Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

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Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

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sije. Dann soll ihm zum jungisten Tag nit jedlicher Fürbitter von der Hand weisen und fragen: nach welichem heißest du, daß er dich für Gott kunnt us dem Drecke ziehn, darin din arme Seel steckt.“

      „Item, lieber Weßner, wir hänt do bewiesen, daß es kein heiligen Theophrastum nit gibt. – Der selig Markgraf zu Brandenburg ward als ouch Achill geheißen, und sin Sohn wird Cicero genennt. Hat glichermaßen nindert ein heiliger Achilles noch Cicero gelebt. Gebet Üch zefrieden. Es ist des Vaters Recht, daß er sin Kind benamset. – Dieweil aber ein heiliger Theodorus, Theodosius, Theodot, Theodulus, Theonas, Theokar und Theonestus für Gott bestehet, wird der Theophrastus ouch kein ghürnter Drach oder Leviathan gewest sin … von dem der heilig Benno sagt: Ecce draco magnus et rufus, propter sanguinem Martyrum!“

      Das Latein des heiligen Benno tat endlich sein Gutes. Es erstickte die Zweifel und führte den Klaus in die Schranken der Ehrfurcht zurück, die dem Laien nun einmal gebühren, und wäre er gleich der trefflichste Hauswirt.

      „Hochwürden Herr Prior vermeinet als demnach mit nichten …“

      „Ziehe in Frieden, min Lieber, so das Knäbli vom Herzen ist wohlgeschickt und erfreulich, möcht ihm des Luzifer Namen nüt sorglich werdin.“

      Herr Diebold atmete auf, als er des Fragers ledig war. Doch an das Seufzerlein der Erleichterung schloß sich ein gewichtigeres des Unfriedens.

      Durch sein Guckfenster sah er jenseits des kräftig jungen Grüns der Au aus dem Walddunkel der Höhen die steilen Mythen ragen, noch hell beschneit, aber das lenzbewegte Gewölk flog darüber hin.

      Von der Oberpfalz, vom Reichenbacher Kloster, war im Herbst der Ordensbruder Nikolaus de Donis eingekehrt und weiter nach Basel zu dem gelehrten Drucker Amerbach und zu Sebastian Brand gereist. Er kam über Ingolstadt, wo er geistbewegte helle Stunden mit Hieronymus von Croaria, Sixtus Tücher und dem jüngstberufenen Celtes genossen hatte. In göttlicher Trunkenheit glühten die Augen des Bruders, als er von jenen Stunden sprach. Und nach ihm fiel die Mooröde der Abtei über Herrn Diebold, und er lag lange in harten Zweifeln.

      Was er in seiner Jugend schwer erstickt hatte, war wieder aufgerührt und stand in Flammen. Diese Flammen aber zernagten das leidige Wetterdach seiner verzichtenden Heiterkeit. Mußte der feiste Bauer da an dem ersten gebenedeiten Frühlingstag in seine Zelle dringen, um ihm zu zeigen, daß er sein Pfund verlottert habe! Vor einer Woche erst war ein Brief des Bruders Nikolaus zu ihm gelangt. Dessen letzte Weisheit stand wohl nicht auf dem engbeschriebenen Zettel, und eine Nachricht, die alle Gelehrten dieser Tage mächtig bewegte, die Nachricht, daß Max I. Reuchlin in den Adel, ja zum Pfalzgrafen ehestens erheben werde, hatte Herrn Diebold kalt gelassen – aber der Brief war in einem Latein geschrieben, das den Pfleger von Einsiedeln befing wie Wein, der prickelnd und duftend über die Zunge fließt. Wer solch ein Latein schrieb, besaß Weihe, für die er keine äußeren Zeichen brauchte. Herr Diebold wußte: in Basel, selbst im nahen Zürich lasen sie die Alten in ihrer Sprache, Griechen und Lateiner, und mehr noch, sie lasen die Heilige Schrift im Urtext. Sie hatten Schlüssel und brauchten der Pförtner nicht. Allenthalben in den deutschen Ländern brachen hellsprudelnd die Quellen eines neuen Wissens aus. Und warum schrieb ihm Nikolaus de Donis, ihm, dem Prior und Pfleger von Einsiedeln, der vor der Zeit vermooste? Weshalb hatte der weitgereiste, hochgelehrte Mann ihm damals das Herz erschlossen? Er warb um ihn! Sie wollten, daß er in ihrem lichten Kreise lebe.

      Herr Diebold preßte die Stirn an den Ausguckrahmen. Er schämte sich, daß er dem fragenden Bauern etliche Lateinworte über den Kopf geworfen hatte wie einen Sack, damit er Unwissenheit nicht bemerke. Doch es war Scham, die eine Morgenröte des Herzens bedeutet.

