Ziegelgold. Tom Brook

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Ziegelgold - Tom Brook

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den Schuppen. Seine Augen gewöhnten sich nur mühsam an die Dunkelheit. Die Rohlinge waren auf einfachen, fast endlosen Holzregalen aufgeschichtet. Langsam tastete er sich an den Regalen entlang. Die Luft roch erdig und war feucht-kalt. Da er sich gerade nicht auf seine Augen verlassen konnte, musste er notgedrungen auf sein Gehör vertrauen. Es war noch jemand in dem Schuppen, war er sich sicher. Und dieser Jemand müsste eigentlich Geräusche verursachen. Praktisch kam eigentlich nur der Direktor in Frage. Ihm war zwar völlig unklar, was der Holländer um diese Zeit in dieser unwirtlichen Umgebung zu suchen hatte, aber das würde sich schon ergeben. Meter für Meter tastete er sich voran. Mit der linken Hand orientierte er sich an der endlosen Regalreihe. Die Schmerzen, die die Holzsplitter des grob verarbeiteten Holzes seiner Hand zufügten, nahm er kaum wahr. Endlich sah er einen schwachen Lichtschein am Ende des Schuppens, der von einer Karbidlampe stammte. Schemenhaft erkannte er einen gut gekleideten Mann mit Hut, der einige Rohlinge kontrollierte und dann wieder zurückstellte. Es war der Besitzer der Ziegelei.

      Langsam kam er aus seiner Deckung und stand genau hinter dem kräftigen Holländer. „Guten Abend, Herr Direktor. So spät noch bei der Arbeit?“ sprach er ihn mit sicherer Stimme an. Der Ziegeleibesitzer fuhr erschrocken herum. Er hatte ihn nicht kommen hören. Der Schein der Karbidlampe betonte die Zornesfalten in seinem Gesicht. Abfällig betrachtete er sein Gegenüber von oben bis unten. „Handloser, so eine Überraschung“, sagte er kühl und warf einen abwertenden Blick auf die Uniform. Trotz der überraschenden Begegnung wirkte er völlig selbstsicher. „Bei diesem Verein sind Sie also“, zischte er verächtlich. „Dass Sie überzeugter Nazi sind, habe ich mir schon gedacht. Aber was soll jetzt diese alberne Kostümierung?“, fragte er zynisch lächelnd.

      Er versuchte trotz der Provokation ruhig zu bleiben. „Hören Sie mit den Spielchen auf, Deependaal“, sagte er und versuchte seiner Stimme einen festen Ausdruck zu geben. „Sie befinden sich jetzt nicht in der Situation, unverschämte Sprüche zu klopfen. Machen wir es kurz. Sie verraten mir jetzt auf der Stelle, wo Sie Ihr Vermögen versteckt haben. Dann sehen Sie mich nie wieder. Sie können dann problemlos mit Ihrer Familie das Land verlassen. Dafür werde ich persönlich sorgen.“ Er machte eine kurze Pause. „Deependaal, Sie haben keine Alternative.“

      Deependaal blieb völlig ruhig. „Wie reden Sie eigentlich mit mir? Ich werde Ihnen gar nichts verraten, Sie kleine Ratte.“ Er lachte überlegen. „Was wollen Sie denn machen, wenn ich nichts sage? Wollen Sie mich hier an Ort und Stelle foltern? Oder gleich erschießen? - Eine sehr gute Idee übrigens, dann kann ich auch nichts mehr verraten.“ Deependaals dröhnendes Lachen hallte durch den Schuppen.

      Ihm trat der Schweiß auf die Stirn. Deependaal fuhr ungerührt fort: „Handloser, Sie sind ein Versager. Ist Ihnen in Ihrem erbärmlichen Leben jemals etwas gelungen? Haben Sie eine schöne Frau? Haben Sie Kinder? Nein? Das dachte ich mir. Sie sind ein kleiner Versager, der hofft, dass die Nazis ihn groß rausbringen. Habe ich nicht recht?“ Wieder ertönte das tiefe Lachen des massigen Holländers.

      Blind vor Wut zog er seine Waffe. Die Beleidigungen des Ziegeleibesitzers verfehlten ihre Wirkung nicht. Und zwar aus dem ganz einfachen Grund, dass dieser Recht hatte. Die Nazis gaben ihm die einmalige Chance, gesellschaftlichen Erfolg zu haben. Und diese Chance wollte er sich nicht nehmen lassen – von niemandem.

      „Deependaal, zum letzten Mal!“, brüllte er schon fast verzweifelt. „Wo ist das Geld?“ Er wischte sich mit dem linken Uniformärmel die Schweißperlen von der Stirn und zielte mit seiner Waffe auf seinen Arbeitgeber. „Wenn ich schon keine Chance auf dieser Welt bekomme, sollen Sie auch keine mehr haben.“ Seine Augen funkelten. „Also: Wo ist das Geld?“ Handlosers Stimme überschlug sich fast. Der Holländer sah ihn mit einer Mischung aus Verachtung und Mitleid an. „Mensch Handloser, Sie Waschlappen. Auch das werden Sie nicht hinbekommen.“ Dann zerriss ein Schuss die Stille der Nacht.

