Die Stunde, eh' du schlafen gehst. Ханс Фаллада

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Die Stunde, eh' du schlafen gehst - Ханс Фаллада

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gemein zu ihr«, gab der Schauspieler reuig zu. »Ich bin eben völlig hinüber mit meinen Nerven, die ewige Schlaflosigkeit …«

      »Du wolltest mir von der jungen Dame erzählen, ausnahmsweise mal nichts von dir!«

      »Richtig, sie sang vor, und sie sang nicht einmal schlecht. Aber da war so ein Etwas, als wenn sie nicht nur vorsingen wollte, sondern, als wenn sie …, ich meine, es schien speziell mir zu gelten …, du verstehst doch, Doktor?«

      »Ich verstehe schon! Und weil das arme Huhn das Unglück gehabt hat, sich in dich zu verlieben, warst du grob mit ihr?«

      »Ja, ich fürchte, ich war ziemlich gemein. Sie ist noch blutjung und noch dazu aus der Provinz. Jedenfalls ist sie unseren etwas rauhen Ton nicht gewöhnt gewesen. Kurz und gut, eben erfahre ich, das Mädchen ist auf dem Wege von mir in einen Autobus gedammelt – ich hoffe, aus reiner Versunkenheit, nicht aus Absicht …«

      »Peinlich!« sagte der Arzt und schob die Unterlippe nachdenklich vor. »Äußerst peinlich! – Ist sie schlimm verletzt?«

      »Wie der Arzt mir eben sagte, so gut wie gar nicht. Der Wagen hat sie anscheinend nur zur Seite gestoßen. Ein paar Hautabschürfungen, ein etwas heftiger Fall …«

      »Da hast du aber Glück gehabt, Gerd! Du bist manchmal nämlich reichlich rauh, wenn es um die Sicherung deiner heiligen Arbeit geht. Du solltest dann und wann auch an die Gefühle deiner Mitmenschen denken!«

      »Ich weiß, Doktor, ich bin ein großer Egoist, ich bin gar nicht besser als die Marielen. Ich bin aber nicht so gewesen, ich bin erst so geworden. Aber sag selbst, muß man nicht so werden?! Wenn ich nur auf den zehnten Teil von all den Anliegen einginge, ich hätte nicht eine Minute frei für die Arbeit! – Die Leute scheinen zu denken, so ein Schauspieler geht einfach auf die Bühne und spielt los …«

      »Du wolltest mir von dem jungen Mädchen erzählen«, unterbrach ihn der Arzt wieder. »Ich nehme wenigstens an, dein Bericht war noch nicht zu Ende?«

      »Nein, natürlich nicht! Das junge Mädchen ist also körperlich nicht zu Schaden gekommen, aber sie hat eine Art Schock erlitten. Denke dir, Doktor, sie spricht kein Wort!«

      »Das wird sich geben!« sagte beruhigend der Arzt. »So was kommt häufig nach einem starken Schrecken vor. Es gibt sich fast immer wieder, mal schneller, mal langsamer. – Aber ich wundere mich«, setzte er nachdenklich hinzu, »daß die im Krankenhaus ausgerechnet dich angerufen haben – wenn sie nicht sprechen kann?«

      »Das ist es ja gerade!« rief Babendererde verzweifelt. »In ihrer Handtasche hat man nichts gefunden als einen Zettel mit meiner Adresse! Nicht den geringsten Hinweis auf ihre Angehörigen!«

      »Aber sie wird dir geschrieben, sich angemeldet haben? Du wirst ihren Namen wissen?«

      »Nichts, gar nichts! Sie kam völlig wie das Mädchen aus der Fremde. Ich weiß nur, daß sie ihrer Mutter ausgekniffen ist, daß sie Ilsebill genannt wird, weil alles nach ihrem Kopf gehen soll, und daß sie wahrscheinlich aus Lübeck ist.«

      »Und ihren Namen hat sie dir nicht genannt?«

      »Doch, ja, aber ich Schafskopf habe ihn völlig vergessen! Ich weiß nur, es fiel mir etwas an dem Namen auf. Ich glaube, weil er etwas Seemännisches hatte wie Reling oder Vortopp oder Gangspill – ich habe keine Ahnung mehr.«

      »Nun«, meinte Doktor Altpeter, »mit deinen Hinweisen wird die Mutter sich durch die Polizei in Lübeck unschwer ermitteln lassen.« Und er wiederholte: »Mädchen aus gutem Hause, blutjung. Der Mutter ausgerissen. Hang zur Bühne. Hört auf den Namen Ilsebill …«

