Ein ehrbares Haus. Maxi Hill

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Ein ehrbares Haus - Maxi Hill

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Bauch zugute kommt, warum hat er dem Menschen ein Hirn gegeben.«

      Es war das erste Mal, dass sich einer aus diesem Haus zu mehr als drei lapidaren Worten herabgelassen hat, und sie war dankbar dafür, obwohl sie Hunskötters Botschaften für eigenartig hielt. Wie steht einer von der Stadtspitze mit leidlichem Salär zu einem Unternehmer, der im Gelde schwimmt? Heult er mit den Wölfen? An Korruption wollte sie nicht denken. Nicht bei diesem netten Mann. Endlich drehte Hunskötter den Schlüssel herum. Drinnen im Haus griff er wortlos nach einem ihrer Einkaufsbeutel und wollte ihn oben vor ihrer Tür gar nicht wieder loslassen. Im Flur erlöste Edís ihn von der Last und Hunskötter verabschiedete sich rasch. Ein bisschen hat er ihr leid getan. Vielleicht hätte er sich über einen Kaffee gefreut?

      »Ich wünschte, es gäbe viel mehr…« Was sie sagen wollte, musste ungesagt bleiben. Sie wollte partout nicht um Zuwendung betteln. Also blieb sie allgemein, »…so wunderbarer Menschen mit so tiefen Gedanken.« Das hat sie wenigstens noch sagen können, ehe Hunskötter hinter seiner Tür verschwand.

      Ihre Worte kamen aus einer Mischung von Freude und Heuchelei. Heuchelei ist die Korruption im Inneren, fallen ihr Eitels Worte ein. Man kommt sehr schnell dazu, wenn man niemand vor den Kopf stoßen will.

      Seit diesem Tag denkt sie oft an Danas Worte: »Also, wenn dieser Hunskötter dir mal nicht den Brief untergeschoben hat – mit Absicht. «

      »Wo denkst du hin. Der ist eine Respektsperson, Amtsleiter bei der Stadt, Umweltamt.«

      »Ist das ein Hindernis, wenn man einer Frau imponieren will?«

      Im Verlauf der Woche ist Pam zu dem Schluss gekommen, dass der Mensch als gutes Individuum geboren und durch die Menschheit zum Bösewicht gemacht wird. Ein paar Dinge, die ihr in letzter Zeit passiert sind, können dennoch kein Zufall sein. Das Gute freut sie ungemein, das Schlechte hat sie längst vergessen oder als unwichtig abgetan.

      Wichtiger wäre zu wissen, was Edís bisweilen in eine nie gekannte Sprachlosigkeit versetzt. Sie ist sich keiner Schuld bewusst und die Sache mit ihrem neunen Job hat keine Auswirkung auf ihr Privatleben. Die Sache mit seinem Job hat sich gottlob zum Guten gewendet.

      Vielleicht hat er ihr die Schmeichelei um Hunskötter übel genommen? Es wäre neu in ihrem Leben. Aber es ist so vieles neu im Leben von Pam Eders und Edís El Sahib.

      An diesem Tag ist sie daheim. Die Kinder müssen schon am Mittag aus einem wichtigen Grund von der Kita abgeholt werden. Pam nutzt den Vormittag für ein paar wichtige Erledigungen, für die mit dem Kind kaum Gelegenheit ist. Vom Balkon aus sieht sie Edís Wagen die Zufahrt nehmen. Sie will ihm freudig entgegenlaufen, bleibt aber im Treppenhaus stehen. Sie hat keine Ahnung, was ihn zu dieser Zeit nach Hause treibt. An Misstrauen will sie nicht glauben, also will auch sie keines aufkommen lassen. Durch das Flurfenster kann sie den Platz überblicken, auf dessen Seite der Haupteingang liegt. Sie sieht das Auto im Parkverbot stehen, aber sie sieht Edís nicht.

      Für einen Augenblick befürchtet sie, er sitzt nicht allein im Auto. Sollte er jemanden dabei haben? Eine andere Frau? Manchmal ist er oberflächlich, vergisst, was sie ihm erzählt, weil er tausend andere Probleme hat. Hat er vergessen, dass sie zu Hause ist?

      Er kommt nicht herein und Pam rührt sich nicht vom Fleck. Irgendwann huscht er hastig zum Briefkasten, stöbert die Post durch, nimmt aber nur einen einzigen Brief an sich und fährt wieder davon. Sie ist nicht mehr frei von Zweifel, und das hat nichts mit Misstrauen zu tun. Sie findet es reichlich übertrieben von ihm, die wenigen Stunden bis zum Feierabend nicht abwarten zu können, seine Post zu lesen. Was kann es sein, das sie nicht sehen darf? Sie liest seine Post nicht.

