Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

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Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

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unterm Ofen nähert. Eine halbe Elle nur, und die Bänke zeigen ihre blankgescheuerte Seite, sie tragen alles willig, womit man sie belädt, und selbst der unerreichbar hohe Tisch läßt seine Platte erlangen und schiebt hie und da den Rand irgendeines Dinges über seine Kante hinaus. Theophrast kann ergreifen und herabziehen, worum die Großen zuweilen geheimnisvoll versammelt sitzen. Die dürren Finger des Besens liegen tief unten, der Besen läßt sich gutwillig durchs Zimmer zerren. Alle Dinge der Kriechwelt sind freundlich geworden. Das macht allein die halbe Elle, um die Theophrast über sie hinaus gewachsen ist.

      Auch brauchte er ein Ding nur anzusehen, zu wünschen, es kam stracks näher gelaufen mit allem, was es umstand. Daß seine Beine dabei die Mittler spielten, merkte er bald nicht mehr. Manchmal erinnerte wohl eine harte Ecke an die alte Rüpelhaftigkeit überwundener Zeiten, und es kam zu Tränen. Auch legten die niedersten Dinge heimliche Fußangeln und Fallgruben. Aber man kam rasch auf Sohlen und Hände, und man besaß zum Glück am Ende des Rückens ein Gegengewicht, das den schweren Kopf aufwog und sich zugleich als der wichtigste Angelpunkt erwies, an dem man aus der Kriechwelt in die neue Welt emportauchte.

      Doch bald verstand Theophrast sein Reich anders. Er hatte zunächst an freundlichere Launen der Dinge geglaubt und seine Erhebung wie ein Göttergeschenk genommen, dem manchmal mit alter Vorsicht auf Füßen und Händen begegnet werden mußte. Mit der Zeit merkte er, daß die Kriechwelt nicht nur freundlich, sondern botmäßig geworden war. Er hatte sie geschlagen. Er sah ein, daß keiner Herr seiner Krücken sei, er breche sie denn und werfe sie fort.

      Da stand beim Ofen ein Stapel von Scheitern und Rutenbürdlein schulterhoch geschlichtet. Der kam ins Rollen, wenn man sich daran aufrichtete. Der Stapel lag sonst ruhig, er wartete nur auf die Gelegenheit, ins Rollen zu kommen, denn er wußte, daß er nicht umgangen werden konnte, wenn einer von der Hühnersteige, wo man gehackt wurde, zur Tür hin tasten wollte. An diesem heimtückischen Holzstoße lernte Theophrast sein Herrentum zuerst.

      Er hatte ihn lange gemieden, aber eines Morgens ging er den Stapel keck an und legte seine Hände auf zwei Scheite. Und der Stapel wagte nichts. Er zitterte nur ganz feige, hielt aber. Theophrast rüttelte ein wenig, um dem Kerl zu zeigen, daß er ihn habe. Da gab der Stapel die beiden Scheite frei. Theophrast hielt sie, betrachtete sie, warf sie fest auf den Boden. Ist es kein übles Ding, einen Feind unter den Händen zittern zu fühlen, so wird es reinste Freude, ihn ganz zu vernichten. Theophrast tat, was ihm Freude machte. Bald war die tapfere Arbeit getan, und der Herr der Welt saß inmitten des kläglich zerworfenen Holzes nieder und zog einem Scheit das braune Leder ab, wie der Großvater die Wurst häutet. Mit einem vernichteten Feind kann man sich liebevoll beschäftigen.

      Die reine Freude währte nicht lange, denn die Großen haben keinen Sinn für das Reich, das eine halbe Elle über der Kriechwelt liegt und sein eigenes Heldentum besitzt. Es setzte Schläge. Theophrast begriff, daß man die Tücke eines überwundenen Standpunktes bestehen lassen solle, wenn sie nur zitterte. Aber aus den Augen ließ er den Feind nicht. Er sah, die Großen schonten den Stapel auch nicht. Sie nahmen von ihm und warfen es in den Mund des Ofens, wo viele leuchtende Zungen schlugen, oder sie schoben die Scheite vorsichtig über die Herdglut. Dann prasselte es, flackerte auf, hauchte Wolken in den fürchterlichen schwarzen Trichter hinein, der neben dem warmen Turm des Ofens von der Decke hing. Ofen und Herd waren Geheimnis. Die Mutter stand oft davor, sie tauchte einen langen Löffel in den Kessel, der weiße Nebel ausstieß. Und der größte und stärkste von ihnen kletterte manchmal auf den warmen Turm, legte das Ohr an den schwarzen Trichter und sang bald ein rasselndes, fauchendes Lied herab, das ganz anders klang als das Lied der Mutter und Theophrast in den Schoß der Mutter trieb, obwohl die anderen dazu nur lachten. Aber die Großen haben leicht lachen, sie sind so stark, daß sie einen Eimer aufheben und forttragen können.

