Der grüne Bogenschütze. Edgar Wallace

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Der grüne Bogenschütze - Edgar Wallace

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die Schießscharten der Mauern und Türme. Die Doppelfenster von Mr. Bellamys Bibliothek führten auf die grüne Rasenfläche des inneren Hofes, und über diesen Fenstern erhob sich die Wand der Burgkapelle. Stark, unzerstörbar ragte sie schier endlos zum Himmel empor.

      Viele Leute wunderten sich, warum Bellamy, der niemals ein Buch las und auf den geschichtliche Tradition keinen Eindruck machte, für eine so hohe Summe diese Burg gekauft hatte, die einst das Heim mächtiger Ritter gewesen war. Hätte man ihn aber genauer gekannt, so wäre es verständlich gewesen. Denn es war die Stärke der Mauern, die diesem alten Bauunternehmer Bewunderung abnötigte.

      Es lebte etwas in diesen starken, trotzigen Steinmauern, das mit der grausamen Wildheit seiner Natur übereinstimmte. Die düsteren Kerkerzellen mit ihren fußdicken Türen, die abgenützten Kettenringe, die an Steinpfeilern befestigt und von den Schultern gefolterter Menschen glattgerieben waren, die ganze Macht und Majestät von Garre Castle sprachen zu diesem primitiven Menschen und weckten in seiner Seele atavistische, teuflische Vorstellungen. Er weidete sich daran, wenn er sich diese längst vergessenen Folterqualen vorstellte. Schon vor zwanzig Jahren hatte die Burg bei seinem ersten Besuch in England einen starken Eindruck auf ihn gemacht. Später spielte Garre Castle in seinen Plänen eine Rolle und schließlich brauchte er den Platz notwendig. Er kaufte die Burg für eine ungeheure Summe, aber er bereute diesen Kauf niemals.

      Er liebte die Burg über alles. Hier war er weniger starrsinnig und konnte bei Gelegenheit sogar menschliche Seiten zeigen. Niemals blieb er eine Nacht außerhalb und selbst wenn er in der Stadt war, so schlief er doch nicht dort. Nur die Dienstboten des Hotels und Julius wußten darum. Wie wichtig das Geschäft auch sein mochte, das ihn nach London gebracht hatte, er kehrte stets abends zur Burg zurück, selbst wenn er deshalb beim nächsten Morgengrauen wieder zurückfahren mußte. Der Aufenthalt in der Burg war seine einzige Erholung. Er konnte ganze Tage damit zubringen, um die starken Mauern herumzugehen, und stundenlang konnte er einen Baustein betrachten. Wer mochte ihn hierher gesetzt haben? Wie war wohl der Name dieses Gesellen? Was mochte er für ein Leben gelebt haben, und was war wohl sein Lohn hierfür? Immer wieder kamen ihm solche Fragen. In jener Zeit kannte man wohl keine Gewerkschaften oder Verbandsorganisationen. Wenn ein Arbeiter frech wurde, setzte man ihn einfach gefangen und hängte ihn auf. Hoch oben von den Mauern der Burgkapelle ragte ein starker, eichener Balken in die Luft. Weiter unten war eine kleine Tür, die sich nach außen öffnete. Durch dieses Loch wurden viele Menschen hinausgestoßen, einen Hanfstrick um den Hals, der oben an dem Galgenbalken befestigt war. So ging man damals mit Arbeitern um, die sich auflehnten. Auch der Grüne Bogenschütze, der das gute Wildbret seines Herrn gestohlen hatte, war an diesem Galgen gestorben. Es geschah ihm ganz recht, dachte Abel Bellamy. Leute, die sich unterstehen zu stehlen, müssen gehängt werden. Das sollte auch heute noch Gesetz sein.

      Er saß am Abend vor dem großen Steinkamin in der Bibliothek und schaute nachdenklich in das Holzfeuer, das lebhaft knisterte und sprühte. Es war ein schöner Raum, der mit vielen Kosten ausgestattet war. Holzpaneele zogen sich vom Fußboden bis zur getäfelten Decke über die Wände. Blaue Samtvorhänge hingen vor den tiefen Irischen der Fenster. Von dem Feuer wanderten Bellamys Blicke zu dem steinernen Wappen mit den springenden Leoparden, das über dem Kamin eingemeißelt war. Im Lauf der Zeit war es verwittert und undeutlich geworden. Aber man konnte noch gut den darunter in Stein eingehauenen Wahlspruch der de Currys lesen:

      »Recht ist Recht.«

      Recht ist Recht! Es war doch töricht, so etwas zu sagen. Ebensogut konnte man auch behaupten: »Schwarz ist Schwarz« oder »Wasser ist naß«.

