Das Pulver. Helmut Höfling

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Das Pulver - Helmut Höfling

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heißt“, erklärte er, „und von Kommissar Picard habe ich zudem so mancherlei erfahren.“

      Dem Polizeioffizier entging nicht, dass Frau von Brinvilliers errötete, sich aber schon im nächsten Augenblick wieder fing.

      „Nun, Frau Marquise, was sagen Sie dazu?“

      „Was interessiert mich das Geschwätz von diesem Individuum, diesem..., wie heißt er auch noch? Haben Sie deswegen den weiten Weg zu mir gemacht, um mir das mitzuteilen, Monsieur? Gibt es nichts Wichtigeres auf der Welt? Lassen Sie uns von was anderem reden“, schlug sie vor und wusste gleich selbst das Gespräch auf andere Dinge zu bringen und ihn zu ersuchen, sie in die Messe zu begleiten.

      Auf dem Weg dorthin und in der Kirche hielt sich Régnier mit weiteren Fragen zurück. Nach Hause zurückgekehrt, war es die Marquise selbst, die wieder anfing, als sie auf die Kassette zu sprechen kam und auf die Willkür der Justiz, ihr nicht das zu geben, was ihr gehöre.

      Der Polizeioffizier, der ihre Unruhe bemerkte, sagte wie leichthin: „Aber, Frau Marquise, die Sache mit der Kassette ist doch, wie Sie wissen, längst erledigt.“

      „Für mich nicht!“

      „Warum machen Sie sich darüber so viele Gedanken? Sind Sie denn in irgendeiner Weise an der Sache beteiligt?“

      „Beteiligt - ich? Woran und weshalb?“

      „Weil dieser Spitzbube, dieser La Chaussée, sich dem Kommissar Picard gegenüber um ein Haar verraten hätte“, erklärte Régnier und sah sie dabei scharf an. „Er schien nämlich etwas über Sie sagen zu wollen und wird es wohl auch noch sagen, spätestens wenn er erst mal vor Gericht steht und sich reinzuwaschen versucht.“

      „Man müsste den Kerl auf die Galeere schicken“, meinte die Marquise erregt, wobei sich ihre Züge einen Wimpernschlag lang krampfhaft verzerrten, und führte dann das Gespräch wieder auf die Kassette zurück. „Wenn Sie wüssten, wie oft ich Sainte-Croix gebeten habe, sie mir zu geben. Hätte er es getan, dann wäre jetzt jede Diskussion darüber überflüssig. Übrigens hat auch Herr Pennautier etwas damit zu tun, die Sache geht also uns beide an.“

      Wieso, sagte sie nicht, und Régnier fragte auch nicht weiter danach, die Untersuchungen standen erst am Anfang und darüber würde der Kommissar den Obersteuereinnehmer wohl noch vernehmen. Er selbst machte sich auf den Weg nach Aubervilliers, um Briancourt aufzusuchen. Es wäre sicherlich aufschlussreich zu beobachten, malte er sich aus, wie der ehemalige Lehrer im Haus der Marquise und ihr enger Vertrauter, für den er sich bei der vergeblichen Herausgabe der Kassette ausgegeben hatte, auf die Nachricht von der Verhaftung La Chaussées reagieren würde. Das Ergebnis war noch überraschender, als er sich das in seinen kühnsten Erwartungen hätte vorstellen können: Denn kaum hatte Régnier ihm ohne lange Vorrede die Festnahme berichtet, als Briancourt auch schon den Schreckensschrei ausstieß: „Nun ist sie verloren!“ Jetzt gab es kein Halten mehr, der Damm des Schweigens war gebrochen. Was ihn all die Jahre seelisch gequält und sein Gewissen belastet hatte, schüttete er nun alles vor dem Polizeioffizier aus. Er erzählte ihm von den verschiedenen Giften, die Madame de Brinvilliers im Hause verwahre und über die sie sich oft mit ihm unterhalten habe.

      Unterdessen hatte die Witwe des einstigen Oberrichters Antoine d’Aubray und Schwägerin der Marquise erfahren, dass ihr Gatte wirklich an einer Vergiftung gestorben war, so wie die Ärzte es bereits seinerzeit vermutet hatten. Niedergeschmettert über diese Bestätigung eilte sie nach Paris und erwirkte auf ihr am zehnten September eingereichtes Gesuch die Genehmigung, als Privatklägerin gegen La Chaussée und Frau von Brinvilliers aufzutreten. Der niederträchtige Mord an ihrem Mann sollte nicht ungesühnt bleiben.

      Wer bisher noch an die Unschuld der Marquise von Brinvilliers geglaubt hatte, wurde spätestens jetzt eines Besseren belehrt: Hals über Kopf hatte sie Frankreich verlassen und sich nach England geflüchtet, ohne Begleitung ihrer Dienstboten außer einem Küchenmädchen. Diese überstürzte Flucht bei Nacht und Nebel bestätigte jeden Verdacht.

