Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

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Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

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oder er stieg unversehens in ein großes Faß, das auf dem Balken eines Bockes schaukelte und samt dem Eindringling zu Boden donnern mußte. Die Stiege führte in das Faß. Klaus nur wußte die Stelle, wo es gut war, auf die Leiter abzusteigen, die nebenbei lehnte.

      Dann ging Klaus am Wein vorüber, den er selber aushob und auffüllte. Er kam in der Tiefe an eine gut beschlagene Tür. Jeder hätte sie für eine Tür mit ehrlichen Angeln gehalten, Klaus kannte sie besser. Er stemmte sich dagegen, als er sie aufsperrte, stützte sie, denn die Tür glitt samt den Angeln aus der Mauer und sank vornüber in den Kellergang. Wer sie nicht hielt, den konnte sie erschlagen, oder er wurde von den Eisenhauern erfaßt, die von der Kopfleiste des Beschlages in den Keller fletschten. Klaus liebte seine Erfindung, denn sie gab ihm einen ruhigen Schlaf.

      Gleich hinter ihr stand die Eisenkiste mit dem Marmelschloß, das von der Mitte des Deckels aus seine sechzehn wohlgefederten und gut geschmierten Riegel in den Truhenwänden verankerte.

      Er hing das Licht an einen Nagel und umtastete den Koffer wie einer, der sein Liebchen herzt. Dann ließ er die Riegel schnappen, hob den Deckel, setzte sich lächelnd auf die Kante und beäugte die prallrunden Ledersäcke. Das tat er für sein Leben gern.

      Fromm und sanftmütig lagen sie da, wie ein Ferkelwurf an den Zitzen der Muttersau. Und jegliches Säcklein enthielt unbegrenzte Möglichkeiten, war eine unveräußerte Macht. Was da lag, vermochte halb Pfäffikon aufzukaufen. Doch dann wäre Streit mit den Bauern, Hoffart und Neid der Herren über Klaus gekommen. Auch eine Prälatenpfründe hätte es eingebracht, eine sehr dicke Würde also. Da knapperten aber und sogen zu viele mit. Es möchte alle erdenklichen Sünden, getane und zukünftige, für Zeit und Ewigkeit ausgetilgt haben, und des Herrgotts Fluch und Verdammnis wäre am jüngsten Tag verstummt, wenn die Seele des Klaus ihre feisten Ablaßzettel vorgehalten hätte. Doch keiner soll der göttlichen Gerechtigkeit vorgreifen. Und endlich könnte der Klaus sein Leben lang in Bett, Bad und an wohlbesetzten Tischen liegen und vollem. Nichts, gar nichts brauchte er zu besorgen, wenn er nur nach und nach einen Sack um den andern öffnete und … da stieg es dem Klaus angst und bang in der Kehle. Das Geld hat Beine, es konnte laufen, sollte laufen, aber wieder zurückfinden, angemästet vom Zins, wie Säulein aus dem Ecker zurückkommen. So verlohnte sich schon das bißchen Dünkel und Hochmut derer, die abgeweidet wurden. Der Klaus blieb der Schlauere.

      Wie gut roch es in Klausens Keller! Dumpfig, doch leicht durchduftet vom Wein; selbst der dünne Schimmelpilz, der auf den Ledersäcken wuchs, hatte einen wohligen Geschmack. Klaus schnupperte jeden Sack ab, bevor er ihn öffnete. Er schwelgte, da er die zweihundertfünfzig Rheinischen in den Zwilchbeutel des Klosters klimpern ließ; wohllüstig erglühten seine Wangen.

      Er kam trunken wieder und war demütig, freundlich, satt. Saß behaglich in der Ofenhölle und ließ den Uli Enz ab der Reuten die Gulden nachzählen.

      „Vollwichtig, vollwichtig“, brodelte er und winkte von dem warmen Sitze dem Vogte zu, der unter der Last des Silbers ging.

      Anders die Ochsnersche Gevatterschaft. Das waren Gotteshausleute. Die zahlten mit Schweiß, den man nicht auf die Zinsweide schicken kann. Der Rudi Ochsner und der Hans standen seit Wochen im Holz, und sie hatten die Knüppel zu beiden Seiten der Straße aufgeführt, die jenseits der Teufelsbruck durch das Hochmoor zieht. Wo der Boden weich geworden war, wurden die Knüppel in die Sumpflachen gestampft, verhangen und verkeilt. Der Rudi Ochsner konnte froh sein, daß ihm vergönnt war, die Engelweiharbeit im Frühjahr zu erledigen. Wenn das Rädlein über seinem Dache stand, mußte er die Hände frei haben. – Mit ihnen fronte Baltisar Schürli und sein Sohn Heini.

