Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer страница 2

Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

Скачать книгу

in deren Wipfeln die Hand des Wanderers gespielt hatte. Er wehte den eisbefreiten Bart hoch und deckte das gewaltige Gesicht. Weithin hob sich der Graumantel, als wolle er alles Land einhüllen.

       Es ging ein Zittern durch die Nacht. Die Zunge der Gezeitenwaage schlug ein Geringes gegen die Schale aus, darin das Gold des Tages lag. Der Wanderer lächelte ein wenig unter den auf gewehten Haaren.

       Da sah er aus der schwarzen Tiefe, die ringsum über dem Lande lag, zwei Lichter glimmen, matt und fern wie zwei Funken und so nahe beieinander, daß sie fast in eins verflossen. Er ging den beiden Lichtern entgegen, denn seine Nüstern hatten schnell erwittert, wer dort in halber Hügelhöhe wartete.

       Ein Bettler saß dort, und jene beiden Lichter, die von ferne wie zwei Funken durch die Finsternis gerufen hatten, waren demütige Augen. Sie schimmerten ruhig, ganz anders als das glitzernde Feuer der Sterne, eher dem Leuchten der Johanniswürmlein zur Zeit der Sonnenwende ähnlich, nur stetiger.

       Der Bettler war sehr dürftig gekleidet. Seine Lumpen bedeckten die Lenden kaum. Brust, Arme und Beine zitterten in ihrer mageren Nacktheit.

       Neben ihn ließ sich der Wanderer auf dem Hange nieder und zog den Mantel fester an den Leib. Obgleich der Hügel die beiden gegen den Sturm deckte, lag ein Frösteln in der Luft wie ein Fieber der Erwartung. Es befing selbst den Wanderer aus Nordland.

       Der Hügel vor ihnen, eine äußerste Wklle der schwäbischen Alb, hieß Hohenheim. Er trug einen Edelsitz, das Stammhaus der Bombaste. Kein Bombast wohnte mehr da oben. Der Edelhof gehörte dem Spital der Reichsstadt Eßlingen. Wie viele andere vom Adel, waren auch diese auf den Sand geraten, und der Grießwärtel war die neue Zeit gewesen mit ihren wohlbewehrten, stolzen, üppigen Städten, die eine Kaufmannschaft vortrefflich zu schützen wußten. Doch nicht wie der meiste Niederadel waren die Bombaste jenseits der Schranken verkommen. Ihr Beutel blieb leer, aber ihr Herz und Mut war nicht verschüttet.

       So sagte das Einaug zu dem Bettler:

       „Du hast deine Rast gut gewählt. Da sind Menschen gestorben, deren Blut seiner Kraft noch nicht entbunden ist. Ich fühle die Not ihrer letzten Stunden.“

       „Vielleicht wird einer aus ihrem Blute meine Blöße sehen“, murmelte der Bettler.

       Sein Blick sank nieder in die hohlen Hände, und ein Wundmal glühte auf dem Grunde jeder Hand, als halte er zwei Rubine gegen den Himmel.

       „Deine herrlichen Kleider hast du jenseits gelassen. Sie sollen von Gold, Perlen und Steinen starren?“

       „Ja, starren, als trüge einer den Harnisch auf nacktem Leibe durch die Winterkälte. Die Haut zerreißt vor Frost."

       „Darum bist du armselig gekommen.“

      „Darum. Ich muß wieder aufgehoben werden wie damals unter dem Holze. Meine Füße müssen wieder über warme Menschenherzen gehen, sie frieren von den Marmor fliesen. Vielleicht erbarmt sich einer von ihnen, deren treibendes Blut du spürst, vielleicht noch ein anderer und ein dritter und viele. Mich dürstet nach Herzenslaut, nach Muttersprache. Sie haben mich so tief in das gläserne Latein begraben, daß mir die Auferstehung und Flucht schwer geworden ist.“

       Die Zähne des Bettlers schlotterten, wie vordem das Kirchenfenster.

       Der Wanderer öffnete seinen Mantel.

