Die Sonnenanbeterin. Nieke V. Grafenberg

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Die Sonnenanbeterin - Nieke V. Grafenberg

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Verwirrung nicht anmerken. Festen Schrittes setzte ich meinen Weg zur Saunahütte fort, sah nicht einmal zurück zu meinen Töchtern.

      Unvermittelt wünschte ich mir Jana herbei, meine Kusine, vertraute Freundin. Wir kannten uns am längsten. Sie und Thomas waren die letzten, die noch eintreffen mussten, dann würde unser Freundeskreis komplett sein.

      Ich kannte beide von Kindheit an, aber Thomas war mir eher fremd geblieben. Wusste er, dass Jana als Kind eine lebensbedrohliche Operation durchmachen musste? Hatte sie je erwähnt, dass sie unter Gleichgewichtsstörungen litt, zuletzt nur noch torkelte und immer weniger wurde?

      Sie wurde in die Universitätsklinik eingeliefert.

      Mutter fuhr hin, um ihrer Schwägerin eine Stütze und Janas Bruder eine gute Tante zu sein.

      Für ein paar beklemmende Tage ging die Todesangst in der Familie um. Der Chirurg schälte eine hühnereigroße Geschwulstkapsel aus Janas Gehirn. Ihre Entwicklung schien danach verzögert. Sie war langsam , wie die Erwachsenen sagten.

      Ein vergessen geglaubtes Bild taucht auf:

      Die Abendstunden nach einem warmen Mairegen. Überall auf dem Bahnsteig Pfützen. In der Ferne läuft der Zug ein, eine Bahnhofslampe scheppert. Mit dem Namensschild um den Hals wird ein müdes Kind aus dem Zug gehoben.

      Kniestrümpfe im Mai.

      Haare zum Pferdeschweif hochgebunden.

      Ährenwimpern über Kornblumenaugen.

      Vereinzelt ein verzögerter Lidschlag des linken Auges.

      Mutter: „Den Tick hat sie seit der Operation.“

      Das war Jana - mein Schutzengel.

      Kusine und Freundin.

      Wie eine Schwester.

      Sie war vier, vielleicht fünf, ein durchscheinend zartes Stadtkind, das zur Erholung zu uns aufs Land geschickt wurde und bis zur Einschulung blieb.

      Später kam Jana jeden Sommer.

      Großvater und Großmutter gingen anfangs sehr behutsam mit ihr um. Dabei war sie ein Wirbelwind.

      Ich war selig, ich war kein Einzelkind mehr. Endlich hatte ich eine ebenbürtige Spielkameradin gefunden!

      Am liebsten stromerten wir im Freien herum, kamen nur zu den Mahlzeiten und zum Schlafen nach Hause.

      Sommerwärme und Weizenfelder.

      Schmetterlinge im Glas.

      Kein Heuhaufen war vor uns sicher. Rauf und runter, wir kletterten und rutschten, rannten mit nackten Füßen über Wiesen und Stoppelfelder.

      „Ihr zwei seid bekannt wie ein bunter Hund.“

      Manchmal machte der Großvater sich auf die Suche nach uns. Die Leute im Dorf setzten ihn auf unsere Spur; keine Höhle im Heu, kein Versteck blieb ihm verborgen.

      An dem Tag aber, an dem wir ihn dringend gebraucht hätten, ließ ihn sein Spürsinn im Stich. Davon hat er später oft gesprochen. Hat sich Vorwürfe gemacht, weil er wusste - es war Hochwasser, und von allen Elementen übte Wasser die größte Faszination auf uns aus. Wir hatten die Wahl zwischen dem Schwimmbad, dem natürlichen Flusslauf mit seinen seichten Badestellen und dem Wehr unmittelbar daneben.

      Vom Wehr aus zwängte sich das schlammfarbene Gebräu schäumend und gurgelnd durch metertief gemauerte Gräben in den Fluss, der jeden Winter die angrenzenden Wiesen überschwemmte und uns Kindern kilometerlange Eisflächen bescherte.