      Es war schon spät, und er war mit seiner Abendbeschäftigung fertig, aber er konnte sich noch nicht von seinem tiefen Armsessel trennen, in dem er sich niedergelassen hatte. Schließlich stand er doch auf, zog den Vorhang zurück, der die Tür bedeckte, und schloß auf. Dann kehrte er zum Kamin zurück und klingelte. Julius Savini erschien auf diesen Ruf.

      »Nehmen Sie all diese Briefe vom Tisch, setzen Sie die Antworten auf und legen Sie sie mir morgen vor,« brummte er. »Ich werde den ganzen nächsten Monat hier sein – wenn Sie einmal Urlaub haben wollen, dann sagen Sie es mir besser jetzt.«

      »Ich habe am Mittwoch eine Verabredung,« sagte Julius sofort. Der Alte murrte irgend etwas.

      »Nun gut, Sie können am Mittwoch gehen.«

      Als Savini schon wieder an der Tür war, rief ihn Bellamy noch einmal zurück.

      »Savini, Sie fragten mich neulich, ob ich ein Testament gemacht hätte. Damals hatte ich die Vorstellung, daß Sie Ihre Pflicht als mein Privatsekretär täten. Ich habe mir die Sache aber überlegt und bin nun zu der Überzeugung gekommen, daß Sie nicht der Mann sind, der eine solche Frage nicht mit einer bestimmten Absicht verbindet.«

      »Ich dachte mir wirklich nichts dabei,« sagte Savini obenhin. »Da ich nun einmal Ihr Privatsekretär bin, muß ich doch etwas von Ihren Angelegenheiten wissen – weiter hatte meine Frage nichts zu bedeuten.«

      Der alte Mann sah ihn unter seinen buschigen Augenbrauen an.

      »Dann ist es gut,« sagte er grob.

      Als Savini sich entfernt hatte, ging er aufgeregt in dem Raum auf und ab. Es war eine Unruhe in ihm, die er nicht begriff und für die er keinen Grund wußte. Er trat zu dem Schreibtisch, nahm einen Schlüssel aus einer inneren Tasche und schloß eine der Schubladen auf. Er tat dies ganz mechanisch, nahm eine Ledermappe heraus und legte sie auf den Tisch.

      »Du bist eine Närrin!« sagte Mr. Bellamy ruhig. »Du bist hübsch, aber – verrückt. Du hast nicht den geringsten Verstand.«

      Er öffnete die Mappe, nahm die Photographie einer Frau heraus und betrachtete sie. Ihre Kleider sahen altmodisch und sonderbar aus, sie mochten vor etwa zwanzig Jahren modern gewesen sein. Aber ihr Gesicht sah jung und schön aus, und die ruhigen Augen, die ihn anzuschauen schienen, waren von fast überirdischer Schönheit. Abel Bellamy preßte die Lippen aufeinander und schaute mit zusammengekniffenen Augen auf das Bild. Dann legte er es weg und nahm die zweite Photographie, die einen Mann zwischen dreißig und vierzig darstellte.

      »Auch ein Narr, aber du warst ja immer so, Mike.«

      Die dritte Photographie war die eines kleinen Kindes. Auf die Rückseite des Blattes war ein Zeitungsausschnitt geklebt.

      »Leutnant J. D. Bellamy, Angehöriger der Armee der Vereinigten Staaten. Der oben genannte Offizier wurde bei einem Luftkampf ungefähr am 14. Mai 1918 getötet.«

      Er sah sich die Photographie noch einmal an und legte sie wieder in die Ledermappe zurück, als plötzlich etwas seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Er beugte sich näher über den Tisch. Asche – Zigarettenasche! Mr. Bellamy rauchte keine Zigaretten, aber Julius Savini tat es. Bellamy wollte klingeln, aber unterließ es dann doch. Schließlich war es ja sein eigener Fehler. Er kannte den Charakter des Mannes, und wenn er seine Privaturkunden und Dokumente nicht einmal vor den neugierigen Augen eines Schuftes bewahren konnte, so war dies seine eigene Schuld. Bevor er die Bibliothek an diesem Abend verließ, legte er die Ledermappe in den Wandschrank, der hinter dem Eichenpaneel verborgen war, und schloß die Tür. Das tat er jeden Abend. Für den Zeitraum von zwei Stunden konnte dann niemand die Bibliothek betreten.

      Julius, der in einem Zimmer auf der anderen Seite der Eingangshalle arbeitete, hatte seine Tür weit offen stehen lassen. Er sah, wie sein Herr herauskam und die Lichtschalter der Bibliothek ausdrehte.

      »Sie können zu Bett gehen,« sagte Bellamy mit rauher Stimme.

      Das bedeutete in seiner Sprache soviel wie »Gute Nacht«.

      Bellamys Schlafzimmer war der einzige Raum, dessen

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