      Beide standen im Ruche der Sonderbarkeit. Baltisar war erst botmäßig geworden, als schon weiße Haare in seinem struppigen Kopffell glänzten. Man traute ihm zu, daß er ein Kaufmann in Schaffhausen gewesen sei, den die Gläubiger überholt hätten. Er trug langen Bart und lange Haare, seine Nase war rot geädert. Im übrigen verhielt er sich so still, daß die Leute seine Verschwiegenheit durch trüben Leumund auf das beruhigende Maß zu ergänzen suchten. Am Etzelhang bewohnte er eine Hütte und brannte Kohlen, jedoch nur so viel, als das Kloster von ihm begehrte. Sein Sohn entlief mit zwölf Jahren. Baltisar war auch darüber stumm geblieben. Man verdächtigte ihn, gegen sein eigenes Blut gefrevelt zu haben. Dabei kam man allerdings auf eine merkwürdige Eigenschaft des Markgenossen.

      Nicht lang nach dem Verschwinden des Knaben zog er auf einem Handwagen Kohle ins Kloster. Etliche Einsiedler Leute begegneten ihm bei der Kapelle des heiligen Gangolf, die hinter dem Galgenberge liegt. Sie riefen ihn an:

      „Baltisar, hast din Büebli verbrennt! Baltisar du muoßt hangin!“

      Er blieb stehen und antwortete:

      „Wohl, du Gerechter. Ich han min Büebli verbrennt, heimlichen in Flammen des Zornes, do er ist von mir gewichen. Wohl, du min Bruoder, ich sullt sterbin. Dann ein jedlichs Leben ist des Todes schuldig und mördert ein jeder vor sin Teil, den er am mehristen liebet, dann er willt ihn als trutzig behalten und hanget ihm an und saget niemalen nit: Gang von mir, du sullt ganz Gottes sin und gar.“

      Die Einsiedler Leute stutzten bei dem unverhofften Bekenntnis. Doch jener, der Baltisar des Mordes bezichtigt hatte, faßte sich schnell, da er sah, daß einer wider solche Reden nur in den Nebel schlagen könne. Er schrie den Köhler an, und während er schrie, stieg ihm das Blut zu Kopf, daß er glaubte, er müsse ehrlich erzürnt sein.

      „Du Laur, willtu frumbe Lüt narrin?“

      „Das sije fern, du Gerechter“, antwortete Baltisar und schloß die Augen.

      Da hieb ihm der Schreier ins Gesicht, um nicht in den Nebel zu schlagen, denn er meinte, daß er verhöhnt würde. Baltisar taumelte wohl gegen den Wagen, daß die Kohle raschelte, aber er richtete sich wieder auf und rief, obwohl er bebte und sein Auge tränte: „Mach vollend, lieber Bruoder.“

      Er reichte ihm die andre Wange und bekam, was er begehrte, denn die Einsiedler waren alle zornig geworden, daß der Mensch seine Mannheit von sich warf. Sie verbleuten ihn, er zog aus der Nase blutend ins Kloster.

      Ein Weib hatte es mit angesehen, durch sie wurde der Handel offenbar. Aber die Herren ließen Gras darüber wachsen, zumal Baltisar Schürli nicht geklagt hatte. Er war nur hinkend und blutrünstig ins Kloster gekommen. Wenn aber einer hinkt und blutet und still bleibt, will ihm kein Biedermann seine menschliche Schwäche angesehen haben.

      Zehn Jahre nach diesem Erlebnis sah man eines Tages den Baltisar Schürli vor dem Handwagen mit glänzender Kohle, aber er zog nur die halbe Last, weil ein junger Mensch hinten anschob. Auf den Stufen der Gangolfkapelle saßen zwei Pilger, die hörten ein Gespräch zwischen den beiden und brachten es unter die Leute.

      Der Baltisar hatte vor der Kapelle gehalten, und der junge Mann war zu ihm getreten in der Meinung, er solle nun den Zugriemen nehmen. Der Alte aber sagte bloß:

      „Hie hat mich vor zehen Jahrn einer des Galgens schuldig geheißen, indem du mir bist entwichen, min Sohn. Lobe den Herrn, dann sie habend mich wacker verbleuet, und ward ich manniger Sürid entledigt unter ihren Füsten, darumb daß ich mich dorin ergeben und nit widergeschlahn.“

      „Vater, du bist ein Bruoder des Lebens meh dann ich. Gott hat offenbar an dir und mir gehandlet.“

      Und sie rollten ihre Kohlen weiter.

      Die Einsiedler erfuhren also, daß Heini zurückgekehrt sei, sonst aber nicht viel mehr. Darum betrachteten sie den jungen Schürli nicht weniger aufmerksam, wo immer er sich zeigte. Man sah eine große Narbe über Stirn, Wange bis ins Kinn. Man sah, daß er dieselbe Nase im Gesicht führte wie sein Vater, nur nicht von blauen Äderchen gesprenkelt. An ihm konnte man aber noch einen außerordentlich langen

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