Indische Reisen. Ludwig Witzani

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Indische Reisen - Ludwig Witzani

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nach dem Vollmond des Monats Phalguna einige Tage lang mit möglichst knalligen Farben. Früher handelte es sich dabei um Pflanzenextrakte, heute wird vorwiegend synthetisch hergestelltes Farbpulver verwendet. Kennzeichnend für das indische Holifest ist der strikt kastenübergreifende und sogar religionsübergreifende Charakter des öffentlichen Treibens, das man sich als einen gesamtindischen Schabernack vorstellen muss, der vollkommen Fremde, aber auch Freunde und Bekannte mit einbezieht. Obwohl die oft überfallartigen Akte des Einfärbens etwas durchaus Offensives besitzen, läuft das Holifest meist friedlich ab – Touristen werden fast immer in Ruhe gelassen, und wenn sie partout darauf bestehen, an den heiteren Ausschreitungen teilzunehmen, nur sehr zurückhaltend eingepudert. Die religiöse Anbindung des Holifestes ist in den verschiedenen Teilen Indiens uneinheitlich - allgemein anerkannt allerdings ist eine Verbindung des Holifestes zu den Legenden über den jungen Krishna, der als einer der ersten auf den Wiesen des Braja Mandal im Umkreis von Mathura und Vrindaban seine Gefährten mit dergleichen Neckerei unterhalten haben soll. Deswegen waren die Unterkünfte in Mathura für dieses Wochenende schon seit langem ausgebucht.

       In dieser Situation blieb nur noch ein letzter Ausweg, den man unter normalen Umständen tunlichst vermeiden sollte. Ich ging zu einem pfiffig dreinblickenden Rikschafahrer und fragte ihn: „Do you know a hotel?”, inständig hoffend, dass er neben der Intelligenz, die ihm aus den Augen blickte, auch ein Minimum an Mitgefühl für einen einsamen Reisenden würde aufbringen können und sein Angebot nicht gar so schrecklich wäre.

      „Sure“, antwortete er in gebrochenem Englisch mit einem tückischen Blitzen in den Augen, das mir nicht entging. „Hotels in Mathura full, but I have a chance for you.”

      Erwartungsgemäß führte die Rikschafahrt aus dem Zentrum Mathuras wieder heraus, weit weg von der Yamuna, deren Ghats ich doch eigentlich hatte besuchen wollen, in eine dicht bebaute Vorstadtgegend, in der sich die Häuser, die ich sah, in zwei Kategorien einteilen ließen – in die Häuser, welche noch nicht fertig waren und die, welche bereits dabei waren, zu verfallen. Vor einem Gebäude der zweiten Kategorie, einem großen Haus mit Hof, stoppte mein Guide, klopfte an einer massiven Holztüre und erklärte sein Anliegen einem Mann in mittleren Jahren, der mit einem langen weißen Gewand im Türrahmen erschienen war. Ich saß derweil in der Rikscha und musste mit ansehen, dass auf mich wie auf eine Jagdtrophäe immer aufs Neue gezeigt wurde. Offenbar verhandelten der Rikschafahrer und der Hausbesitzer über die Provision, und mutmaßten, wie viel man von mir würde abzapfen können. Als sie einig geworden waren, winkte mich der Hauseigentümer mürrisch herbei und öffnete ein Eisengatter zu einem Hof, in dem sich vier Räume befanden, die je ein Fenster zum Hof und ein Bett aufwiesen und von denen mir eines als Unterkunft angedient wurde. Das Bett bestand nichts weiter als aus einem Rost und einer dünnen Matratze neben der ein Bettlaken lag, das nur im Buchungsfall zum Einsatz kommen würde. Kissen, Handtücher oder Toilettenpapier waren natürlich nicht vorhanden. Der Boden war dreckig, die Wände bekritzelt, es befand sich noch nicht einmal ein Stuhl im Raum, von einem Tisch ganz zu schweigen. Eine einsame Birne hing an einem kümmerlichen Draht von der Decke, das Bad besaß keine Türe und bestand nur aus einem Loch im Boden und einem Loch in der Wand, aus dem bei Bedarf ein mickriges Wasserrinnsal träufelte. Immerhin besaß der Raum eine massive Holztüre mit einem gewaltigen Schloss - kräftig genug, all jene Schätze zu hüten, die in diesem Zimmer wohl niemals gelagert werden würden.

      Auf der nach unten offenen Skala meiner katastrophalsten Unterkünfte besaß dieses Angebot sogar innerhalb eines asienweiten Rankings Seltenheitswert - aber das Zimmer schien ruhig zu sein, und am nächsten Morgen würde ich ohnehin so früh wie möglich verschwinden. Der Preis, der mir genannt wurde, war unverschämt, wurde aber, als ich mich zum Gehen wandte, halbiert. Nach der Entrichtung der Vorkasse erhielt ich den Schlüssel zu dem besagten monumentalen Schloss, mit dem ich meinen Raum und mein Gepäck sorgfältig zusperrte.