      Bei Glatteis über die Wehrgräben springen - das war nicht ungefährlich. Als ich ausglitt, hineinfiel und davongetragen wurde, war Jana keineswegs langsam .

      Sie tat das einzig Richtige.

      Sie rannte und holte Hilfe.

      Im Vorraum der Zirbensauna herrschte Hochbetrieb. Ein Blick durch das Guckfensterchen und ich verzichtete auf einen zweiten Saunagang, zog lieber gleich den Bademantel über. Rieke und Sanne hockten nach wie vor neben Wolf im überfüllten Whirlpool. Wenn ich mich beeilte, blieb mir noch eine Weile Muße und Raum fürs Haaretrocknen und Schönmachen.

      Der Fahrstuhl hielt in unserem Stockwerk.

      „Haben Sie Wilma gesehen?“

      Da war er wieder, der alte Herr mit dem wirren Haarkranz - diesmal fürsorglich geführt am Arm eines jüngeren Mannes. Ihr Reisegepäck stand gestapelt auf einem Karren.

      Ich schüttelte den Kopf.

      „Nein, tut mir leid.“

      Was sonst hätte ich sagen sollen.

      Als wir feingemacht die Treppe hinunter in die Halle hasteten, trafen wir auf Sophie. Achtlos zusammengeknüllt klemmte ein Kleidungsstück unter ihrem Arm. Sie blieb stehen, küsste uns rechts und links zur Begrüßung.

      „Geht nur schon runter. Ich bin gleich bei euch!“

      Max hätte lange genug die Knitter in ihrer Leinenjacke kommentiert. Sie sei es leid, sie gehe sich umziehen.

      Sophies ungewohnt verkrampfter Gesichtsausdruck gefiel mir gar nicht. Ich erinnerte mich, dass Max in modischer Hinsicht seine ganz eigene konservative Vorstellung hatte. Kritik tat er mit Vorliebe raumfüllend kund, auch mich hatte sie gelegentlich getroffen.

      „Gottogott, Lena, habt ihr etwa Ratten im Haus?“

      Der Anlass war ein modischer Zipfelrock. Ich hatte ihn mir eigens für sein Geburtstagsfest zugelegt und musste meine Verwegenheit prompt büßen.

      Sophie tat es viel zu selten, aber wenn sie lächelte, ging auch abends die Sonne auf. Ihr straffes, von deutlich sichtbaren Muskeln geprägtes Langstreckenläufergesicht füllte sich auf, rundete sich. Der schmale, ein wenig klein geratene Mund wurde weich.

      Sie war keine Schönheit. Sophies Anziehungskraft lag in der sanften Stimme, den ruhig fließenden, harmonischen Bewegungen und in der Ernsthaftigkeit, mit der sie zuhörte.

      In ihrer Nähe fühlte ich mich wohl.

      In der Hotelhalle saßen Max, Johanna und Bärlein bereits vor halbgeleerten Gläsern. Johanna trug ein orangerotes Leinenkleid mit kleinen Ärmeln. Dazu den farblich passenden Lippenstift.

      Keinen Schmuck.

      Die im Lampenlicht metallisch schimmernden Haare bildeten einen harten Kontrast, zogen magisch den Blick an. Sie hatte sich eine Nische mit bester Sicht auf Ankommende und Abreisende angeeignet. Für den Rest der Ferien würde hier unser gemeinsamer Stammplatz sein, toleriert und respektiert von den anderen Gästen. Ab jetzt hatten wir eine Anlaufstelle für alle Tageszeiten - mit Blick auf den riesigen Kamin, ohne zu nahe daran zu sitzen.

      Der Cocktailabend war immer ein Dienstag.

      Pünktlich auf die Minute standen Wirtsleute und Personal in Landestracht bereit, überreichten uns die gefüllten Gläser, um später mit Krügen von Tisch zu Tisch zu gehen und nachzugießen.

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