Ein ehrbares Haus. Maxi Hill
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In seiner Atemnot murmelt der Schlipsträger in sich hinein: Die Leute aus der Politik haben keine Ahnung, mit wem sie gut Freund sind.
Pam schweigt dazu. Aus der Tür der mittleren Wohnung kommen gerade zwei ältere Leute. Die schlichte Frau grüßt freundlich, doch der Herr mit grauem, lichtem Haar schaut mürrisch auf den Makler und feindselig auf Pam.
»Guten Morgen, Herr Scharfschmidt«, buhlt der Makler.
Der Mann will etwas sagen, aber es ist bestimmt kein freundlicher Gruß. Mit zackiger Drehung schreitet er wortlos dem Ausgang entgegen. Der Richter a.D. also, denkt Pam. Ist der nicht zu klein für die großen Bösewichter der Zeit. Einen Richter hat Pam sich gewaltiger vorgestellt, erhaben und Respekt einflößend. Nur sein Gesicht macht Angst. Im nächsten Moment denkt sie daran, was ihr Chef Eitel Berg manchmal über einen zänkischen Zeitgenossen sagt: Der hat das Problem des kleinen Mannes. Der kleine Mann kompensiert mit Worten, was die Statur ihm versagt.
Von unterhalb der Stufen hört sie den kleinen Richter a.D. wettern:
»Haustüren sind da, um geschlossen zu werden.«
Der Makler geht nicht darauf ein, lächelt der schweigsamen Dame zu und wünscht den Herrschaften einen angenehmen Spaziergang.
Pam und der Makler einigen sich schnell. In wenigen Tagen kann der Umzug erfolgen.
»Es ist alles prima«, sagt Pam. »Aber man erreicht den Aufzug nicht ebenerdig und ich habe oft den Kinderwagen dabei.«
Im Souterrain befinden sich dafür Räume, sagt der Mann, und es klingt so mitleidig, als würde sie über eine Zikadenhochzeit reden. Sie wird keine Frage mehr stellen. Auch unter der Treppe ist genug Platz, wie sie selbst sehen konnte.
Agentur ArtHill
In der Agentur schaut Eitel Berg bei Pamela Eders vorbei und bittet sie in sein Büro. Pam arbeitet gern in Eitels Agentur. Eitel hat mit ihrer Mutter studiert und deshalb kennt sie die hellen wie auch die dunklen Seiten seines nicht mehr jungen Lebens. Eine Vorstellung von dem, was ihm passiert ist, hat sie nicht. Manchmal ist Eitel wie ein Vater zu ihr. In letzter Zeit aber ist er merkwürdig geworden. Schon beim Umzug in ihre neue Wohnung, wobei er und Edís’ Kollege Thomas geholfen hatten, war ihr Eitels Interesse für die Bewohner des Hauses aufgefallen. Besonders für Brauner, den Besitzer der Immobilie, fand er seltsame Worte: Selbst wenn Brauner der einzige Mitbewohner sei, auf ihn passe «honorig» nicht. Das wisse er und es wüssten einige andere Menschen dieser Stadt.
Pams Mutter erzählte einmal von Repressalien, die Eitel hat erdulden müssen, weil er die DDR verlassen wollte. Auch wenn sein Weltbild gelegentlich zur Schwarz-Weiß-Malerei tendiert, heute ist er einer, der mittlerweile seinem einstigen Idol Kapitalismus so ziemlich jede Sauerei zutraut.
Als sie durch die Tür zum Chefzimmer tritt, gibt ihr Eitel den Wink, die Tür hinter sich zu schließen. Es ist nur Dana noch da. Die aber sortiert im Vorraum einen Stapel Kopien.
»Hast du dich schon eingelebt in diesem … ehrbaren Haus?«
Sie spürt sein Stocken und es bleibt der Nachhall in der Luft, wie die Verheißung naher Rache. Genau das gefällt Pam nicht. Über das Haus zu urteilen, dazu hat Eitel kein Recht.