      »Hör auf, Doktor! Als wenn du einen weggelaufenen Foxköter beschriebest! Und auch du redest gleich von der Polizei! Genau wie die im Krankenhaus. Es muß dir doch klar sein, daß wir das junge Mädchen nicht kompromittieren dürfen!«

      »Wir! Mit wir meinst du dich und mich?«

      »Natürlich! Ich habe dem Arzt auch gleich gesagt, er darf sich in Lübeck höchstens erkundigen, ob dort jemand vermißt gemeldet ist. Keinesfalls mehr. Gibt’s dort keine Vermißtmeldung, so heißt das, die Angehörigen wünschen über die Ausreißerei Schweigen …«

      »Und was dann?«

      »Jedenfalls will ich erst einmal nach ihr sehen, heute abend noch, gleich nach der Vorstellung. Der Arzt erwartet uns.«

      »Uns! Entschuldige Gerd, aber ich bin nachher mit einem Haufen Leute verabredet.«

      »Ach, Unsinn mit deinem Haufen Leute! Denkst du, ein einziger wird dich vermissen? Du wirst an einem Krankenbett erwartet, ich habe Vertrauen zu dir, du mußt mir deine ärztliche Meinung sagen. Außerdem fahre ich dich hinterher zu deinem Haufen Leute hin!«

      »Du bist die Liebenswürdigkeit selbst, Gerd! – Übrigens lädst du dir mit dem jungen Mädchen unter Umständen was Hübsches auf. Woher, frage ich mich, dieses bei dir so ungewohnte Interesse …?«

      »Du hältst mich wohl für einen Egoisten?« fragte Babendererde fast empört. Er hatte schon wieder vergessen, was er eben erst von sich gesagt hatte. »Mein Lieber, da beurteilst du mich ganz falsch! Ich fühle mich einfach für das junge Ding verantwortlich. Wenn sie gedankenlos in das Auto gelaufen ist – schließlich: ich bin daran schuld! Sie hat an mich geglaubt wie an den lieben Herrgott, ich war gemein zu ihr – da paßte sie eben nicht auf! Du verstehst, wie ich es meine?«

      »Ich verstehe, daß du entweder alt wirst oder dich verliebt hast, Babendererde! Ich weigere mich, bei dir an Gewissensbisse zu glauben. Für solchen Luxus hast du noch nie Zeit gehabt. Also verliebt – denn an Alter zu glauben würde mir deine ewige Feindschaft eintragen, und die riskiere ich nicht!«

      »Kannst du denn nichts ernst nehmen, Doktor?! Ich glaube, du siehst uns Schauspieler alle wie Kinder an!«

      »Gerade weil ich das tue, nehme ich dich verteufelt ernst! Ich bin nie ernster gewesen als in diesem Augenblick! Du Kind hast keine Ahnung, in was du dich da einläßt …«

      »Doktor!« bat der Schauspieler flehentlich. »Rede nicht so geschwollen! Ich bin ein ganz einfacher Mensch, und wie der einfachste Mensch empfinde ich Reue über etwas Schlechtes, was ich getan habe! Daran gibt’s gar nichts Geschwollenes! Ich will bloß wissen: kommst du mit oder läßt du mich sitzen?«

      »Ich muß wohl schon mitkommen und Kindermädchen spielen«, seufzte der Arzt. »Aber jetzt bitte ich dich, entlasse die schöne Unbekannte aus deinem Sinn – sie ist doch schön? Natürlich! – und denke ein bißchen an die wohlbekannte Marielen, die dir einen Streich spielen will. Du mußt gleich auf die Bühne, es hat schon zum zweiten Mal geklingelt …«

      »Ach, die alte Marielen mit ihrem verruchten Ehrgeiz!« sagte Babendererde. »Die Arme mag noch so hoch steigen, sie wird es nie verwinden, daß sie nicht filmen kann! – Wetten, Doktor, daß ich sie zum Sprechen bringe?!«

      »Die Marielen?«

      »Das Mädchen aus der Fremde doch! Die Marielen ist mir völlig piepe!«

      »Aha!« sagte der Arzt und folgte dem Schauspieler besorgt in die Kulisse.

      · · ·

      Aber vorläufig schien zu irgendwelcher Besorgnis kein Anlaß vorzuliegen. Die siebenundachtzigste Aufführung des Stückleins ›Liebe geht auf sachten Sohlen‹ lief wie

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