Die Sonnenanbeterin. Nieke V. Grafenberg

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Die Sonnenanbeterin - Nieke V. Grafenberg

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besonnene Staudenvielfalt in gemulchten Beeten. Dazwischen besänftigendes Grün.

      Das war der Ort des Geschehens.

      Der Ort, an dem gerade ein Sarg weggeschafft wurde.

      „Wer mag das sein? Ob wir die wohl kennen?“

      Ungestüm kurbelte Sanne das Seitenfenster herunter, während ich noch zögerlich die Gepäckentladezone vor dem Haupteingang ansteuerte.

      Herr Leo, Restaurantleiter, Oberkellner und Sommelier in einer Person, war schon zur Stelle. Bestimmt, aber taktvoll, wiegelte er unangebrachte Fragen von Zaungästen ab, wies herumlungerndes Personal auf ihre Plätze und stand, wie üblich, für alle Eventualitäten auf dem Sprung.

      Eigenartig fing dieser Urlaub an. So etwas war nie zuvor dagewesen. Im Geiste sah ich Ulli schicksalsergeben die Schultern heben, sah ihn den Sitz seiner Brille korrigieren, blickte in vergrößerte Augen hinter starken Gläsern und hörte ihn sagen:

      „Einmal ist immer das erste Mal.“

      Rieke war längst aus dem Auto geklettert und zu Johanna gelaufen, die in Wanderkleidung bei einer aufgescheucht wirkenden Gästegruppe stand.

      Sie war Patentante und schon am Vortag angereist.

      Dem Anlass entsprechend strahlte sie nur gedämpfte Wiedersehensfreude aus, doch pure Neugier blitzte aus ihren Augen, als sie den Kopf ins Auto steckte. Mit ausdrucksloser Miene raunte sie uns zu:

      „Noch weiß keiner so richtig, was los ist. Aber verlasst euch darauf - bis ihr ausgepackt habt, bin ich auf alle Fälle informiert!“

      Der Riemen meiner Handtasche lugte unter einem Berg von Windjacken hervor. Ich zog sie heraus und stieg aus.

      Wie alle Sommer nahm ich mir vor, jeden einzelnen Urlaubstag so gründlich wie möglich auszukosten.

      Auch wenn dieser erste nichts Gutes verhieß.

      DREI

      Ursprünglich hatte ich vor, binnen kurzem die Gepäckladezone für Nachkommende freizumachen. Aber ich wusste - beide Töchter würden mich am Empfang erwarten. Sie hatten das Gepäck in unser Stockwerk transportiert und standen garantiert bereit. Wie jedes Jahr freuten sie sich auf das, was jetzt kam - auf den warmen Empfang und die Zeremonie.

      Der Wandtresor an der Rezeption wurde aufgesperrt. Wir hatten die Qual der Wahl zwischen einem Begrüßungsschnaps oder Säften aus den Flaschen, die darin verwahrt wurden. Beides gut gekühlt.

      Ich konnte etwas Hochprozentiges gebrauchen nach der Mühsal der Anreise und der befremdlichen Begegnung mit dem Tod. Ein Schnaps war immer etwas Besonderes, genau wie ein Urlaub im Scheunenhof . Ohne großes Aufheben wurde die Prozedur zelebriert.

      Aufhebens machte nur unser hünenhafter Freund Max.

      „Wo habt ihr Ulli gelassen?“ schallte es quer durch die Empfangshalle. „Muss der Arme noch schnell das Geld für den Urlaub ranschaffen?“

      In den eigenen Bademantel gehüllt, weil kein Hotelexemplar passen wollte, steuerte er blitzblank und saunagerötet mit ausgebreiteten Armen auf uns zu wie ein Bassbariton, der zu einer Liebesarie ansetzt. Während er die Halle durchquerte, hielt ich unauffällig nach Sophie Ausschau. Bestimmt hielt sie sich vornehm zurück, ganz wie es ihre Art war. Als hervorragende Zuhörerin schuf sie stets beste Voraussetzungen für den ruhigen Hintergrund, vor dem ihr Mann konkurrenzlos und störungsfrei agieren konnte. Im Moment jedoch war sie auf dem Zimmer und fönte die Haare. Max führte es uns, ohne Scheu vor amüsiertem Publikum, als eine Art Ententanz vor. Gleich darauf zog er eine Grimasse und fasste sich ins Kreuz.