      Ist es seine Post? Sicher. Pam erwartete keine. Nicht zu Hause. Wer sollte ihr im Zeitalter von Handy und Flatrate nach Hause schreiben? Ornella schreibt liebend gerne Briefe. Ja, Ornella könnte ruhig mal was von sich hören lassen, denkt sie. Sie fehlt Pam, aber diese Wohnung war ihr wichtiger. Ihr behagliches Nest für ihre kleine Familie. Ist es in diesem Haus wirklich behaglich? Zumindest ist es Selbstbetrug zu sagen, die Leute würden ihr egal sein?

      Ein ehrbarer Junggeselle

      Aus sicherer Distanz hinter der Fensterscheibe im Hochparterre sieht drei Wochen später Carlo von Findeisen die junge Frau mit dem Kinderwagen kommen. Das geht nicht lange gut, denkt er bei sich. Sein Blick liegt gebannt auf dem hellen Haar. Eine alte Erinnerung treibt ihm das Blut an die Peripherie. Er springt auf. Hastige Schritte tragen ihn zur Tür, doch er darf jetzt keinen Schritt weiter gehen. Erst einmal schiebt er seine Hand tief in die Hosentasche. Ein kurzer Schauer durchfährt seinen Körper, dann setzt er sich wieder und entlässt schweren, heißen Atem. Seit diese Frau hier wohnt, muss er sehr oft an damals denken:

      Es war an einem trüben Sonntag. Damals lebte er noch am Rhein. Sein Vater war mit Mutter ausgegangen und Carlo durfte nicht mit. Oh, wie hatte er Mutter deswegen gehasst – den Vater nicht. In seinem Zwiespalt zwischen ohnmächtiger Wut und Einsamkeit war dann ein Gefühl über ihn hereingebrochen, das er später so liebte und gleichsam fürchtete. Er war auf die Straße gelaufen und hatte dieses blonde Mädchen getroffen, verschüchtert und ebenso einsam wie er selber war. Etwas zu versprechen beherrschte er schon damals ausgezeichnet, und die Kleine folgte ihm in den schmalen Gang, der zwischen zwei großen Mietshäusern in einen Hinterhof führte. Ein Knallerbsenstrauch schützte sie beide vor neugierigen Blicken. In der Nische am Ende des Durchganges hatte Carlo oft gesessen, immer das Gleiche im Sinn. An diesem Sonntag aber war es anders gewesen.

      Carlos Körper vibriert inwendig. Es ist der gleiche Schauer wie vor dreißig Jahren. So lange schon ist dieses Gefühl sein Dauergast.

      Die zarte Kleine kommt tiefer in sein Bewusstsein; ihr Geruch nach Milch und Seife, als sei es gestern gewesen.

      Das helle Haar des Kindes fiel auf die schmalen Schultern und kräuselte sich wie Sauerkraut im grauen Dunst des Herbstnebels. Es machte ihm nichts aus, mit engelssüßen Worten etwas Schönes zu versprechen. Er sah den glänzenden Blick und spürte die warme, weiche Hand. Im Nu packte er sie und zwang sie zu tun, was er sonst selber tat. Zum ersten Mal in seinem Leben verspürte er den lustvollen Moment, an den er fortan jeden Tag seines Lebens gedacht hat. Die zarte Hand der Kleinen hat er noch oft geführt und nie wieder vergessen. Die Tränen im ängstlichen Blick waren für ihn wie Perlen des Glücks.

      In den Jahren entschwand ihr Gesicht zuweilen. Doch heute ist es wieder da, klar und körperlich erfahrbar. Wird es von nun an jeden Tag zurückkehren, sooft er diese Frau sieht?

      Carlo hat Mühe, seine Erregung zu ignorieren, ja sie scheint ihn heute seltsam zu stören. Jetzt, wo da oben diese blonde Schönheit wohnt, die alten Bilder zurückruft in sein Bewusstsein, fließen die ewig gleichen Worte über Carlo von Findeisens Lippen:

      »Hätte ich eher etwas von genetischen Defekten gewusst, ich wäre Genforscher geworden! «

      Sein Blick durchstreift die Bibliothek, das Prunkstück seines einsamen Reiches. Vielleicht das Beste, was das Haus zu bieten hat, dessen gelbe Hülle kaschiert, was dunkel in ihm steckt. Carlo rekelt sich vor Trutzigkeit und murmelt:

      »Jetzt lebe ich hier und niemand weiß Bescheid.«

      Seine magere Gestalt füllt den teuren Sessel nicht. Carlo von Findeisen erhebt sich schwerfällig. In seiner Brust tobt ein Kampf zwischen bürgerlicher Norm und kaltblütigem Blick auf das, was er für erstrebenswert hält. Er läuft auf die Veranda und schaut in den Garten, wo dieser düstere Kerl von der hellen Frau einen Buddelkasten gebaut und eine Schaukel aufgestellt hat. Er selbst hat keine Kinder, weil er keine Frau hat. Nie hatte. Nie wollte.

      Der

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