Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

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Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

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dort unten und geborgen zu sein. Nichts sollte mehr auf den Todesweg zurückdrängen. Es mag auch die Reisläufersorge um das Beutegut gewesen sein. Er hatte manch einen, übel zugerichtet und halb ausgeronnen, mit der letzten Kraft das Kriegsgut schleppen sehen, als hinge der armen Seele Heil daran. Und vor den Alten mochte er nicht als einer hintreten, der zu Fuß hatte heimtrollen müssen. Wenn er die Taschen aufs Estrich fallen ließ, sollte es klirren.

      Er zerrte den Sattel unter dem toten Peppo vor und zäumte ab. Er belud sich und schwankte unter der Last, als sei er trunken. Halb im Traume watete er durch den Schnee der Schweigwies bis dorthin, wo sie steil gegen die Teufelsbruck abfällt. Keuchend sammelte er seine Kräfte.

      Des Alten Haus dort drunten, das Ochsnerhaus an der Teufelsbruck … sie waren wach, er konnte nicht lange gelegen haben. Durch die Herzluken der Fensterläden schiens her. Es glitt ein Schatten über zwei der glühenden Herzen, als ob ihm das Haus zugeblinzelt hätte. Jungrudi schöpfte Atem und taumelte weiter. Über die Straße noch. Dann hob er den Spieß und schlug ans Tor.

      Der Hund heulte; ein Lichtschein brach durch die Ritzen. Er hörte seines Bruders tiefe Stimme.

      „Was ist?“

      „Mach uf, Hänsli … der Ruodi!“

      „Ruodi! Tot oder lebig?“

      „Uf, tu uf! Ehender tot.“

      Hans Ochsner rief durch die Gademtür:

      „Der Ruodi ist kummen!“

      Es fühlte sich der todesmatte Mann von zwei tüchtigen Fäusten gepackt und über die drei ausgetretenen Steinstufen gezogen. Den Spieß nahm ihm der Hans ab, von Sattel und Zaum ließ er nicht.

      Er tastete über die Flurecke weiter, durch die Gademtür hinein.

      Sie waren um den Tisch gesammelt, eine dampfende Schüssel in ihrer Mitte.

      Die Mutter war aufgestanden, auch Eis, die Schwester, und Marx, der Knecht. Der Vater allein blieb sitzen, und da er sitzen blieb, wagte sich niemand vom Tisch fort.

      Jungrudi warf Sattel und Zaumzeug ab, und es klirrte so schön, als er nur wollte. Er stemmte das Schwert vor die gespreizten Beine hin und brachte, so gut er konnte, seinen Gruß vor.

      Rudi Ochsner maß den Sohn mit einem kurzen Blick. Er führte den Löffel in den Brei, aber die Hand zitterte doch.

      „Hast gnuog? – Du sollt wissen: Du stohst im Schelmenbuoch. Die Herren ze Einsidlen hänt sich der Tagsatzung von Bern zuogschlagen. Uf Reislouf ist Tod gsatzt. So einer den Schelmen houset und letzet, kummt er in Bann.“

      Jungrudi zog einen Beutel aus dem Gürtel.

      „Die werden kein Toten nit henken …“

      Er tappte vor und warf den Beutel neben die Schüssel.

      „Do, Vater … Florentiner, guote … vor Bett unde … trinken … es goht nit meh …“

      Hans Ochsner war langsam eingetreten, er fing den Bruder auf. Die Mutter warf sich über den Sohn und löste mit hastenden Fingern Mantel und Haube. Die Schwester brachte den Krug und kniete schwerfällig nieder, denn sie war hochschwanger. Sie stützte den schweißnassen Kopf und flößte den Trunk ein. Hans Ochsner stand bei den mildtätigen Frauen, kratzte verdrießlich hinterm Ohr. Er sah zum Alten hinüber, dessen Stirnadern schwollen, dessen Mund vor Schmach bebte, daß ihm der Junge Geld vorwarf. Zorn schüttelte ihm den hageren Körper.

      „Oußhin! Laur!“

      Aber niemand wollte anpacken. Die Mutter nestelte zitternd an dem durchfeuchteten Lederwams. Eis umfing des Bruders Kopf fester und hielt den Krug an den gierigen Mund.