»Wie man es nimmt. Alles hat zwei Seiten.« Sie lächelt. Es fällt ihr nie schwer, eine Erkenntnis zuzugeben. Und das von den honorigen Mietern sieht sie inzwischen etwas anders. »Ständig meckert dieser Richter a.D., diese moralische Instanz, an uns herum. An mir. Der Kinderwagen steht im Wege. Das Auto darf nicht vor seinem Fenster stehen. Nicht einmal den Abtreter vor unserer Tür gestattet er.«
Eitel reißt seine Augen auf, belässt es aber bei dieser einen Reaktion.
»Es sind schon merkwürdige Leute. Ein adliger Herr von und zu geht ständig mit Stock und Hut und selten ohne Fliege. Aber …«, sie lächelt schuldbewusst, »dem tun wir wohl unrecht. Edís hat ihn mit einem seiner Enkel gesehen. Offenbar ein liebevoller Großvater. Tja, man weiß nie, was in einem Menschen vorgeht.«
»Wie wahr«, sagt Eitel Berg. Solange er seinen Rechner schließt, murmelt er etwas vor sich hin, was Pam kaum hört. Den Sinn kann sie ohnedies nicht entschlüsseln: Die Haut unter dem weißem Fell des Eisbären ist schwarz, die Milch der schwarzen Kuh ist weiß.
Weil Pam nichts erwidert fragt Eitel direkt:
»Und die anderen?«
Pam zieht die Schultern an. Eitels Interesse an ihrem Leben wäre wohltuend, aber da bleibt das Unterschwellige in seiner Fragerei. Irgendetwas muss mit diesem Brauner oder mit alten Zeiten zu tun haben. Eitel Berg und dieser Brauner könnten im gleichen Alter sein. Zu Gesicht hat sie den Hausbesitzer noch nie bekommen.
»Alle kenne ich noch nicht. «
Eitel ändert abrupt seine Miene und ebenso das Thema: » Wann können wir zur Hochzeit gratulieren?«
Pam schaut für einen Moment auf ihre Füße. Sie weiß, dass niemand es versteht, warum sie nicht heiraten.
»Ich kann Edís nicht zwingen, Eders zu heißen. Und Jane nicht, el Sahib. Du weißt doch – Kinder mit Migrationshintergrund. Ausgrenzung ist kein schönes Gefühl.«
»Das gibt sich eines Tages …«
»Du Optimist. Die Türken leben schon fünfzig Jahre in diesem Land. Wir hätten diese Wohnung nie bekommen, wäre ich mit Edís dort aufgekreuzt. «
Eitel nickt und kommt endlich zum eigentlichen Anlass.
Am Ende der Zeit weiß Pam, dass sie ab sofort Artdirektorin der in Gründung befindlichen Agentur «ArtHill» ist. Es sei sowieso effektiver, wenn bei einer so kleinen Agentur Text und Gestaltung in einer Hand lägen und die letzten Projekte hätten bewiesen, dass sie mehr kann, als bisher von ihr verlangt wurde. Pam wusste von Eitels Plänen der Namensgebung. Hill — eine Ableitung seines Namens aus dem Englischen. Sie hätte lieber einen deutschen Namen gehabt, aber Eitel ist der Chef. Dana Schiller werde er zur Layouterin ernennen und später über eine Neueinstellung nachdenken.
»Ihr seid beide noch jung und könnt noch viel im Leben erreichen.« Pam errötet.
»Ich glaube, für die Funktion bin ich …zu sehr bauchgesteuert.«
»Du weißt wie ich darüber denke.«
»Ja. Ein Werbemensch ist kein Uhrmacher, der genau erklären kann, warum seine Uhr tickt — oder auch nicht.«
»Der Uhrmacher kann es beweisen«, sagt er in der Art eines Schulmeisters. »Werbung funktioniert anders. Wir gewinnen Kundenaufträge, weil wir gut sind – Oder – Wir verlieren Kundenaufträge, obwohl wir gut sind. Lust und Frust liegen nirgendwo dichter beieinander. Verlass dich ruhig auf dein Bauchgefühl. Manches ist nicht erlernbar – aber du kannst das, wie ich sehen konnte. Erfolg hat etwas mit ahnen zu tun. Dein Gespür ist wertvoller als jede langwierige Marktforschung.«
Er blickt sie wohlwollend an, so, als habe er sich darauf gefreut, es ihr endlich zu sagen. Pam kann vor lauter Demut kein Wort mehr beisteuern.
»Noch