      Auch Klaus ließ seinen und des Maultiers Kopf hängen. Der Propst war einverstanden, und damit konnte sich einer zur Not abfinden. Klaus Weßner glaubte aber nicht, daß alle Heiligen, die Theo- und sonstwie hießen, für den Theophrast einstehen würden. Man wußte, wie teuer eines einzigen der hohen Himmelsherren Fürbitte kam. Der gemeine Geistliche Zehent blieb noch das wenigste. Klaus zweifelte, daß sein Patkind diesen ganzen Kreis von Heiligen werde warmhalten können.

      Dennoch wurde der jüngste Hohenheim nach seines Vaters Willen getauft, und Bombast sagte beim Taufschmause, der Kleine heiße Theophrast nach einem gewaltigen Beherrscher des Pflanzenreichs, der ein Schüler des Erzphilosophen Aristoteles gewesen und von Salicetus, dem vortrefflichen Heilmeister und Lehrer zu Tübingen, hoch verehrt werde.

      Darüber wunderten sich die Ochsner, Schärer und Weßner neuerdings, denn sie hatten ihresgleichen und das liebe Weidevieh bisher für die gewaltigen Beherrscher dessen, was aus der Erde grünte, gehalten.

      Als Theophrast entwöhnt wurde, war der Ecker längst geprüft, der Zins bezahlt, und man sah die Schweine nicht mehr mit heuchlerischer Fürsorge um ihr Wohlbefinden an, sondern schätzte sie lebenden Leibes auf die Hinterlassenschaft ein.

      Theophrast zürnte seiner Mutter viele Tage. Er schlug ihr den Löffel mit dem sorgsam vorgekauten Brei aus der Hand und schrie über die Treulosigkeit. Andere mußten sich seiner erbarmen, denn er aß nichts von der Hand der Mutter. Kam sie, so sah er weg, kroch beiseite und ließ ihr Tränen in die Augen steigen. Nur wenn Müdigkeit und Schlaf das kaum erwachte Herz bezwangen, rief er sie und fand erst unter dem Gesang der Mutter Ruhe.

      Das Gefühl unbegrenzter Sicherheit hatte ihn durchwärmt, war er an der treuen Brust gelegen. Er wußte, daß nur die Mutter den ungekränkten Frieden geben könne, und seine Mutter versagte den Frieden. Zum erstenmal ahnte er die ruhelose Einsamkeit des Menschenherzens und fühlte den Trieb nach Freiheit zum erstenmal, denn die Freiheit ist das Glück der Friedlosen. Es rang nicht dunkler in ihm und nicht weniger zwingend, als in jedem Lebensvollen der Freiheitskampf ringt. Und wenn das Herz des kleinen Mannes auch nicht von klingenden Begriffen übertönt wurde, die sonst eines Menschen Selbstbefreiung begleiten, es wuchs gleichwohl auch in Theophrast zur befriedenden Tat.

      Seine Mutter kam eines Tags in den Gadem, als er gerade längs der Ofenbank weitertastete, da ließ er los und floh einige rasche Schritte, aufgerichtet und frei, von ihr fort.

      „Büebli“, jubelte die Mutter und sie breitete die Arme, „min Büebli kann loufen!“

      Theophrast war wieder auf die Hände gesunken, aber er jauchzte der Mutter zu, und seine Augen leuchteten. Breitbeinig hockte er auf, während die Mutter winkte und rief. Vorsichtig hob er sich, streckte die Arme nach ihr und lief ihr entgegen. Er ließ sich herzen und liebkosen und nahm von dieser Stunde an den Brei von der Mutter Hand.

      Theophrast war unversehens um eine halbe Elle erhöht und merkte, daß er dabei eine neue Welt gewonnen hatte. Sie sah wesentlich anders aus als die des Gängelbandes, obgleich sie ungefähr denselben Gesichtskreis bot. Jene zwängte in ungewollte Richtungen und brachte selten dem Dinge nahe, das gerade alles Verlangen hätte stillen können. Sie war ebenso hoch wie die Welt, in der man sich weitertastete, aber sie hatte keine Umwege mehr, keine allzudicken Kanten, die man kaum fassen konnte, keine heißen Kacheln, kein plötzliches Versagen aller greifbaren Hilfen. Sie war rascher, fast so rasch wie die Welt auf den Armen der Großen, nur frei, herrlich frei.

      Finster sehen die Dinge aus, wenn man sie ankriechen muß, und sie werden boshaft und heimtückisch. Theophrast hatte einmal den Besen erblickt, geliebt und war zu ihm gekrochen, da hatte der Besen mit einem harten, dürren Finger sein Gesicht gekratzt, daß er weinen mußte. Ein andres Mal hat die Schaufel blank in der Ecke gelehnt. Sie hat ihm zugeblinkt, ihn gerufen. Er ist hingekrochen, damals schon so groß, daß er sich aufrichten konnte. Die Schaufel hat leicht über ihrer Schneide geschaukelt, als er sie berührte, und ganz gemütlich getan. Wie er aber den Schaft erklammert hatte und fest und sicher neben Ihr stand, hat sie sich der Länge nach auf die Erde geworfen und ihn mitgerissen.

      Die Dinge der Kriechwelt sind tückisch, weil

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