Sieben Tage. Patty May

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Sieben Tage - Patty May страница 4

Автор:
Серия:
Издательство:
Sieben Tage - Patty May

Скачать книгу

      „Sag bloß, du hattest Stress mit der Rösen?“

      Eiligst zog Anne sie am Arm fort.

      „Jetzt mach schon!“

      „Was auch immer du angestellt hast, verdirb es dir nicht mit der! Wir hatten heute bei ihr Musik, naja, und Sascha kam auf die glorreiche Idee, den Unterricht ein wenig, na abwechslungsreicher zu gestalten. Dafür durfte er uns allen ein Lied vortragen. Du hättest ihn sehen sollen, wie er da stand, mit knallroter Birne, und `Alle Brünnlein fließen` zum Besten geben musste und das auch noch total schräg! Mensch, ich hatte echt lange nicht mehr so ´nen Spaß! Der obercoole Sascha hat sich voll zum Affen gemacht, das wird in die Schulmemoiren eingehen!“

      Glucksend hielt sie sich den Bauch. Da die Freundin aber keine Miene verzog forschte Maike nach: „War es so schlimm?“

      Anne nickte unmerklich: „Hat mich beim Spicken erwischt!“

      „Scheiße! Und?“

      „Und jetzt darf ich nächsten Montag ein Referat halten, auf Englisch!“ Seufzend fügte sie hinzu: „Wahrscheinlich jeden verdammten Montag!“

      „Scheiße!“, wiederholte Maike noch einmal innbrünstig und legte ihr mitfühlend den Arm um die Schulter.

      „Ich sag‘s ja, die Rösen ist echt zum Fürchten.“

      Sicher wirkte die Lehrerin manchmal ziemlich schräg, gleichwohl engagierte sie sich sehr in ihrem Beruf, ging an jede Unterrichtsstunde mit einer Ernsthaftigkeit und Begeisterung heran, als ob das Überleben jedes einzelnen Schülers von der erfolgreichen Teilnahme abhinge. Das konnte jedenfalls selbst für eine Lehrkraft nicht normal sein! Vielleicht war ihr ganzes komisches Benehmen nur Show, nur Theater? Anne dachte darüber nach, dass es gewiss kein Zufall war, dass diese Lehrerin es so mühelos schaffte, in ihren Unterrichtsstunden für Ruhe und Aufmerksamkeit zu sorgen, und zwar in allen Klassen! Bei ihr gab es keine Einträge wegen fehlender Hausaufgaben oder gar Anrufe bei den Eltern von Störenfrieden. Ihre Strafmaßnahmen waren sehr viel effizienter und sorgten immer dafür, dass derjenige, den es getroffen hatte, es sich demnächst zweimal überlegte, in den Fokus ihrer Aufmerksamkeit zu geraten. Natürlich würde Anne das Referat halten und Vokabeln pauken, so gut sie konnte, und hoffen, dass die Lehrerin sie danach in Ruhe ließ. Ihr blieb gar nichts anderes übrig, ihre Klassenarbeit wurde trotz Abschreibens gewertet, und damit hatte sie Anne eindeutig in der Hand. Die Rösen war nicht verrückt, die war eiskalt und raffiniert! Mann, die letzten Wochen bis zum Beginn der Sommerferien konnten noch verdammt lang werden.

      Die Klingel kündigte das Pausenende an, und ein Strom lärmender Schüler bahnte sich seinen Weg vom Schulhof in den Gang hinein, um sich sogleich in alle Richtungen zu zerstreuen. Die beiden Mädchen standen mitten im Weg und wurden durch den sich stetig drängenden Pulk getrennt.

      „Ich muss jetzt zu Mathe! Hast du heut Nachmittag Zeit?“

      Anne winkte ihrer Freundin über die Köpfe der an ihr Vorbeieilenden zu, bevor sie es aufgab, gegen die sie vorwärtsschiebende Masse anzukämpfen.

      ***

      Charlotte Ehlers ließ das Fahrrad auf der Hofeinfahrt ausrollen, hievte sich mühsam vom Sattel und schob den Drahtesel zurück in den Schuppen, bevor sie etwas kurzatmig ihr Heim betrat. Kaum fiel die Tür ins Schloss, entledigte sie sich ihrer Kostümjacke, die sie achtlos auf die Kommode warf, und streifte schwerfällig die flachen Pumps von den Füßen, um sie gegen robuste Arbeitsstiefel zu tauschen.