      1

      Freitag 18:12 Uhr

      Surrend raste der dreckige Betonboden unter Alex vorbei. Er hörte es gerne, das Geräusch, das die groben Stollenreifen seines Mountainbikes auf dem rauen Boden des wenig genutzten Landwirtschaftsweges verursachten. Das Rad war seit einem halben Jahr sein ganzer Stolz. Seine Mutter wollte, dass er ein verkehrssicheres Citybike zum Geburtstag bekam, aber zum Glück hatte sich sein Vater durchgesetzt. Citybike - wie sich das schon anhörte. Damit wäre der peinliche Auftritt vor seinen Sportkameraden vorprogrammiert gewesen.

      „He, nun fahr' mal etwas langsamer“, tönte es von hinten. Tims Rufe brachten Alex' Gedanken wieder in die Gegenwart. Sein bester Freund hatte Probleme, mit Alex' zügigem Tempo mitzuhalten. Er war mit seinem altertümlichen Herrenrad unterwegs, das nur über eine technisch veraltete Dreigangschaltung verfügte. So ein Gefährt war für einen Vierzehnjährigen die Höchststrafe. Tim hatte den Drahtesel von seinem Onkel Theo geschenkt bekommen, der felsenfest behauptete, die Marke sei 'Kult' und Tims Freunde wären sicher ganz neidisch auf das schnittige Gefährt. Kult – vielleicht 1983 – dachte Tim damals enttäuscht, aber leider war ein neues Rad bei seinen Eltern finanziell nicht drin.

      Alex verlangsamte das Tempo, so dass sein Freund schnaufend aufschließen konnte. Mit etwas verringertem Tempo fuhren sie wie jeden Freitag vom gemeinsamen Wasserballtraining direkt am Deich nach Hause. Da sie den Weg zweimal in der Woche fuhren, achteten die Freunde kaum auf die schmale, kaum befahrene Strecke, obwohl es bereits dämmerte. „Die Bremer müssten wir eigentlich klar schlagen“, meinte Tim, als er wieder zu Atem gekommen war. „Das will ich meinen“, entgegnete Alex. Am Sonntag stand das letzte Spiel vor den Herbstferien gegen die Bremer C-Jugend-Wasserballer auf dem Programm und bei einem Sieg könnte ihre Mannschaft Tabellenführer werden. „Ansonsten verdonnert uns Falke zum dreistündigen Straftraining“, grinste Tim. Paul Falkenstein war der Wasserballtrainer von Alex und Tim und wurde von den Jungs nur Falke genannt. Alex wollte sich gerade nach hinten drehen, um Tim zu antworten, da nahm er im Augenwinkel einen großen dunkelgrünen Schatten wahr.

      Mitten ins Gespräch vertieft, hatte er den völlig verdreckten Geländewagen, der auf der Höhe der alten Ziegelei zur Hälfte auf dem Weg stand, nicht bemerkt. Reflexartig verlagerte er sein Gewicht nach links, bremste und riss den Lenker seines Mountainbikes herum. Die hydraulischen Scheibenbremsen griffen sofort. Das Hinterrad blockierte nur kurz, dann war er am Hindernis vorbei. Tim dagegen hatte keine Chance. Als er Alex' Ausweichmanöver wahrnahm, hatte er keine Zeit mehr zu reagieren. Die großen Räder seines Oldtimers verliehen dem Gefährt die Wendigkeit eines Öltankers. Der Bremsweg war wahrscheinlich ähnlich lang. Fast ungebremst rammte er das dunkle Fahrzeug und bevor er auch nur nachdenken konnte, flog er auch schon über den Lenker. Nach einer kurzen Flugphase landete er scheppernd inmitten allerhand Gerümpels auf der Ladefläche des Pick-ups. Dann herrschte völlige Stille.

      Als Tim vorsichtig die Augen öffnete, sah er nur den wolkenlosen Abendhimmel, bis sich das grinsende Gesicht von Alex davorschob. „Steigst du immer so ab?“, fragte er, nachdem er sich versichert hatte, dass Tim offensichtlich keine schweren Verletzungen hatte. Sein bester Freund lag etwas benommen zwischen mehreren Schaufeln, Werkzeugen, alten Eimern, diversen farbigen Seilen und seltsam aussehenden elektrischen Geräten direkt auf einer aufgeplatzten Mülltüte. „Oh Mann“, stöhnte sein Freund, während er sich von einer Bananenschale, mehreren bunten Joghurtbechern und einer Chips-Tüte befreite. „Welcher Volltrottel stellt denn seine Karre im Dunkeln hier mitten auf dem Weg ab? Ich hätte mir alle Knochen brechen können“.

      Mühsam rappelte er sich hoch und sah an sich herunter. Bis auf die verdreckte Kleidung und einen Riss am Ärmel seiner Trainingsjacke war ihm nichts passiert. „Den kauf' ich mir“, knurrte er. Beim Herunterklettern von der Ladefläche fiel sein Blick auf sein Fahrrad, beziehungsweise was davon übrig geblieben war. Das Vorderrad hatte die Form einer Acht und war nun anscheinend untrennbar mit der Anhängerkupplung des Geländewagens verbunden. Die Speichen standen wie bei einer geplatzten Spaghetti-Packung zu allen Seiten ab. Der Lenker war in der Mitte geknickt und die Vorderlampe lag in mehreren Teilen

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