Das Pulver. Helmut Höfling

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Das Pulver - Helmut Höfling

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Zeit seinen Reiz verliert, wenn man es nur noch als alltäglich wahrnimmt?

      So lebte der junge Marquis lustig in den Tag hinein, Gesellschaft fand er überall, denn wer Geld hat, ist nie allein. Er war gerade acht Jahre verheiratet, als er im Jahre 1659 eine enge Freundschaft mit einem Rittmeister im Regiment Tracy anknüpfte, einem gewissen Godin, der sich Sainte-Croix nannte, aus Montauban gebürtig. Die beiden Männer hatten sich im Felde kennengelernt, wo der Marquis von Brinvilliers als Oberst beim Regiment Normandie diente.

      Sainte-Croix, ein stattlicher junger Mann, der sich als Spross einer vornehmen Familie aus der Gascogne ausgab, obwohl man daran zweifelte und ihn eher für ein uneheliches Kind hielt, lebte in dürftigen, ärmlichen Verhältnissen, ein Nachteil, den er durch seltene, hervorragende Geistesgaben aufzuwiegen verstand. Er wusste nicht nur seinen scharfen Verstand zum Vorteil einzusetzen, sondern auch sein anziehendes Äußeres, dem eine Frau auf die Dauer nur selten zu widerstehen vermochte. So empfänglich er für die Liebe, so eifersüchtig war er darin bis zur Raserei und auch in seinem Ehrgefühl äußerst reizbar. Durch seinen einnehmenden, geistvollen Gesichtsausdruck verschaffte er sich leicht Vertrauen und Zuneigung, und dank seiner Geschmeidigkeit schlüpfte er überzeugend in jede Rolle, ob Wohltäter oder Schurke. Das Vergnügen anderer betrachtete er als sein eigenes und ging mit ebenso viel Bereitwilligkeit auf ein wohltätiges Werk ein wie auf die Planung eines Verbrechens. Er war einer von den Glücksrittern, die, weil sie selbst nichts haben, alles fremde Gut als ihr Eigentum betrachten. Obwohl so gut wie ohne Einkommen, schwelgte er in einer Verschwendungssucht ohnegleichen und war zu jeder Schandtat bereit, von der er sich einen Gewinn erhoffte. Übrigens gab er sich einige Jahre vor seinem Tod auch mit pietistischen Fragen ab und verstand es hervorragend, von dem Gott zu sprechen, an den er nicht glaubte, und dank dieser frommen Maske, die er nur unter Freunden ablegte, schien er an allen guten Werken teilzunehmen und war zugleich bei allen Schlechtigkeiten dabei. Sainte-Croix war zwar ein verheirateter Offizier, was ihn aber nicht daran hinderte, gelegentlich auch Tracht und Titel eines Abbé anzunehmen.

      Was kommen musste, war dann auch geschehen: In seinem Feldkameraden, dem Marquis de Brinvilliers, der bei seinem Hang zum Vergnügen einen großen Aufwand trieb, witterte Sainte-Croix eine fette Beute, die er zu seinem Vorteil auszuschlachten hoffte, und es brauchte nicht viel Geschick­lichkeit, seine Angel nach ihm auszuwerfen und sich bei ihm einzuschmeicheln. Nach dem Ende des Feldzugs führte ihn der Marquis selbst in sein Haus ein, und auch hier geschah, was kommen musste: Aus der dicken Männerfreundschaft zwischen Marquis und Rittmeister entwickelte sich schon bald ein intimes Verhältnis zwischen dem Freund des Hausherrn und dessen Ehefrau. Sainte-Croix, der glänzende, galante Kavalier wurde der Liebhaber von Marie Madeleine de Brinvilliers, der reizendsten Marquise von der Welt mit ihrer zierlichen Figur und ihren blauen Augen. Durch den bunten Reigen seiner Zerstreuungen zu sehr abgelenkt, um auf die Schritte seiner Gemahlin zu achten, sah der Marquis keine Bedenken in ihrem Betragen, und so hatten die Liebenden freie Hand zu tun, was und wie es ihnen beliebte: Was anfangs noch im Verborgenen begonnen, trieben sie dann rasch ohne jede Scheu nach außen und ohne Rücksicht auf den jeweiligen angetrauten Ehepartner.

      Was hatte sich da gesucht und gefunden: ein Herz und eine Seele, zwei Seelen und ein Gedanke oder zwei Herzen und ein Schlag? Es war ein verhängnisvolles Bündnis zweier Menschen, das Tod und Verderben über andere bringen sollte wie über sich selbst.

      Die Marquise von Brinvilliers machte aus ihrem ehebrecherischen Verhältnis kein Geheimnis, im Gegenteil, sie brüstete sich damit vor aller Welt, und je mehr Aufsehen und Ablehnung sie damit erregte, desto selbstzufriedener und hochgemuter gab sie sich. Sie spreizte sich auch vor ihrem Gatten damit, der aber keineswegs vor Wut schäumte, sondern mit größter Gleichgültigkeit darüber hinwegging und sich schadlos hielt, indem er ihr mit gleicher Münze heimzahlte und sich mit anderen Frauen amüsierte. Auch störte es ihn nicht weiter, dass sie für die Lustbarkeiten mit ihrem Liebhaber das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinauswarf, es war ja neuerdings ihr eigenes. Denn inzwischen hatte der Marquis, von Vergnügen zu Vergnügen jagend, seine Vermögensverhältnisse so stark zerrüttet, dass es seiner Gemahlin gestattet wurde, ihr in die Ehe eingebrachtes Kapital zurückzuziehen und selbst zu verwalten. Durch diesen Schritt glaubte sie sich berechtigt, alle weiteren Rücksichten außer Acht zu lassen und sich unbeschränkt ihren Ausschweifungen hinzugeben.