      Es war ein sehr warmer Tag, die Sonne schien hell durch die Fenster herein, trotzdem begann Charlie zu frösteln. Seufzend wischte sie sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn, spürte die Nässe unangenehm kalt auf dem Rücken.

      Zögernd blieb sie im Flur stehen.

      Ach, was soll‘s. Ein Schnäpschen wird mir nicht schaden.

      Behände nahm sie den Apfelbrand und ein kleines Gläschen aus dem oberen Schrank der Anrichte. Als der Alkohol ihr die Kehle herunterrann, trat sogleich das gewünschte wohlige Gefühl ein. Meine Güte, tat das gut!

      Für einen Augenblick schloss sie die Augen und genoss die Wärme, die sich langsam in ihrem Körper ausbreitete.

      Die Anrichte schmückte ein kleiner Spiegel, und Charlie betrachtete sich selbstvergessen. Über ihre einst so strahlend blauen Augen hatte sich im Alter ein grauer Schleier gelegt, das Gesicht, von Wind und Sonne gegerbt, war schmal und hager geworden. Feine Fältchen durchzogen die Haut, an Stirn und Mundwinkeln hatten sie sich tief eingegraben und verliehen Charlotte ein strenges, fast verbittertes Aussehen. Bald wurde sie fünfundsechzig.

      „Du bist alt geworden“, flüsterte sie ihrem Spiegelbild zu.

      Eine Strähne hing widerspenstig über dem Ohr herab, und Charlotte steckte sie fest. In ihrer Jugend hatte sie wunderschönes Haar gehabt, hellblond mit langen weichen Wellen, die Freundinnen hatten sie immer darum beneidet. Nun war es dünn und spröde, zu einem Knoten im Nacken gesteckt, von unbestimmbarer Farbe und durchzogen mit grauen Strähnen.

      Als ihr bewusst wurde, dass sie immer noch die Flasche und das Glas in den Händen hielt, schenkte Charlotte sich noch einen Schnaps nach und stürzte ihn in einem Zug hinunter.

      „Wirklich gutes Zeug“, flüsterte sie zufrieden und beförderte den Apfelbrand an seinen Platz zurück.

      Nicht dass sie sonst Alkohol trank, aber dieser Tag war auch nicht wie jeder andere. Er gehörte mit zu den schlimmeren Tagen in ihrem Leben, und davon hatte es wirklich reichlich gegeben, eigentlich mehr als ein Mensch allein verkraften konnte. Immerhin hatte sie diesmal ihr Schicksal selbst in die Hand genommen, heute war es nicht unerwartet und unvorhersehbar über sie hereingebrochen.

      Nein, sie hatte eine Entscheidung getroffen!

      Eine, die ihr nicht gefiel, die sie zutiefst schmerzte, aber es war ein richtiger und notwendiger Entschluss gewesen.

      Es war Mittagszeit, und sie musste den Arbeitern das Essen bereiten, doch vorher wollte sie noch eben auf ihrem Hof nach dem Rechten sehen. Durch den Vorratslagerraum und die dahinter befindliche Nebentür stapfte Charlotte in den Garten hinaus. Dieser lag etwas höher als das angrenzende Obstgebiet und bot einen wunderbaren Blick über das Land.

      Die Apfelblüte neigte sich langsam dem Ende zu, und da es kaum Nachtfröste gegeben hatte, würde sie voraussichtlich in diesem Jahr eine gute Ernte einfahren. Ihre letzte Ernte!

      In einem halben Jahr würde ihr dieses Land nicht mehr gehören, das Land, das seit sechs Generationen von ihrer Familie bewirtschaftet wurde, jeweils an den ältesten Sohn vererbt, das zwei Kriege und mehrere Sturmfluten überstanden hatte. Als bei der großen Flut damals die Deiche brachen, war sie gerade mal fünfzehn Jahre alt gewesen, und diese Katastrophe hätte ihre Familie fast das Leben gekostet.

      Nie wieder hatte sie seitdem so ein gewaltiges Ausmaß an Zerstörung erlebt, aber das Land hatte sich davon erholt. Ihr Vater steckte all seine Kraft in den Hof, gab sein ganzes Wissen und die jahrelangen Erfahrungen an sie weiter, und sie hatte später seine Arbeit fortgeführt.

      Das war immer ihr Lebensinhalt gewesen!

      Mit diesem Land war sie auf ewig und auf eine ganz besondere Weise verbunden.

      Gut, dass ihr Vater das nicht mehr erleben musste!

      „Charlie,

Скачать книгу