Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

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Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

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lange saß er in seiner Kammer. Es war, als flösse sein Leben an ihm vorbei, ein gleichmütig verrauschendes Wässerlein. Und er spähte durch die Wellen, ob nicht doch ein Goldkorn Glückes unter dem Geschiebe des Alltags verborgen läge; sein Blick überflog das Gerinne, er suchte nach einer bunten Blume, die vorübertanzen möchte. Aber er sah nur, daß sein Leben arm an Liebe war. Kopfhängerisch stieg er hinunter, sein Maultier, das Schwabenjörgeli, zu satteln, denn er mußte zu den Frauen in der Au.

      Beim Brunnen vor dem Ochsnerhause wusch Eis den Melkeimer. Da trat er zu ihr hin und sagte:

      „Jungfrau, wollet Ihr min Weib sin? – Min Leben ist nit freventlich vertan worden. Ein ehrlich Arbeit und guete Kunst stoht hinter mir. Dannocht weiß ich kein Herz nit, das miner sich erbarmet, so Gott sine Hand uf mich wollt legen. Ich hab kein Heimat nit, und mir banget darnach. Seid guet zu mir, Eis Ochsnerin, ich will mit Euch teilen, was Gott mir schickt, Fröid und Not, und Ihr sullt an mir ein trüen Gsellen han.“

      Eis war blaß und zitterte wie ein Schneeglöcklein im Winde, aber sie sah aus seinen Augen eine klare, warme Seele brechen. Also wurde ihr Herz von dem Unfrieden der letzten Tage frei. Sie reichte dem Bombast von Hohenheim ihre Hand und sagte:

      „Ich will guot sin ze Üch, Herr Wilhelm.“

      Er umfing die Braut und küßte ihr Stirn und Mund.

      Sie ging dann schweigend neben dem Maultier eine Weile her, Bombast hielt ihre Hand in der seinen. Auf der Höhe blieb sie zurück und winkte ihm nach. Die Luft war rein, das Moor gegen Einsiedeln zu lag unter schimmerndem Reif. Als sie sein Gesicht nicht mehr erkennen konnte, kniete sie nieder und betete zur Gnadenmutter für den stillen Mann. Er hatte ihrem Leben das Ziel gewiesen, da er sie um seine Heimat bat. Und sie wurde des Lebens froh.

      Von dem Pfleger des Stifts, Herrn Diebold von Geroldsech, heischte Bombast Beistand. Der freimütige Herr, der nachmals Ulrich Zwingli auf die Kanzel von Einsiedeln berufen hat und dem Reformator späterhin in der Lehre nachgefolgt ist, sagte dem Arzte wohlgeneigt zu.

      Um Fastnacht hielten sie Beilager im Ochsnerhause. Und am anderen Morgen führten sie Braut und Bräutigam in stattlichem Zuge zum Meinradskirchlein auf der Paßhöhe.

      In dieser Nacht, da Gäste und Hausleute, von Wein und Bier beschwert, in den Betten, auf Stroh und Heu, etliche auch auf dem duftenden Reisig des Estrichs ruhten, entwich Jungrudi nach Zürich, wo des Florentiner Werbeleute lagen.

      Der Alte konnte ihm, als er den Rausch ausgeschlafen hatte, nur mehr nachfluchen. Er schwur, den Entlaufenen nicht wieder unter seinem Dache zu dulden.

      Und nun, nach zwei Jahren, war Jungrudi mit der letzten verbissenen Kraft seines harten Schwyzerwillens heimgekrochen. Er füllte den niedrigen Gadem mit seiner keuchenden Stimme, daß ihre Herzen alle zitterten.

      Als der Vater, von des Sohnes Elend gebändigt, zusammengesunken war, trug Hans den Bruder auf die Ofenbank. Eis lief um Wein, die Mutter griff aus der Truhe altes Linnen. Der Knecht hatte das Geflüster der Frauen verstanden, er drang durch das Unwetter Herrn Wilhelm entgegen.

      Und während die Mutter Jungrudis glühende Brust und den brennenden Kopf mit Wein wusch, trat Eis unruhevoll immer wieder vors Tor und lauschte in die Nacht. Der Hans barg des Bruders Gut in einem Winkel, trug der Eis Holz zu, holte Schnee und mengte ihn unter den Wein.