      Der Ofen gehörte ihnen mit allen seinen Wundern. Das Feuer biß zu und tat sehr weh, wenn Theophrast zu nahe kam. Die anderen griffen ruhig hinein, sie wurden nicht gebissen. Kaum hatte der Herr der Welt, die eine halbe Elle über dem Kriechen liegt, sein Reich betreten, erkannte er, daß noch ein anderes darüber lag und unermeßlich blieb, selbst wenn ihn der Vater oder der starke Hans auf ihre Schultern setzten. Wohl lag dann alles tief unter ihm, und er sah die rätselvollen Dinge auf Bord und Tisch winken und blinken, seit er aber selber laufen, ergreifen, forttragen, zusammenschleppen konnte, wußte er, daß man sehenden Auges allein noch kein Herrentum gewinnt. Man mußte erfassen und eigenmächtig fügen können, was man sah. Das konnten die Großen in ihrem Reich, worauf er von ihren Schultern neugierig herunterblickte. – Und so war seine Sehnsucht flügge geworden; sie umflatterte das Wunderbare, das über der Welt liegt, darin man laufen lernt.

      Theophrast hatte schon manchem blanken Zähnlein mit der zähen Haferbrotrinde durchgeholfen, als die Tage kamen, die den Ofen auskühlen und auch in der Kaminwand neben dem großen Himmelbette der Eltern keine Wärme mehr nisten lassen. Er durfte endlich auf den Laubengang, der breit vor der Brust des Ochsnerhauses hing, von dem vorspringenden Dache geschützt und selber das Erdgeschoß beschattend.

      Im dichten Brettergefüge des Geländers entdeckte der unermüdliche Sucher bald ein Astloch, durch das er hinunter auf die Straße, ein anderes, durch das er über den Wiesenhang aufwärts zu den Waldhöhen und dem Etzel blicken konnte. Eine Ritze zwischen den Brettern ließ ihn auf Teufelsbrücke und Sihl lugen.

      Er kauerte meist vor dem Astloch, das hinunter zur Straße wies, und sah in das Reich der Großen. Sie saßen im Sattel und trieben ihr Rößlein mit den Beinen an, hatten bunte Hüte auf dem Kopf und farbige Mäntel um. Meist aber schritten sie, in dunkles Zeug gehüllt, einzeln und in Scharen. Je höher das Jahr wuchs, desto weniger lang brauchte er zu warten, bis etliche den steilen Paß weg hernieder kamen. Er wußte, daß es die Großen waren, weil sie mit tiefen Stimmen sangen:

      Meerstern, ich dich grüße,

      O Maria hilf!

      Muttergottes, süße,

      O Maria hilf!

      Er hörte Stimmen aus der Pilgerweise, die seiner Mutter Stimme ähnlich klangen, dann sang er vertrauensvoll mit, was er verstehen konnte.

      Auch deshalb wußte er, daß es die Großen seien, weil sie die Arme kaum bewegten und die Köpfe so ruhig hielten.

      Das würde er alles ohne Verwunderung hingenommen haben, wenn er nicht entdeckt hätte, daß die Großen durch das Astloch klein und niedlich aussahen, aber lang und übermächtig ankamen, wenn er sie im Hause oder auf der Straße traf. Während er durch das Astloch spähte, trieb ein heißes Verlangen zu den vertraulich gewordenen Großen, kletterte er die Treppe hinunter und sah die mächtigen Glieder, die drohenden Augen, die struppigen Bärte, dann suchte er hinter den Rockfalten der Mutter Schutz. Mancher Mann und öfter noch eine Frau langten nach ihm und wollten ihn aufnehmen, sie lockten ihn mit fremden Namen, die zärtlich klangen. Er schrie um Hilfe und schlug alles aus, was sie freundlich boten.

      Einmal erkannte er von seinem Posten im Laubengange die Mutter.

      Er rief sie an:

      „Mammeli … Esunla … dlein, so dlein!“

      Die Mutter sah lachend hinauf und winkte.

      „Frästeli, min Büebli!“

      Theophrast beschloß, die Mutter bei aller Zierlichkeit zu ertappen. Kopfunter rollte er ihr über die Treppe in die Arme. Allein trotz aller Geschicklichkeit hatte er sein Ziel nicht ereilen können, die Mutter war wieder groß geworden.

      Sie schalt ihn, tastete ihn ab. Er aber strebte zu Boden, streckte sich so hoch er konnte und sah vorwurfsvoll zu ihr hinauf, die ihn genarrt hatte. Die Mutter kauerte nieder und hielt nicht ein, vor der Treppe zu warnen. Theophrast schüttelte nur traurig den Kopf und sagte enttäuscht:

      „Esunla

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