       „Mein, laß“, flüsterte der andere … „Laß nur. Ich muß als Bettler kommen, nackt. Es gibt doch viele in diesem wilden Lande, die Hunger haben?“

       „Viel, viele“, rief der Wanderer jäh, als freue er sich der hungernden Kräfte.

       „Zu den Satten komme ich in meinen goldenen Gewändern. Aber sie wischen auch dann nur die Triefaugen und klatschen feist in die Hände, um ein wenig Bewegung zu machen. Ich bin begierig nach dem Hauche der Hungernden, der nicht nach Wein riecht oder nach Speisen, die vor dem Herdfeuer faulen müssen, daß sie den Darm nicht beschweren.“

       „Viel Hunger wirst du finden und brennende Herzen. Aber sie können keine Jünger sein. Sie verstehen das Fürwahrhalten nicht. Sie müssen in allem ihr Eigentum suchen und finden können. Sie sind die einzigen, die keine Götter haben.“

       „Ich wußte es. Darum komme ich nun selbst zu ihnen.“

       „Aber sie reißen ihr Auge nicht aus, wenn es ärgert! Sie geben ein Auge nur um des höheren Wissens willen hin. Es ist kein Volk wie dieses, das keine Götter hat!“

       „Und woher bist du, mein Bruder?“

       „Ich bin nichts als ihrer Sehnsucht Siegel. Und sie wissen von ihrer Sehnsucht, daß sie in Flammen verzehrt wird und immer wieder aufersteht.“

       „Dann segne mich, Bruder.“

       Der Wanderer neigte seinen Mund auf die Stirn des Bettlers. Die war von kleinen Narben quer überzogen, und Blut begann aus den Narben zu tropfen.

       Der Bettler flüsterte: „Sie mögen mich kreuzigen, da sie sich selber kreuzigen. Daß ich wieder Heiland werde!“

       Da erhob sich der Wanderer und nahm den Bettler, der vor Verlangen glühte, auf. Er schlug seinen Mantel unter ihn und hielt den eschenen Speerschafl überzwerch, daß der Bettler gut, wie in einer Matte ruhen konnte.

       „Ich will dich tragen, daß du die heimlichen Quellen erlauschest. Daran wirst du erkräften, denn du bist fast verschmachtet.“

       Der Bettler saß in den Armen des Wanderers schmal und dürftig. Seine Beine waren eng aneinandergeschlossen, sein Gesicht so blaß und hohl, als würden die Wangen, Lippen, Schläfen und Nüstern nach innen gesogen. Die eine Hand ruhte über dem Herzen, der anderen Hand Schwurßnger waren gegen die Sterne gestreckt, und beide Ellbogen lagen eng an die Lenden gepreßt.

       Sie wichen von dem Edelhofe, da viele Bombaste ungesättigten Herzens gestorben waren.

       Sie überwältigten Hügel und Taler, Städte und Dörfer. Überall aus den Kirchhöfen, durch die Wände der alten Häuser und herüber von manch kühnbebautem Felsen drang das ungestüme Beben verhaltener Triebe, die von Blutwelle auf Blutwelle, von Kind auf Kind unerlöst überkommen waren.

       Der Körper des Bettlers in den Armen des Wanderers schien mit allen Poren einzuschlürfen, so daß seine matte Haut straffer und glänzend wurde.

       Und sie hörten die kräftigen Schreie der kreißenden Mütter, das widerspenstige Röcheln der Sterbenden drang auf zu ihnen, und sie vernahmen den wilden Atem der Zeugenden.

       Die Gestalten der Träume quollen aus den Köpfen der Schläfer, einem wirbelnden Nebel gleich. Und sie lasen aus dem verwegenen Spiele, wie die Herzen, bis zum Rande angefüllt, zitterten.

       Heißhungrig lagen die Bauernseelen. Sie zerrten an den Ketten, mit denen ihre Leiber kürzer an die Herrenscholle geschlagen waren, als man Bestien

Скачать книгу