      Mein jugendlicher Rikschafahrer, der mit der ihm angeborenen Dauerpfiffigkeit alle Stadien der Besichtigung und Buchung genau verfolgt hatte, fuhr mich zum Basarviertel zurück - nicht ohne vorher noch eine Ehrenrunde um den Busbahnhof zu drehen, als wolle er mich seinen Kumpels als einen Blöden vorführen, den er erfolgreich ausgenommen hatte.

      In der Innenstadt war der Andrang der Demonstranten inzwischen etwas abgeklungen, und ich beschloss, den Sri Krishna-Janmabhoouni-Tempel zu besuchen. Das weiträumige und verschachtelte Gebäude war in seiner heutigen Gestalt ein Neubau, denn im Laufe der Jahrhunderte war der heilige Ort wie so viele Plätze in Indien immer wieder von den Moslems geschändet worden – natürlich auch vom Großmogul Aurangazeb, von dem es mir mittlerweile so vorkam, als hätte er den größten Teils seines langen Herrscherlebens damit verbracht, Hindutempel zu zerstören. Ihre eigene Moschee aber hatten die Moslems in Mathura gottlob nicht auf den Ruinen des Janmabhoouni-Tempels sondern daneben erbaut, sonst wäre womöglich in Mathura eine ähnlich brisante Situation entstanden wie in Ayodhya. Trotzdem war das Polizeiaufgebot beachtlich, ich musste alle meinen Taschen ausleeren, den Reisepass vorlegen und meine Fototasche an einer Gepäckaufbewahrung abgeben, ehe ich den Tempelinnenhof betreten durfte.

      Innerhalb des Tempelbezirks fand sich hinter verschachtelten Zugängen, hinter Nischen und Treppen der Eingang zur vermeintlichen Kerkerzelle, in der Lord Krishna vor über fünftausend Jahren geboren worden sein soll. Das Gedränge war unbeschreiblich, immer neue Familien drängten sich mit robuster Ellbogenarbeit an mir vorüber, sodass ich nur einen kurzen Blick auf einen geschmückten Raum werfen konnte, dessen Leere wie ein Gefäß erschien, in das sich jedwede religiöse Fantasie ergießen konnte. Buddhisten hatten es gut, denn der Erleuchtete war auf den Wiesen von Lumbini an der frischen Luft geboren worden, da gab es keinerlei Gedränge.

      Dass Krishna ausgerechnet in einer Kerkerzelle geboren worden sein soll, erklärt die Überlieferung durch die Angst des Tyrannen Kamsa, dem geweissagt worden war, dass das achte Kind seiner Schwester Devaki ihn dereinst töten würde, sodass er die bedauernswerte Devaki samt ihrem Gatten in den Kerker warf und alle Kinder, die sie gebar, kurzerhand töten ließ. Im Falle des kleinen Krishna aber soll dies misslungen sein, da anstelle des Babygottes den Häschern ein ordinäres Sklavenkind untergeschoben wurde, was sich aus heutiger Sicht allerdings etwas merkwürdig anhörte. Jedenfalls wurde der junge Krishna aus Mathura herausgeschmuggelt und in das benachbarte Vrindaban gebracht, wo er als vermeintlicher Hirte eine unbeschwerte Kindheit verlebt haben soll. Die Mordanschläge seines Onkels, der schließlich doch dahinter gekommen war, dass Krishna lebte, überstand der Götterknabe mit immer größerer Bravour, ehe er schließlich nach Mathura zurückkehrte, König Kamsa tötete und die Stadt befreite.

      Nachdem ich den Tempel verlassen hatte, lief ich quer durch die Altstadt, vorbei an Garküchen und Märkten, passierte lange Menschenschlangen, in denen die Leute nach dem Segen von Gurus anstanden, deren Namen ich noch nie gehört hatte. Ich besuchte Zelte, in denen vegetarische Gerichte an Bedürftige ausgegeben wurden, verlief mich zweimal und musste schließlich eine Fahrradrikscha mieten, die mich endlich an das Vishram Ghat an der Yamuna brachte.

      Dafür, dass das Vishram-Ghat ein indienweit bekannter Pilgerplatz war, sahen die Treppen reichlich heruntergekommen aus. Die Affen zankten sich um herumliegende Essensreste, Unrat lag in den Ecken, und die kleinen Hunde erledigten ihr Geschäft ungeniert auf den Treppen. Winzige Plätze mit nischenartigen Ausblicken auf den Fluss, schräge Wände, verrostete Glocken, Tempelfragmente und Torbögen erhoben sich über den lang gezogenen Treppenstufen, die in die Yamuna führten. Gelbe Wände, rosa Kapitele, rote Stufen und Mauerschäden, die wie weiße Tupfer wirkten, verliehen dem Ort eine Anmutung bizarrer Fremdartigkeit, bei der man sich nicht gewundert hätte, wenn im nächsten Augenblick ein doppelköpfiges Monster aus dem Wasser empor gestiegen wäre. Doch doppelköpfige Monster tauchten an diesem Tag aus dem Wasser nicht auf, stattdessen marschierten ganz normale indische Männer und Frauen entweder mit einem Handtuch um die Hüften oder voll bekleidet in den Fluss hinein, tauchten ihre Köpfe in das Wasser und machten glückliche Gesichter.

      Unter den Pilgern, die

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