      „Heilig Gnadenmuotter“, flüsterte die Frau, „hilf du! Hänsli, acht uf ihn! Wär nur der Bombast zurück!“

      „Er muoß jede Wil, Muotter“, hauchte die Eis. „Er ist bi hellem Tag zem Buechenecker drunt. Der Marx sullet ihm uf die Klüsen entgegen.“

      Des alten Ochsner Fäuste rüttelten an der schweren Tischplatte, daß der Schrägen ächzte.

      „Ous! Oußhin … der sull …“

      Der Hans sprang ins Mittel, er war ein Bärenkerl, der Mutter, Schwester und Bruder schon decken konnte.

      „Lont sin, Vater!“

      Der Alte packte den Geldbeutel und schleuderte ihn gegen die Frauen. Hans fing ihn geschickt ab und sprang zu, denn dem Rudi Ochsner war nicht zu trauen, wenn ihn der Zorn ritt.

      „Lont sin, Vater! Der wuschet nümmen uf.“

      Jungrudi sank ächzend vom Kruge und begann zu lallen. DerEtzelwald, die hellgrüne Feder, die Gnadenmutter zu Einsiedeln, der Peppo, die weiße Nelke der Fredi … er rief den Vater an und rühmte sich seiner vollen Satteltaschen.

      Der Alte lauerte hinüber wie einer, der den stachelnden Spott des Widersachers sorgsam auffängt, damit das Maß bald voll liefe.

      Allein die Reden des Jungen hetzten am Hohne vorbei. Er ritt den Todesritt über die Seebrücke, beichtete seine Sünden, schmähte die Gnadenmutter und versprach ihr alles Wachs des Klosterspeichers, dann tröstete er den Peppo und meinte:

      „Leg dich ufs Stroh … wir sänd dahoim … die sull ihr Pfund Kerzlin han … dahoim beid … alls ist guet…“

      Das schlug die Zornflamme in den Augen des Rudi Ochsner nieder. Er lümmelte abgewendet auf dem Tische und kaute an den Fingerknöcheln.

      Alt- und Jungrudi glichen einander wie die beiden Kirchtürme zu Einsiedeln, aber auch die mußten durch Schiff und Gnadenkapelle geschieden sein, sonst hätte einer den andern erschlagen. Die beiden Ochsner waren lang und sehnig. Ihre Augen lagen im Hinterhalt unter den starken Brauenbögen. Die Nase rückte ihnen freimütig aus dem Gesicht, an ihrem Ende leicht verdickt und ein wenig gespalten. Der Mund war schmal, zu beiden Seiten hing der Bart in langen, dünnen Spitzen nieder. Das nackte Kinn trug eine seichte Grube.

      Seit der Junge mannbar war und auf der Willerzeller Kirchweih in Stein- und Stangenstoßen Sieger blieb, wühlte der Streit. Vom Hans, der aus dem Schärerblute der Mutter wuchs, konnte der Vater nichts anderes erwarten, als daß er seinen Mann packte, über die Schulter schwang, ihm alle Knochen knacken ließ und endlich doch ein Dankgebet abpreßte, wenn der Kopf gutgelenk am Nacken saß. Allein über den Jungrudi wäre der Alte auch nach der siegreichen Kilby gern Herr geblieben. So schwer er den eigenen Zorn bezwingen konnte, so bitter stellte er seinem Unband im Sohne nach. Die Familie wars gewohnt, beide Hähne auseinander zu halten. Sollte aber eine schwere Arbeit schnell getan sein, dann hetzten sie die beiden drauf. Keiner ließ den andern um einen Zoll zuvorkommen. Darnach waren sie ausgeronnen, und man konnte sticheln, beide lachten nur.

      Bös schlug die Galle erst aus, als der fahrende Arzt Wilhelm Bombast von Hohenheim in den Oberstock des Ochsnerhauses eingezogen war und festsaß, da er sah, daß ihm die Gnadenmutter nicht allzusehr in die Kunst pfuschen wolle. Der Pilgerstrom trug alljährlich Sünden und veraltete Gebrechen, die nur mehr ein Wunder heilen konnte, tonnenweis am Ochsnerhause vorüber Einsiedeln zu, aber er führte auch reichliches Übel mit, das nicht erst vor die Himmelskönigin gebracht werden konnte und nach eiliger Hilfe schrie. So erblühte dem kleinen, schmächtigen Heilmeister, der abgeschabt und ausgenommen an

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