      Somit stand La Chaussée allein vor Gericht - zunächst jedenfalls.

      Um des „Ruhmes“ willen

      Ihre ersten Liebhaber

      1

      Wäre ihm ein Blick in die Zukunft vergönnt gewesen, er hätte den Tag verflucht, an dem ihm seine Tochter geboren wurde. So aber ließ Antoine Dreux d’Aubray, Sohn eines Schatzmeisters von Frankreich, Herr auf Offémont und Villiers, Staatsrat, stellvertretender Oberrichter von Paris, Requetenmeister, Inhaber einer Propstei und Vizegrafschaft sowie Vorstand des Minenwesens im französischen Königreich, das freudige Ereignis gebührend feiern. Diesen zweiundzwanzigsten Juli 1630 empfand der stolze Vater auch deshalb als besonderen Festtag, weil Marie Madeleine das erste von mehreren Kindern war, die seine Frau ihm schenkte.

      Entzückend, hieß es allgemein, wenn man auf das kleine Mädchen zu sprechen kam, und diesen Eindruck machte sie auch später noch als Frau auf alle, die ihr begegneten. Sie hatte kastanienbraunes, sehr volles Haar, eine regelmäßige Nase, ein rundes, hübsches Gesicht mit einem auffallend weißen Teint, von dem sich das Blau ihrer großen, sanften Augen lebhaft abhob, kurz gesagt, keinen einzigen unangenehmen Zug.

      Marie Madeleine d’Aubray erhielt eine gute schulische Ausbildung, Ihre Briefe, die sie in späteren Jahren schrieb, waren fehlerfrei in der Rechtschreibung, eine Seltenheit bei Frauen ihrer Zeit. Obwohl von auffällig kleiner, schmächtiger Gestalt, hatte sie eine kräftige, ausdrucksvolle, geradezu männliche Schrift. Ihre religiöse Unterweisung wurde dagegen stark vernachlässigt. Noch schlimmer stand es um ihre moralische Erziehung, jeder Begriff von Tugend und Sittlichkeit fehlte ihr. Schon als fünfjähriges Kind frönte sie den liederlichsten Lastern, und gerade erst sieben Jahr alt, verlor sie ihre Jungfräulichkeit. Später gab sie sich sogar noch ihren jüngeren Brüdern hin.

      Schon von Kind an war sie also sinnlichen Begierden preisgegeben, eine Heidin ohne Zucht und Schamgefühl, und das sollte sie auch bleiben, als sie erwachsen wurde, ja da erst recht, und dennoch galt sie bei allen, die Umgang mit ihr hatten, als eine der liebenswürdigsten Pariserinnen ihrer Zeit. Sie enthüllte sich als eine ungestüme, leidenschaftliche Natur mit bewundernswerter Tatkraft, die sich jedoch nur unter der Herrschaft ungezügelter Instinkte entfaltete, denen sie keinen Widerstand entgegenzusetzen vermochte. Gegen Beleidigungen, besonders wenn sie sich in ihrer Eigenliebe gekränkt fühlte, war sie außerordentlich empfindlich. Marie Madeleine gehörte zu jenen Charakteren, die, richtig geleitet, Großes zu leisten vermögen, doch ebenso auch schwerste Verbrechen verüben, wenn sie von ihren niedrigen Trieben gesteuert werden.

      Marie Madeleine d’Aubray war einundzwanzig Jahre alt, als sie standesgemäß einen jungen Regimentsoberst heiratete: Antoine Gobelin de Brinvilliers, Freiherr von Rourar, Sohn eines reichen Präsidenten der Oberrechnungskammer, in direkter Linie von Gobelin abstammend, dem Gründer der berühmten Fabrik für handgewebte Wandteppiche nach künstlerischen Vorlagen. Die Braut brachte ihrem Bräutigam die beträchtliche Mitgift von zweihunderttausend Livre in die Ehe sowie die Aussicht auf ein beträchtliches Erbe, und da er ebenfalls ein wohlhabender Mann war mit einem Jahreseinkommen von dreißigtausend Livre, verfügte das junge Paar über ein für jene Zeit stattliches Vermögen.

      Reichtum spielte für den Marquis de Brinvilliers eine sein ganzes Leben beherrschende Rolle, um seine reichlich luxuriösen Bedürfnisse zu befriedigen. Er liebte das Glücksspiel, überhaupt jede Zerstreuung, und an diesem fröhlichen, ausgelassenen Tun und Treiben änderte auch seine Heirat nichts. Gewiss, seine Gattin Marie Madeleine war eine sehr anmutige Frau, die ihn durch ihre lebhafte, anregende Unterhaltungsgabe fesselte, aber

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