      Bei ihrem Vater dagegen, einem Mann von echtem Schrot und Korn, kam sie mit ihrer Prahlerei und Selbstgerechtigkeit schlecht an. Er war ein gesetzestreuer Beamter, weder ein Freigeist noch ein Freund von lockeren Sitten, sich sehr wohl der Rechte bewusst, die ihm als Familienoberhaupt zustanden. Ihm galt die Ehre seiner Tochter mehr als ihrem Gemahl. Auf seine Vorhaltungen lachte sie nur, und setzte er sie unter Druck wie ein strenger Vater ein ungezogenes Kind, verzerrte sich ihr sonst so liebliches Gesicht vor Zorn zur Fratze. Alles Zureden half nichts, auch keine Drohungen, der gute Ruf seines Hauses stand auf dem Spiel, er musste handeln. Dank seiner Beziehungen erwirkte er einen königlichen Geheimbefehl, une lettre de cachet, gegen den Liebhaber seiner Tochter. Am neunzehnten März 1663 wurde Sainte-Croix, Seite an Seite neben seiner Geliebten sitzend, Ehebrecher neben Ehebrecherin, aus einer Karosse heraus verhaftet und in die Bastille gebracht.

      2

      Aus und vorbei war es mit der verbotenen Liebe, doch mit dem Keil, der das Paar getrennt hatte, war der Keim für ein furchtbares Verbrechen gelegt.

      Das aber hatte Antoine Dreux d’Aubray, Herr auf Offémont und Villiers, nicht ahnen können. Für die Einlieferung Sainte-Croix’ in die Bastille sollte das Gleiche gelten wie für die Geburt seiner Tochter: Wäre ihm ein Blick in die Zukunft vergönnt gewesen, er hätte den Tag verflucht, an dem auf sein Betreiben hin ihr Liebhaber verhaftet wurde.

      Une lettre de cachet war eine vielfach praktizierte Methode, um unliebsame Zeitgenossen aus dem Verkehr zu ziehen. Wer hinter den Mauern des Staatsgefängnisses, dem Symbol der Tyrannei, verschwand, sah sich der staatlichen Willkür ausgesetzt. Dieses Schicksal traf viele: In die Bastille hinein kam man leicht, aus der Bastille heraus dagegen schwer. Das hoffte auch der Staatsrat d’Aubray, doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht.

      Sainte-Croix gehörte zu den Ausnahmen. Nur knapp zwei Monate blieb er dort, am zweiten Mai lebte er wieder auf freiem Fuß. Doch in dieser Zeit der Haft lernte er einen Gesinnungsgenossen kennen, der sich mit den Geheimnissen der italienischen Gifte bestens auskannte. Es war der berüchtigte Exili, mit wahrem Namen Eggidi, oder auch Gilles, ein italienischer Edelmann in Diensten der Königin Christine von Schweden. Da hatten sich zwei gefunden, wie sie besser nicht zusammenpassen konnten, denn im Austausch unheimlicher Rezepte, mit denen man seine Mitmenschen ins Jenseits befördern konnte, verging die Gefangenschaft in der Bastille wie im Flug.

      „Die Franzosen“, meinte der italienische Edelmann und Giftmischer, „gehen bei ihren Verbrechen viel zu ehrlich zu Werke und verstehen auch ihre Rache nur so wenig geschickt auszuführen, dass sie immer selbst deren Opfer werden. Sie führen den Streich gegen ihren Feind mit so viel Geräusch, dass sie sich selbst einen noch weit grausameren Tod zuziehen als jenen, den sie ihrem Feind antun, indem sie zugleich Vermögen und Ehre verlieren. Die Italiener sind feiner in ihrer Rache. Sie haben es in ihrer Kunst so weit gebracht, dass sie Gifte bereiten können, die dem geschicktesten Arzt verborgen bleiben. Ein schneller oder langsamer Tod, wie es ihre Zwecke erfordern, steht in ihrer Macht. In beiden Fällen lassen ihre Mittel keine Spuren zurück, sie sind, wenn sich doch einige Kennzeichen finden, so zweideutig, dass man sie auch der gewöhnlichsten Krankheit zuschreiben kann und die Ärzte in der völligen Ungewissheit über die unbestimmten Anzeichen, die sie bei ihren anatomischen Untersuchungen finden, den Tod des Patienten nicht anders zu erklären wissen als mit allgemeinen Ausflüchten, die sie immer bei der Hand haben, verborgenen Krankheitsstoffen, schlimmen Zufällen, ungesunder Luft und dergleichen. Dies ist eigentlich die wahre Kunst, die es versteht, die Verbrechen der Menschen auf die Rechnung der Natur zu setzen.“

      So redete Exili über seinen reichen Erfahrungsschatz. Er war also ein Giftmischer

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