      Jungrudi erkannte die Mutter nicht. Die Kühlung tat ihm wohl, er sog den säuerlichen Duft gierig ein und lächelte. Er wähnte, daß die gefälligen Mägde einer Badestube ergötzlich mit ihm umgingen. So brodelte er nackte Redensarten, und seine Mutter deckte sie mit hastigen Gebeten zu. Er winkte ihr, wollte sie fassen. Die Mutter beneidete, von Scham und Verzweiflung gemartert, die schmerzensreiche Maria um ihre Leiden. Und doch tauchte sie den Lappen wieder in den Wein und kühlte ihres Kindes Fieber.

      Der Hans trat erst hinzu, als er die Not der Mutter nicht mehr aushielt. Er rüttelte den Bruder.

      „Ruodi! Wach uf, Kerl! Din Muotter.“

      Der elend sieche Teufel lachte und lallte:

      „Weg dine säuische Hüf! Gang miner müeßig, Heini Stoll! Vergunnst eim das Mensch nit? Die streichet und zwacket mich wohl … wills widerstreichen uf Schwyzer Art.“

      Die Mutter ließ das Linnen sinken, sie deckte mit zitternden Händen das Gesicht. Der Vater war langsam aufgestanden.

      Er war weiß vor Wut, der Mund klaffte ihm, der Hans wich aus.

      Der Vater ging zur Ofenbank, packte den Jungrudi am Koller und den faltigen Hosen, schwang ihn auf die Achsel und wollte gegen die Tür. Die Mutter hing sich an den Mann. Rudi Ochsner stieß sie weg. Der Hans folgte mit halberhobenen Armen, bereit, beide, Vater und Bruder, aufzufangen. Der Alte tappte unter seiner Last weiter.

      Da erschlafften die Arme und Beine Jungrudis, der wild um sich geschlagen hatte. Sein Kopf fiel röchelnd auf des Vaters Brust.

      Die Mutter schrie, sie stürzte sich auf den Mann, drängte ihn zurück. Hans riß ihm den Bruder aus den Armen.

      Eis lief ans Tor, sie hatte Hohenheim gehört. Die Mutter wankte ihm mit einer unsäglichen Gebärde entgegen. Eis öffnete die Arzeneitasche, so schnell sie konnte. Der Hans saß auf einem Stuhl und hielt den Bruder auf den Knien.

      Bombast fühlte den Puls. Sie brachten ein Schaff. Er ließ dem Sterbenden die salva tellam der Rechten, aber das Blut schoß nicht mehr in einem freudigen Strahl aus der Wunde, es tröpfelte matt von den Fingern.

      Er goß aus einem Fläschchen auf die hohle Hand, rieb Jungrudis Schläfe, hielt des Fläschchens Mund an die schwer schnaufende Nase. Ein scharfer Duft durchdrang den Gadern.

      Dann verband er die Hand und schlug die Schläfenader.

      Das Blut floß kräftiger. Jungrudi seufzte tief. Er öffnete die Augen und ließ sie über die vorgebeugten Gesichter irren. Die Finger seiner linken Hand spreizten sich, als wollte er etwas fassen. Er ballte die Hand und murmelte:

      „Muotter … Eis …“

      Dann sank die Brust rasselnd ein, das Blut stockte. Wilhelm Bombast, der Jungrudis Kopf hielt, legte seine Hand über die gebrochenen Augen und schob die Lider zu.

      Die Mutter nahm den Kopf auf ihren Arm und wischte das Blut von Wange und Schläfe. Sie weinte leise. Eis war von Hohenheim gestützt, beide blieben still bei der Mutter. Der Hans rührte sich nicht, er schaute nur die Mutter an.

      Sie küßte die erkaltende Stirn. Ihre Augen suchten den Mann. Der lehnte abgewandt an der Tür, die Fäuste ineinander gepreßt, vor die stoßende Brust gestemmt. Er kämpfte wie ein getroffener Eber, der seine Wunde aufwühlt, während er das Eisen abzuwetzen strebt. Sie sollten nicht wissen, daß ihm ein Schrei hinter den Zähnen stand, der ihn fast erstickte.

      Die Frau kannte seine Not. Sie rief ihn an:

      „Ruodi, kumm ze ihm … Ruodi, es hat ihn siech uf den Tod hoimwarts trieben, eh dann er ist verscheiden.“

      Der alte Ochsner schleppte steif hin, legte eine Hand auf die Schulter des Weibes. Sie nahm seine Hand und legte sie auf die Stirn des toten Sohnes.

      Sie sagte nur:

      „Der ist din Ebenbild gsi, Mann.“

      Aber eine Last von Liebe und

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