Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

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Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

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und willig gewesen, weil er besonders sehnsüchtig dem Abendlied entgegenlauschte. Als die Mutter entschlüpfen wollte, begann er bitterlich zu weinen.

      „Slafen gähn, Mammeli … slafen gähn!“

      Es blieb ihr nicht geschenkt. Sie setzte sich auf die Bettkante, nahm seine kleine Hand und sang:

      „Ich will heint schlafen gähn,

      Zwölf Engli bi mir stahn,

      Zwen zur Houpten,

      Zwen zur Siten,

      Zwen zun Füeßen,

      Zwen die mich decken,

      Zwen die mich wecken,

      Zwen die mich wisen

      Zu den himmlischen Paradisen.“

      Theophrast blinzelte zufrieden. Die Mutter hoffte schon, da nahm das Lied sein Ende, und Theophrast schlug die Augen weit und sehnsüchtig auf.

      „Esunla, noch … slafen gähn.“

      Sie mußte wieder beginnen und so lange singen, bis alle zwölf Engel um Theophrast versammelt waren und seine Finger sich von dem Daumen der Mutterhand lösten.

      Dann legte die junge Frau ihre verschränkten Arme auf die Bettkante und nistete ihren Kopf darein, die kleine Weile der ersten tiefen Ruhe zu genießen. Ihre Schultern schmerzten ein wenig von der Last des Tages, und sie lachte leise, so wohl tat dieser erste Frieden.

      Theophrast forderte ihr ganzes Wesen für jenen Teil ihres Lebens, das in ihm neu ergrünte. Er war unersättlich und voll Vertrauen in die Unerschöpflichkeit der Mutter. Die junge Frau gab ihm zuweilen ihre letzte Kraft aus zitternden Händen.

      Wilhelm Bombast fand Weib und Söhnlein in tiefem Schlaf. Er wagte kaum aufzutreten, doch sah er, daß der Körper seines Weibes nur schwer die unsichere Haltung ertrug. Todmüde mußte sie sein und würde mit wehen Gliedern erwachen, wenn sie so halb verhangen am Bettrande weiterschliefe. Eine unsägliche Zärtlichkeit erfüllte ihn. Wie sollte er helfen, ohne sie zu wecken! Er überlegte lange. Sein Herz schlug ihm vor Liebe und Dankbarkeit, er hätte viel auf sich genommen, wenn er der Erschöpften damit den unverkürzten Schlafgenuß gewonnen hätte.

      Leise umfing er sie. Er hielt den Atem an. Schob leise ihren Kopf auf seine Schulter, richtete behutsam, als müsse er einen Verlöschenden betten, ihren zarten Körper auf und legte ihn sanft in die Kissen. Er blieb, am Rande des Bettes kniend, denn er wagte nicht mehr, seinen Arm unter der Schlafenden vorzuziehen, und drückte seinen Mund in das Kissen, um den gepreßten Atem zu zähmen. Er wollte sein Teil an dem großen Liebeswerk gewinnen, dem die Mutter ihre Jugend aufopfert, und wenn es auch nur der karge Teil war, der dem Vater von der Natur gewährt wird.

      Als sich aber Frau Eis zu strecken begann, und Bombast mit gutem Recht glauben konnte, sie sei einstweilen gesättigt, zog er, ehe sie vollends erwachte, den Arm hervor und trug die Heilmeistertasche beiseite.

      „Bist lang hie, Bombast?“

      „Nit lang, Elsula.“

      „Bin ohnversehends entschlafen.“

      „Die alt Krütlin möcht uns ihr jungist Maidli geben, so du willt eine Helferin han.“

      „In acht Wochen wird er zween Jahr, und das Gröbist ist bschechn, Bombast.“

      So wuchs der kleine Theophrast von Hohenheim in die Menschenwelt hinein genau in dem Maße, als die lebendigen Keime der Menschenwelt, die er in sich trug, aufzubrechen und zu treiben begannen. Später fand er einen Namen für dieses wunderliche Geschehen, das von Anbeginn fest in der Art eines Menschen beschlossen ist. Er nannte es auch Firmament, das mit dem Kinde wird geboren, das zwischen Geburt und Todesstunde abläuft, zwischen Creatz und Prädestinatz, wie er es nachmals hieß.