      „Ach du liebe Güte, das hat mir gerade noch gefehlt!“

      Er drehte sich um, humpelte steif Richtung Fahrstuhl.

      „Wir sehen uns später!“ rief er mit schmerzverzerrtem Gesicht über die Schulter. „Falls ich dann noch lebe!“

      Seine Stimme war noch zu hören, als sich die Türen des Fahrstuhls längst geschlossen hatten.

      „Man schaut auf uns“, zitierte Rieke peinlich berührt. Eines jedenfalls schien sicher: Von der außerordentlichen Begebenheit mit dem Leichenwagen hatte Max nichts mitbekommen.

      Das hätte er keinesfalls für sich behalten können!

      Sanne hatte eine gleichaltrige Freundin entdeckt und sich fürs Schwimmbad verabredet. Um sie brauchte ich mir keine Gedanken mehr zu machen, ab jetzt war sie versorgt. So war mein mütterlicher Gedankengang und die Erfahrung aus den Vorjahren.

      Wie hätte ich in dem Moment ahnen können, dass sie sich an andere Kreise anschließen und damit überfordert sein würde. Als Mutter hatte ich ihre Ausstrahlung unterschätzt, hatte sie ausschließlich als Kind gesehen. Als kleines, vorlautes Mädchen, das in seiner Arglosigkeit Anerkennung suchte.

      Vielleicht noch gefallen wollte.

      Mehr nicht.

      Ein Grüppchen junger Leute mit Billardstöcken schlenderte vorbei. Einer nahm meine ungleichen Töchter ins Visier, ließ dann einen abschätzenden Blick über mich gleiten.

      Glattes Gesicht mit regelmäßigen Zügen.

      Hungrige Wolfsaugen, hell, ohne Hintergrund.

      Haare wie Grannen, graugelblich und stark.

      Als er meinen Blick spürte, schweifte sein Blick ins Leere, täuschte Desinteresse vor, obwohl er uns weiter aus den Augenwinkeln beobachtete.

      Ein Prickeln im Nacken machte sich bemerkbar - ein unangenehmes Gefühl. War es der Schnaps oder die Vorahnung?

      Rieke machte den Hals lang, hob das rundliche Kinn, blickte ermunternd in seine Richtung, schob die Hände unter die weißblonden Haare, bauschte sie mit gespreizten Fingern auf, als wolle sie der Frisur mehr Masse geben. Für einen Moment fürchtete ich, sie würde den Kopf nach vorne werfen, um die ganze Pracht aufzuschütteln, wie sie es daheim häufig tat.

      Ich sehe sie noch lächeln.

      Ihre feste Zahnspange, für die sie sich reichlich spät entschieden hatte, schien einen Moment lang vergessen.

      „Im Dezember werde ich achtzehn.“

      Ich weiß bis heute nicht, was sie daran für Erwartungen knüpfte, aber damals betonte sie das gern und häufig.

      Wenig später war der Wagen umgestellt. Ich nahm den Rückweg durch den neuen Alpenpark , der zu meiner Enttäuschung in keiner Weise dem im Prospekt versprochenen Naturerlebnis glich. Die zwischen Steine gesetzten Pflanzen trugen Schildchen mit ihren botanischen Namen wie bei einer Landesgartenschau. Immerhin, die gesamte Bepflanzung bestand aus heimischen Gewächsen, würde daher in absehbarer Zeit nahtlos mit der Umgebung verschmelzen. Ich hielt Ausschau nach dem Almrausch , der mitunter von Juli bis August ganze Berghänge blutrot überzieht. Doch die Pracht war verblüht, wie jedes Jahr Ende August, wenn wir kamen.

      Wir kamen meist in der letzten Augustwoche in der Hoffnung auf beständiges Spätsommerwetter mit Sonne ohne Ende, wie es uns einmal vergönnt gewesen und

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