtliche Papiere und Geldbeträge verlange er zurück.

      Alles in allem nicht gerade unerhebliche Ansprüche, die er als Diener da geltend macht, dachte der Kommissar, der keinen Augenblick lang daran zweifelte, dass er einen Gauner vor sich hatte, der sich das alles nur aus den Fingern sog. Wofür sollte sein Dienstherr ihn so fürstlich entlohnt haben mit Münzen aus Gold und Silber? Weil er zu viel wusste und darüber unbedingt den Mund halten sollte? Oder war es Geld, mit dem andere, in dunkle Machenschaften verstrickte Mitwisser, sein Schweigen erkauft hatten? Auf all diese Fragen blieb La Chaussée eine überzeugende Erklärung schuldig, allein schon sein wenig vertrauenerweckendes Gesicht, der unruhige, gierige Blick seiner Habichtsaugen machten den Kommissar stutzig. In seiner langjährigen Berufserfahrung roch er geradezu einen Verbrecher schon von weitem. Nein, das Ganze kam ihn nicht geheuer vor.

      In seiner Einschätzung fand sich Picard bestätigt, als er mit La Chaussée das Laboratorium von Sainte-Croix betrat, um nach dem Leinenbeutel mit den Gold- und Silbermünzen zu suchen. Die genaue Ortskenntnis, die der Diener bei der Besichtigung bewies, erregte den Verdacht des Kommissars. Wer sich hier so gut auskennt, mutmaßte er, der weiß auch sicherlich mehr, was hier möglicherweise alles geschehen und bis heute geheim gehalten worden ist. Denn es war anzunehmen, dass nur vertrauteste Freunde Zutritt zu diesem Kabinett hatten, und man konnte nicht der Vertraute eines solchen Menschen sein, ohne an dessen Verbrechen Anteil zu haben. Darin fühlte er sich noch bestärkt, als der ehemalige Diener des Alchimisten wieder auf verschiedene Papiere zu sprechen kam, die in einem roten Kästchen lägen und ihm zuständen. Doch kaum hatte Picard ihm mitgeteilt, dass die Kassette vor dem Versiegeln geöffnet worden sei und man über den Inhalt genau Bescheid wisse, verlor La Chaussée für einen Augenblick die Fassung, um dann, zur Verwunderung des Kommissars schleunigst das Weite zu suchen. Noch am gleichen Tag verließ er seinen neuen Arbeitgeber, einen Bader, in dessen Dienst er getreten war, und irrte, das Tageslicht scheuend, nachts in Paris umher, bis er am vierten September 1672 morgens um sechs Uhr von dem Polizeioffizier Thomas Régnier erkannt und verhaftet wurde. Bei seiner Festnahme fand man Gift bei ihm.

      Nach dem Verhör des Verhafteten erhärteten sich die bisher noch ungesicherten Verdachtsgründe gegen die Marquise von Brinvilliers, doch zögerte man aus Rücksicht auf ihre gesellschaftliche Stellung, sie gleichfalls festzunehmen. Um ihr auf den Zahn zu fühlen und dadurch mehr Gewissheit zu erlangen, suchte Régnier sie in Picpus auf und berichtete

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