      Damals freilich hätte er diese Anschauung, selbst wenn ihm die vortrefflichen Namen eingefallen wären, vergeblich seiner guten Mutter gepredigt. Er handelte aber insgeheim danach, wie jedes rechtschaffene Kind. Seine Mutter mochte sich nicht auf all den inneren Reichtum ihres Theophrast verlassen, und auch sie tat gut daran. Sie wies ihn unbedenklich an die erprobten Erfahrungen und behandelte ihn durchaus wie einen leeren Schlauch, der seinen Wert erst hat, wenn er voll des guten Weines ist.

      Es war ein Kampf, darüber braucht kein Honig geschmiert zu werden. Beide, er und die Mutter, setzten alle Kraft daran. Aber der Kampf brannte über dem treuen Boden der Liebe. Und waren beide aneinander herzlich müde geworden, bettete sie der treue Boden, und sie konnten ihres Lebens froh bleiben.

      Wegmacher und Wege

      Klaus Weßner zog seine kurze, fette Stirn in Falten und ging, so steif er konnte, in die Schlafkammer. Uli Enz ab der Reuten, ein Klostervogt, saß im Gadem. Der Sauspieß lehnte zwischen seinen Beinen, und der rechte Arm lag auf dem Tische. Die Finger trommelten. Manchmal trommelten sie sich etwas weiter tischeinwärts, wo die Zinnkanne mit dem Seewein stand.

      Klaus Weßner kam aus der Schlafkammer zurück. Er hielt einen Schlüssel in der Faust, dessen Bart ein Kunstwerk war. Vom Ofensims holte er den Leuchter, bückte sich schnaubend nach einem Kienspan, setzte ihn an der Herdglut in Brand, entflammte den Unschlittstummel. Dann sah er noch einmal bedeutungsvoll hinüber.

      „Zweenhunnert und fufzig.“

      „Zweenhunnert und fufzig“, brummte Uli Enz und trommelte härter.

      Klaus zog die Brauen so hoch, daß die fetten Runzeln unter dem eingekämmten Haar verschwanden. Er schlug mit dem kunstreichen Schlüsselbart ein paarmal auf die Tischplatte. Seine Wangen zitterten vor Erregung wie eine wohlgeratene Sülze, an die man das Messer setzt: der Klostervogt tat nicht freundlich genug. Klaus funkelte ihn aus schleimigen Äuglein an.

      „Zweenhunnert fufzig … uf ein Hieb! Kost’t Üch ’s Moulufreißen … alleinig …“

      „Und du tuests nit der Gnadenmuotter ze Gfalln!“

      Klaus schwapperte vor Ehrgeiz, denn seine große Stunde kam nur alle sieben Jahre einmal, und er wollte sie ausgenießen.

      „Und tu ichs nit … so … so …“

      „Gangent wir uf Zürch."

      „Ze Zürch seind ihr eh gewest!“

      „Nit allenthalb … daß dich der Tüfel schänd, tuests oder nit! Mir ist der Ars nit an din Stuhl gewachsen!“

      Der Vogt paukte auf den Tisch, daß die Kanne tanzte.

      „Sollichs … das wollend wir für den Herrn Diebold bringen! Üppig reden! Wüst Umbpochen! Ich künnt an diner Statt sin, eh dann du us den Windlen bist gewest! Der Klus Weßner hats, und ihr brauchet ’s. Der Klus Weßner tuets, wil er ist geneigt, wohlgeneigt, wohl-ge-neiget!“

      Der Vogt stieß mit der Saufeder aufs Estrich und erstickte den prächtigsten Fluch. Unwillkürlich griff er nach dem Krüglein, seine Galle hinunter zu spülen. Klaus Weßner aber stand bereits bei der Tür, denn er fühlte, daß er für dieses Jahr nicht höher hinaus konnte. Es blieb immerhin erfreulich, daß der Vogt den besten Fluch verbissen hatte.

      Die Kellerluke kreischte laut,

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